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Teilverkauf des Hamburger HafensEnde der demokratischen Kontrolle

André Zuschlag
Kommentar von André Zuschlag

Die Reederei MSC darf im Hamburger Hafen einsteigen, das haben SPD und Grüne am Mittwoch beschlossen. Doch die Entscheidung schadet der ganzen Stadt.

Hat nichts genutzt: Protest der Ha­fen­ar­bei­te­r:in­nen gegen den MSC-Deal Foto: Ulrich Perrey/dpa

S ie sind kurz vorher mit Trillerpfeifen durch die Stadt gezogen und haben aus Protest auch noch einmal die Arbeit niedergelegt, doch genutzt hat es den Hamburger Ha­fen­ar­bei­te­r:in­nen am Ende nichts: Mittwochabend beschlossen SPD und Grüne in der Bürgerschaft, dem Hamburger Stadtparlament, endgültig den Teilverkauf des Hafens an die weltgrößte Reederei, MSC.

Damit droht nicht nur den Ar­bei­te­r:in­nen eine massive Verschlechterung ihrer bislang ziemlich guten Arbeitsbedingungen samt betrieblicher Mitbestimmung, vor allem aber schaden SPD und Grüne mit ihrer neoliberalen Privatisierung der ganzen Stadt.

Deutschlands größter Seehafen befindet sich seit Jahren in einer Krise, weil vor allem der Containerumschlag immer weiter zurückgeht. Ideen zur Rettung gab es: etwa eine vielversprechende Kooperation mit den Häfen in Bremen und Wilhelmshaven. Stattdessen verhandelte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in aller Heimlichkeit mit der zwar finanziell potenten, aber komplett undurchsichtigen Schweizer Reederei. Die soll mehr Ladung nach Hamburg liefern und das nötige Kleingeld für die Modernisierung des Hafens bereitstellen.

Ob diese Rechnung aufgeht, ist aber fraglich: Das Versprechen von MSC ist letzten Endes nicht verbindlich; der Reederei geht es wohl vor allem um den Zugriff auf das Bahnunternehmen Metrans, ein Tochterunternehmen des Hafenbetriebs. So beherrscht MSC dann einen weiteren gewinnträchtigen Teil der Transportkette.

Reederei mit 60 Milliarden auf dem Konto

Und auch wenn die Reederei nur 49,9 Prozent der Hafenanteile bekommt, ist die Stadt trotzdem der massiv kleinere Partner in dieser Beziehung: Die Reederei soll nach Recherchen über ein Barvermögen von mehr als 60 Milliarden Euro verfügen – der Hamburger Haushalt beträgt dagegen gerade einmal rund 20 Milliarden pro Jahr. Nichts geht im Hafen dann also mehr ohne den Segen der Containerreederei.

Der Hafen ist für Hamburg nicht nur ein Teil der Identität, sondern auch der kritischen Infrastruktur. Nun sorgen SPD und Grüne dafür, dass es darüber kaum mehr eine demokratische Kontrolle gibt.

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André Zuschlag
Redakteur taz nord
Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.
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12 Kommentare

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  • Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

    Die Moderation

  • "Doch die Entscheidung schadet der ganzen!! Stadt".

    Steht so da, wird aber nicht gesagt warum.

  • Der Senat hat sich auf eine Linie versteift, ohne dabei sicherstellen zu können, das MSC liefert.



    Es bleiben Ankündigungen und das Unternehmen ist klar gewerkschaftsfeindlich. Das ist ein fatales Signal des Senats. Und es kann sehr leicht scheitern.

  • Klar ist Hamburg Hafen und Handel.



    So aber wie Brügge & Co. irgendwann im Mittelalter einsehen mussten, dass sie sehr landeinwärts lagen, ist das bei immer größeren Schiffen in Hamburg vielleicht doch eine naheliegende Idee.



    Sich von Privaten beim Hafen in die falsche Richtung bugsieren oder abkochen zu lassen: das Geld ist besser in Klimaschutz und Hochwassermanagement angelegt.

  • Wieso, was soll das Gejammer ?



    Irgendjemand in der Entscheidungskette kann sich jetzt gewiss eine hübsche Villa leisten... oder eine Yacht ...



    Man muss auch mal gönne könne.

  • Neoliberale Politik nutzt sehr wenigen Unternehmen, auf Kosten der Allgemeinheit.

    Wir haben sehr viele neoliberale Parteien und wir können ihre Erfolge überall sehen, gerade bei der Infrastruktur.

    Statt die Umschlagskapazität des Hafens zu erhöhen, seine Anbindung an das Hinterland zu verbessern, die Privatisierung. Wir wissen ja, wie gut das funktioniert.

    Wer wissen will, warum die Menschen eine andere Politik wollen, hier ist es.

  • Danke für den engagierten Kommentar. Die Wirtschaftspolitik der Hamburger SPD ist schlimmer als die der CDU und FDP, die bei dem Thema Krokodilstränen vergießen.



    Der MSC-Deal ist so brisant, weil dass Unternehmen enorm intransparent ist.

    Die ARD warf folgende Fragen auf: "Wer steckt eigentlich alles Geld in die Schifffahrt bei MSC? Wer investiert da? Sind das alles saubere Gelder, die da hineinfließen?"

  • Warum geht denn in Hamburg der Containerumschlag zurück?

    In Hamburg werden Containerschiffe je Schicht mit mehr Leuten und teurer be- und entladen als in Rotterdam oder Antwerpen. Die Containerzugverbindungen von West (Rotterdam, Antwerpen) nach Ost sind günstiger als die überfüllten Strecken von Nord (Hamburg) nach Süd. Daß der Hamburger Hafen Fracht verloren hat, liegt auch an den Mitarbeitern der Hamburger Container-Terminals. Dort kann ein Containerbrückenfahrer inzwischen über 100.000 EUR im Jahr verdienen. Wenn sie mehr wollen, dann legen sie den Hafen still. Dann fehlen deutschlandweit die Wareneingänge. Wurde letztes jahr demonstriert.

    In einem Hafen werden Schiffe nicht nur ent- und beladen. Im Hamburger Hafen werden Dienstleistungen erbracht, für die Containerhäfen weitab vom Schuß weder Infrastruktur noch Personal haben.

    Eigentümer wie MSC und COSCO werden ihre Hafenanlagen nutzen. Das ist gut für Hamburg und die vielen Betriebe im Umfeld des Hafens. Natürlich wollen und werden diese Unternehmen den Standort wieder wettbewerbsfähig machen. Das mag zu Lasten einer Handvoll Spitzenverdiener gehen, sichert aber die Einkommen vieler vom Hafen abhängigen Arbeitnehmer.

    • @Donald Duck:

      MSC und COSCO erzielen Gewinne, denen pauschal zu unterstellen, dass sie für eine gute Hafenwirtschaft und Beschäftigung sorgen, ist sehr naiv. Und diese Arbeitnehmer arbeiten, die haben Chefs und Vorgaben, die haben da nicht ein Eldorado der Freiheit und streiken können sie auch nicht einfach. Ich finde es naiv zu glauben, dass solche Unternehmen mehr machen, als Gewinne zu erzielen. Und die Gewinne lassen sich vielleicht nicht Mal richtig versteuern.

    • @Donald Duck:

      MSC und Cosco werden kein Interesse



      am Wettbewerb mit anderen Reedereien haben sondern werden die Bedingungen diktieren, die ihnen allein nutzen.



      Der Hamburger Senat wird den



      Managern von MSC aufgrund



      mangelnder Kompetenz nicht ansatzweise gewachsen sein.

  • Na wo bleiben die Stimmen die den kapitalismus verteufeln? Ach das ist ja gar kein kapitalismus wenn SPD und Grüne das verkaufen! Die SPD ist schon lange nicht mehr die Partei der Arbeiter! Eher die Partei der Bürgergeldempfänger ! Deshalb ist Ihr die Hafenarbeiter und deren Bedingung egal -Hauptsache wir können mit den Einnahmen tolle spd und grüne ideologische Projekte durchfuehren ! Vielleicht Fahrradwege zum Hafen etc…

    • @Thomas Zwarkat:

      Bei den HH-Bezirkswahlen gab es ca.



      50 SPD-Bewerber auf den entspr. Listen,



      darunter EIN ARBEITER !