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Pläne der Ampel gegen TerrorAbgleich mit allen Fotos der Welt

Die Ampelregierung will der Polizei biometrische Gesichtserkennung erlauben. Wie könnte das konkret gehen?

Wie die geplante Gesichtserkennung konkret funktionieren soll, lässt die Bundesregierung bisher offen (Symbolbild) Foto: Jochen Tack/imago

Berlin taz | Die Bundesregierung will biometrische Gesichtserkennung auch beim Kampf gegen Islamismus und bei der Entscheidung über Asylanträge nutzen. Das ist Teil des „Sicherheitspakets“, das Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) am vergangenen Donnerstag vorstellten.

Zum einen soll Gesichtserkennung genutzt werden, um islamistische Tatverdächtige zu identifizieren. Das passt zu einem Gesetzentwurf Faesers, der Anfang August bekannt wurde. Dort wollte sie nicht nur dem BKA zur Terrorabwehr, sondern auch den Landespolizeien zur Aufklärung erheblicher Straftaten die Befugnis zum Abgleich von Fahndungsfotos mit öffentlich zugänglichen Fotos aus dem Internet erlauben. So sollen etwa islamistische Terroristen identifiziert werden, die auf IS-Hinrichtungs- oder Foltervideos zu sehen sind. Neu ist, dass auch Justizminister Buschmann und die Grünen das Vorhaben mittragen. Es sei ein „Anachronismus“, dass staatliche Gesichtserkennung noch nicht erlaubt ist, sagte die grüne Wirtschaftsstaatssekretärin Anja Hajduk am Donnerstag.

Außerdem soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die Befugnis zum biometrischen Abgleich von Internetdaten erhalten. So sollen vor allem die Identitäten von Schutzsuchenden festgestellt werden. Dieser Plan ist neu. So könnte verhindert werden, dass bekannte Terroristen als Flüchtlinge mit neuer Identität in Europa aufgenommen werden. Gegen die Radikalisierung bisher unauffälliger Geflüchteter wie beim Solingen-Attentäter hilft Biometrie jedoch nichts.

Doch wie funktioniert diese Gesichtserkennung eigentlich? Jedes Gesicht hat charakteristische Merkmale, etwa das Verhältnis der Augen zu anderen Gesichtsteilen. Diese Merkmale können biometrisch vermessen und in digitale Daten (ein sogenanntes Template/Muster) übersetzt werden. Bei der biometrischen Gesichtserkennung werden nicht die Fotos, sondern zwei Templates miteinander verglichen.

Zusammenarbeit mit umstrittenen Firmen?

Für den Abgleich mit Fotos aus dem Internet gibt es nun drei Möglichkeiten. Entweder durchsucht eine Software der Polizei bei jeder Anfrage das ganze Internet nach Fotos von Personen, fertigt für jedes Foto ein Template an und vergleicht dieses mit dem Template des Fahndungsfotos. Bei Hunderten von Milliarden Fotos im Internet und in sozialen Netzwerken wäre das ein recht aufwändiges Verfahren.

Die Polizei könnte sich aber auch eine Datenbank aller Templates von Fotos aus dem Internet anlegen. Das Fahndungsfoto würde dann nur noch mit den Templates dieser Datenbank abgeglichen. Das wäre deutlich einfacher und schneller. Dies wäre aber eine Vorratsdatenspeicherung der ganzen Weltbevölkerung, die vermutlich gegen EU-Recht und Grundgesetz verstieße.

Dritte Möglichkeit wäre eine Zusammenarbeit der Polizei mit kommerziellen Firmen wie Clearview oder PimEyes, die schon gigantische Sammlungen von Foto-Templates angelegt haben. Allein Clearview hat nach eigenen Angaben über 50 Milliarden Fotos erfasst. Die Leistungsfähigkeit dieser Datenbanken zeigte sich, als ein Journalist mit Hilfe von PimEyes die mehr als 30 Jahre untergetauchte RAF-Terroristin Daniela Klette identifizierte.

Allerdings verstoßen diese privaten Datenbanken nach Ansicht mehrerer Datenschutzbehörden gegen EU-Datenschutzrecht. Wie die geplante Gesichtserkennung konkret funktionieren soll, lässt die Bundesregierung bisher offen. Vermutlich weiß sie es selbst noch nicht und wollte lediglich vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland ein Zeichen der Entschlossenheit setzen.

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11 Kommentare

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  • Die Frage: Wo und wie werden die Menschen denn für die Datenbank fotografiert?



    Das sollte man dann schon wissen.



    Don’t look before you laugh,



    looks ugly in a photograph.

    Effizienter wäre es, bestehende Verdachtsfälle konsequent nicht aus den Augen zu lassen, was immer wieder nicht geschieht.

  • Find ich ja ganz niedlich, die Idee. Nur: Wenn das Bild erst gefaxt werden muss, dürfte sich der Benefit in Grenzen halten.

  • Schon jetzt setzt die Polizei (heimlich) mobile Videoüberwachungssysteme mit Gesichtserkennung ein. Aktuelle Systeme lassen sich z.B. in Autos installieren, funktionieren über größere Entfernungen, auch nachts, und werden mit Software für automatischen Kennzeichenabgleich und Gesichtserkennung geliefert.



    Der kleine Bruder wird erwachsen.

    netzpolitik.org/20...gesichtserkennung/

    www.optoprecision....rodukte/peris.html

  • Wer ein Terrorist, Gefährder, Staatsfeind, Diktator, Kriegsverbrecher… ist oder was als terroristische Bestrebung, Revolution, Aufstand, Putsch… bezeichnet wird, definieren immer diejenigen, die damit ihre Regierungsmacht, ihren nationalen Herrschaftsanspruch oder ihren politischen und ökonomischen Einfluss auf nationaler oder internationaler sichern wollen. Die Flexibilität bei den Beurteilungen, wie schnell und aus welchem Anlass aus Freunden Feinde wurden, ist in Geschichtsbüchern nachzulesen.



    Noch schützen Gesetze, EU Recht und das Grundgesetz unsere Freiheitsrechte und unsere Privatsphäre. Aber es ist besorgniserregend, dass kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über die Notwendigkeit von Einschränkungen und Eingriffsmöglichkeiten in diese Freiheitsrechte und die Privatsphäre diskutiert wird. Die Diskussionen über biometrische Gesichtserkennung, die Unverletzlichkeit der Wohnung, oder Drohungen (Entzug staatlicher Forschungsförderung bei abweichender politischer Meinungsäußerungen), ... gehören dazu. Es ist erschreckend, dass bereits heute Mitglieder von sozialen Bewegungen aufgrund polizeilicher Vermutungen als "Gefährder" inhaftiert werden können.

    • @Drabiniok Dieter:

      Sehr richtig beobachtet! Und selbst da lassen uns die "guten" Politikerinnen und Politiker im Stich und hauen nicht auf den Putz. Die von Dir erwähnte Flexibilität: aus dem Terroristen Menachim Beguin (unter anderem Bombenanschlag auf ein Hotel) wurde später der Ministerpräsident von Israel.

  • Leider wird ein wichtiges Argument nicht erwähnt, dass gegen den automatischen Abgleich spricht: die mangelnde Zuverlässigkeit des Abgleichs.

    Wenn nur jeder zehntausendste Treffer falsch ist, hört sich das erstmal ziemlich gut an. Wenn aber ein Abgleich mit 10 Millionen Fotos stattfindet, bedeutet das 1000 falsche Treffer. Das sind 1000 unschuldige Leute denen aus heiterem Himmel eine schwere Straftat vorgeworfen wird und die sich plötzlich massiver polizeilicher Nachforschung gegenübersehen, die ihr Leben auf den Kopf stellt und vielleicht Jobs u.ä. gefährdet. Der Schadensersatz, den man nach dem Durchstehen des Verfahrens erhält, soll nach Berichten einiger Anwälte auch ziemlich begrenzt sein.

    • @Biks:

      Es wird doch niemandem was vorgeworfen.

      Es werden Fotos verglichen.

      Ggf. noch Identitäten, wenn die Fotos überzeugend sind.

      Für Schwerverbrecher kann man sich die Mühe schon mal machen, finden Sie nicht?

      Stellen Sie sich vor, nach den nächsten Nazi-Anschlag auf eine Moschee mit Toten im zweistelligen Bereich gäbe es gute Fotos des Täters von einer Überwachungskamera.

      Wollen Sie den Hinterbliebenen erklären, die Polizei solle mit den Fotos so nicht fahnden, es könnte ja der Falsche beschuldigt werden?

      Glauben Sie, die Hinterbliebenen hätten dafür Verständnis?

  • Schon extrem gruselig. Macht mir wesentlich mehr Angst als Terrorismus.

  • Typische Symptome von Angst und Verzweiflung einer Klasse, die sich überschätzt. Menschliche Schwächen werden so in Regeln gegossen. Wohnungsdurchsuchungen und der Gläserne Bürger - es reicht der Verdacht durch irgendein rechtsradikal motiviertes Gehirn. Die Zeit der Hexenjäger ist wieder da, auch im Land der "über andere" Richter und Henker, die den Pfahl im eigenen Auge nicht sehen wollen.

    Stellvertretend als Beispiel immer wieder lustig die Anzeige der CDU gegen die Hinweisgeberin zur schlechten Cybersecurity bei der CDU. Gewalt hat viele Formen und ist für diese Leute eben eine Lösung. Gewaltlos soll der Bürger sein und frei von Naturgesetzen und Menschenrechten. Fiktionale Systeme wollen Machterhalt.

    • @BierzeltLeitkultur:

      Also ich habe Ihren Kommentar nicht verstanden.

      Es geht nicht um Gewalt, sondern um Daten bze. Fotos.

      Es geht auch nicht um einen Verdacht, sondern um den Abgleich von Bildmaterial.

      Es gibt hier keine Richter und keine Henker.

      Zudem würde eine Fahndung mittels biometrischen Gesichtserkennung Islamofaschisten genauso treffen wie andere Faschisten.

      Wer sollen "diese Leute" sein?

      Faeser und Buschmann tun das, weil sie politisch unter Druck stehen.

      Auf Terroristen hat halt kein Wähler Lust.