Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
Es ist natürlich kein einfaches Thema. Und Staat und Gesellschaft sollten das bestmögliche unternehmen, damit Suizide seltener werden. Aber gleichzeitig sollte die geschäftsmäßige Sterbehilfe immer eine Möglichkeit sein und für alle Menschen die gehen wollen offen sein.
Den Begriff des "Freitodes" als einen "Scheißeuphemismus" zu bezeichnen halte ich für problematisch: unstreitig gibt es Menschen die in tiefer Verzweiflung ihr Leben beenden- aber nimmt die Verzweiflung ihnen das Recht hierzu und sind wir dazu berechtigt, ihnen den freien Willen abzusprechen?
Ich denke: nein! Es gehört zur Autonomie des Menschen zu sagen, aus welchen Gründen auch immer, dieses (ihr/sein) Leben nicht weiter ausfüllen zu wollen oder ausfüllen zu können. Jene die weiter ihr Leben leben und damit dann auch mit dem (vorzeitigen) Tod eines anderen Menschen, sind nicht nur traurig, sondern mitunter auch wütend- das ist ebenso legitim.
Suizidalität und Suizid zu einer Krankheit, bzw. Folge einer Krankheit zu erklären, wie es die Autorin des Kommentars tut, pathologisiert unnötigerweise Menschen und spricht ihnen letzlich eine freie Willensentscheidung ab.
Für betroffene Angehörige gibt es Stelbsthilfegruppen wie AGUS (Angeghörige um Suizid) und z.B. den Podcast "Selbstwort".
"Viele fassen dennoch das Thema grundsätzlich nicht an. Aus Angst,......" Angst ist sicherlich ein Aspekt, warum das Thema zu wenig angepackt wird. . Meiner meinung lagt liegt das Desinteresse/zu geringe Interesse auch daran, dass die Personen die Suizid begehen eher männlich und älter >55 Jahre sind. ( z.B. 75% der Suizide werden von Männern begangen.) Diese Definition führt wahrscheinlich automatisch dazu, dass darüber nicht berichtet wird. Wahrscheinlich zu wenig "Glamour".
@Tepan Nein.
Die gängige These ist, dass die fehlende Berichterstattung Nachahmer reduzieren möchte.
Es muss auch stark differenziert werden. Gefährdete Jugendliche haben ganz andere Hintergründe als viele der älteren Menschen, meist Männer. Bei letzteren können multiple Erkrankungen und starke Lebenseinschränkungen eine große Rolle spielen.
@fly Na klar, bedeuten verschiedene Alterscluster wahrscheinlich unterschiedliche Gründe.
Was bedeutet das im Hinblick auf meinen Post?
@fly Absolut. Unbedingt differenzieren und besonders bei jungen Menschen liegen die Ansatzpunkte komplett woanders als bei zb. chronisch Kranken oder älteren Menschen.
Und an "Tepan": Wo ist ihre Quelle?
Man kann nicht einfach so steile Thesen aufstellen ohne sie mit einer wissenschaftlich anerkannten Quelle zu belegen.
Ganz besonders bei Statistiken bin ich immer ausgesprochen skeptisch sofern sie nicht belegt sind.
Dafür hab ich zu oft Leute mangelhafte Studien zitieren sehen ohne das überhaupt zu bemerken.
(Bestes Beispiel: Die Pandemie, wo jeder auf einmal wusste wie man eine Statistik liest oder sie sich auslegt.)
Bitte die Quelle nachreichen damit man sich mit ihren Standpunkt auseinandersetzen kann.
Danke.
@Thomas O´Connolly Probiere bitte selbständig die leicht zu findende Seiten bei Statista und des statistischen Bundesamtes. Dort gibt es bereits die 2023 Werte.
Die Werte einfache Analyse diese Daten überlasse ich natürlich dir.
Aber ich verstehe, dass der „share of voice“ eher den Zahlen widerspricht und es dadurch zu Fehlwahrnehmungen kommen kann.
Ich weiß nicht, ob diese monokausale Betrachtungsweise so zutrifft. Der Anstieg in den Suizidraten 2023 findet vor allem in den hohen Altersgruppen statt. Es wäre diskussionswürdig, ob die Veränderungen, die in den letzten Jahren unter dem Begriff "Selbstbestimmtes Sterben" stattgefunden haben (bspw. die erweiterten Möglichkeiten zum ärztlich assistierten Suizid) hier nicht ebenfalls einen gewissen Einfluss haben.
Und: Bei allem Respekt vor Journalist*innen halte ich es grundsätzlich für eine positive Entwicklung, dass diese wesentlich zurückhaltender über das Thema berichten als früher. Schließlich ist die damit assoziierte Nachahmungsgefahr lange bekannt.
Suizidzahlen 2023: Den „Freitod“, den gibt es nicht
Suizid ist ein Tabuthema. Nötig sind mehr Verständnis für Gefährdete und mehr Mut, darüber zu sprechen.
Suizid ist ein Tabuthema – leider Foto: Martin Bertrand/imago
Im Jahr 2023 starben in Deutschland über eine Million Menschen. Darunter 10.300 Menschen laut Statistischem Bundesamt durch Suizid. Bei 10- bis unter 25-Jährigen war Suizid im Jahr 2023 die häufigste Todesursache, noch vor Verkehrsunfällen. In der Altersgruppe ab 85 hat sich die Zahl der Suizide von 600 im Jahr 2003 auf knapp 1.300 mehr als verdoppelt.
Was Menschen, die mit dem Thema Suizid in Berührung kommen, helfen würde? Ein offener Diskurs über eine Todesursache, die für jeden Hundertsten Sterbefall in Deutschland verantwortlich ist. Das bedeutet auch: Die meisten kennen jemanden, der so gestorben ist. Oder jemanden, der jemanden kennt.
Viele fassen dennoch das Thema grundsätzlich nicht an. Aus Angst, etwas falsch zu formulieren, den Zustand derjenigen, die suizidal sind, zu verschlimmern oder Angehörige traurig zu machen. Oder als Journalist aus Angst, durch Berichte über Suizide das Problem zu verschlimmern. Was dabei aber übersehen wird: Es ist das öffentliche Schweigen, das trauernde Angehörige und Menschen mit Suizidgedanken isoliert. Wenn Medien dann doch über das Thema Suizid schreiben, fassen sie es höchst ungern und unbeholfen mit Samthandschuhen an.
Dann wird noch ein Hinweis druntergepackt mit den Nummern der Telefonseelsorge; so wird es scheinbar richtig gemacht, aber eben nicht gut. Übersehen wird, dass die beiden 0800-Nummern oft überlastet sind, Hilfesuchende oft nicht direkt durchkommen.
Natürlich sollten diejenigen, die öffentlich über das Thema sprechen, sensibel und reflektiert vorgehen. Dazu gehört es, zu verstehen, dass Menschen, die durch Suizid sterben, nachdem sie etwa an Depressionen erkrankt waren, sich weder selbst ermorden noch einen freien Tod wählen.
Vielmehr ist ihr Leiden in einem Moment so groß und ihre Hoffnung so gering, dass sie sich in einer Sackgasse sehen. Aber das ist nicht ihre Schuld. Sie sind krank. Und eine Folge dieses Krankseins ist der Suizid. Helfen würden Verständnis, der Mut, darüber zu sprechen, und rechtzeitige psychologische Hilfe. Und keine Scheißeuphemismen wie „Freitod“.
Haben Sie suizidale Gedanken? Dann sollten Sie sich unverzüglich ärztliche und psychotherapeutische Hilfe holen. Bitte wenden Sie sich an die nächste psychiatrische Klinik oder rufen Sie in akuten Fällen den Notruf an unter 112. Eine Liste mit weiteren Angeboten finden Sie unter taz.de/suizidgedanken.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Kommentar von
Klaudia Lagozinski
Nachrichtenchefin & CvD
Immer unterwegs. Schreibt meistens über Kultur, Reisen, Wirtschaft und Skandinavien. Meistens auf Deutsch, manchmal auf Englisch und Schwedisch. Seit 2020 bei der taz. Master in Kulturjournalismus, in Berlin und Uppsala studiert. IJP (2023) bei Dagens ETC in Stockholm.
Themen
Hilfe bei Suizidgedanken
Haben Sie den Verdacht, an Depression zu leiden? Oder haben Sie sogar suizidale Gedanken? Andere Menschen können Ihnen helfen. Sie können sich an Familienmitglieder, Freund:innen und Bekannte wenden. Sie können sich auch professionelle oder ehrenamtliche Hilfe holen – auch anonym. Bitte suchen Sie sich Hilfe, Sie sind nicht allein. Anbei finden Sie einige Anlaufstellen.
Akute suizidale Gedanken: Rufen Sie den Notruf unter 112 an, wenn Sie akute suizidale Gedanken haben. Wenn Sie sofort behandelt werden möchten, finden Sie Hilfe bei der psychiatrischen Klinik oder beim Krisendienst.
Depression und depressive Stimmung: Holen Sie sich Hilfe durch eine Psychotherapie. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe kann Ihnen ferner Hilfe und Information zum Umgang mit Depression bieten.
Kummer: Sind Sie traurig und möchten jemanden zum Reden haben? Wollen Sie Sorgen loswerden und möchten, dass Ihnen jemand zuhört? Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr besetzt. Die Telefonnummern sind 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222. Sie können auch das schriftliche Angebot via Chat oder Mail in Anspruch nehmen.
Onlineberatung bei Suizidgedanken: Die MANO Suizidprävention bietet eine anonyme Onlineberatung an. Wenn Sie über 26 Jahre alt sind, können Sie sich auf der Webseite registrieren. Sollten Sie jünger sein, können Sie hier eine Helpmail formulieren.
Hilfsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern: Die Nummer gegen Kummer hat sich zum Ziel gesetzt, Kindern, Jugendlichen und Eltern zu helfen. Kinder erhalten dort Unterstützung unter der Nummer 116 111, Eltern unter 0800 111 0 550, und bei der Helpline Ukraine unter 0800 500 225 0 finden Sie auch Hilfe auf Russisch und Ukrainisch.
Hilfsangebot für Muslim:innen: Die Ehrenamtlichen des Muslimischen Seelsorgetelefons erreichen Sie anonym und vertraulich unter 030 443 509 821.
Bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention können Sie nach weiteren Seiten und Nummern suchen, die Ihrem Bedarf entsprechen.