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Petition gegen Freie SachsenWählen oder verbieten?

Die rechtsextremen „Freien Sachsen“ hoffen bei der Landtagswahl auf einen Erfolg, wohl vergebens. Eine Petition fordert nun, die Partei zu verbieten.

Anhänger der Partei „Freie Sachsen“ protestieren gegen eine Kundgebung von Bundeskanzler Olaf Scholz und Petra Koepping in Dresden Foto: Matthias Rietschel/reuters

Berlin taz | Es ist das übliche Repertoire, mit dem die „Freien Sachsen“ in den Wahlkampfendspurt ziehen: Mit Plakaten mit Slogans wie „Asylflut stoppen“ überziehen sie Sachsen. Das Solingen-Attentat instrumentalisieren die Rechtsextremen als „Islamisten-Massaker“, fordern eine „millionenfache Remigration“. Wo immer CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer oder Bundespolitiker auftauchen, wird zu Störungen aufgerufen, für Freitag auch gegen einen Besuch von Olaf Scholz, dem „Kriegskanzler“, in Chemnitz. Die Forderung: Es müsse mit den Regierenden an den Wahlurnen „abgerechnet“ werden.

Großen Erfolg dürfte die rechtsextreme Partei bei der sächsischen Landtagswahl damit nicht haben: Umfragen zählen die „Freien Sachsen“ unter „Sonstige“, sehen sie unter der Fünf-Prozent-Hürde. Aber schon bei den Kommunalwahlen im Juni erzielten die Rechtsextremen Achtungserfolge, holten sachsenweit gut 110 Mandate in den Kreistagen und Kommmunalparlamenten. In Luzenau wurde eine Vertreterin der „Freien Sachsen“ gar zur stellvertretenden Bürgermeisterin gewählt.

Für die Landtagswahl setzen die Freien Sachsen nun auf die Forderung nach einem „Säxit“, einem Austritt Sachsens aus Deutschland, oder Provokationen wie in Riesa, als sich der „Freie Sachse“ Peter Schreiber, ein früherer NPD'ler, uneingeladen auf ein Wahlpodium setzte. Vor allem aber setzt die Partei auf eine Kampagne zum Stimmen-Splitting: Da die AfD in den meisten Wahlkreisen die Direktmandate gewinnen werde, spiele deren Zweitstimme doch keine Rolle, behauptet die Partei. Daher solle man die Zweitstimme den „Freien Sachsen“ geben, damit sie im Landtag mit der AfD „eine Mehrheit gegen die Blockparteien“ bilden könne.

AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban verwahrte sich dagegen: Jede Stimme für eine Partei, die keine fünf Prozent erreiche, sei verschenkt. Die AfD führt die „Freien Sachsen“ formal auf einer Unvereinbarkeitsliste – im Kommunalen allerdings stehen Ver­tre­te­r*in­nen beider Parteien gemeinsam auf der Straße, in Eilenburg oder Zittau wurde jeweils ein Vertreter der „Freien Sachsen“ in die AfD-Fraktion aufgenommen.

Verbot als „Schlag gegen organisierten Rechtsextremismus“

Kurz vor der Wahl kommt Gegenwind nun woanders her: Die sächsische Piratenpartei fordert in einer Petition ein Verbot der „Freien Sachsen“ – wie es andere Initiativen auch tun. Die Partei sei ein Sammelbecken von Neonazis, von früheren NPD-lern und völkischen Siedlern, heißt es in der Petition. Die „Freien Sachsen“ bekämpften die Demokratie, bedrohten Ver­tre­te­r*in­nen anderer Parteien, schafften ein „regionales Klima der Angst“. Ein Verbot sei daher „notwendig“ und wäre „ein entscheidender Schlag gegen den organisierten Rechtsextremismus“. Die In­itia­to­r*in­nen befürchten auch, dass die „Freien Sachsen“ je nach Wahlergebnis 200.000 bis 300.000 Euro über die staatliche Wahlkampfkostenerstattung erhalten könnten. Bisher unterschrieben gut 4.400 Personen die Petition.

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) hatte zuletzt auf taz-Nachfrage erklärt, über Verbotsüberlegungen rede er grundsätzlich nicht. Das seien „rechtliche Entscheidungen, keine politischen“.

Der sächsische Verfassungsschutz hatte die Partei aber bereits kurz nach ihrer Gründung 2021 als gesichert rechtsextrem eingestuft. Er sieht sie auch aktuell als „Mobilisierungsmaschine“ der rechtsextremen Szene. Im Landtagswahlkampf seien die „Freien Sachsen“ jedoch weit weniger präsent mit Wahlkampfständen oder Plakaten als bei der jüngsten Kommunalwahl, sagte eine Sprecherin der taz. Ihre Ver­tre­te­r*in­nen fielen hauptsächlich auf, indem sie Auftritte von Landes- und Bundespolitikern „stören und diese öffentlich diffamieren“. Die Politiker würden als „Heuchler“ und „Volksverräter“ verächtlich gemacht, das Vertrauen in die Demokratie werde so „untergraben“. Gleiches treffe auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Auch Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen, das Kommunen im Umgang mit Rechtsextremen berät, betont, dass die „Freien Sachsen“ „zweifellos aggressiv-kämpferisch“ gegen die demokratische Grundordnung vorgingen. „Insofern sollte es in einer wehrhaften Demokratie selbstverständlich sein, dass ein Parteiverbot geprüft wird. Es ist schade, dass es dafür eine Petition braucht und die staatlichen Behörden nicht von sich aus handeln.“

Die Neonazis würden indes auch nach einem Verbot noch aktiv sein, mahnt Nattke. Deshalb sei auch ein „viel konsequenteres Vorgehen“ gegen Straftaten ihrer Mitglieder nötig. Immer wieder grenzten ihre Reden an Volksverhetzung, übler Nachrede oder Beleidigung, komme es zu Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, so Nattke. „Hier könnten die ‚Freien Sachsen‘ bereits ohne ein Verbot zur Verantwortung gezogen werden. Leider passiert das aber viel zu wenig.“

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9 Kommentare

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  • NPD, AfD, Freie Sachsen, III-Weg, etc. pp. sind doch nur verschiedene Labels für die gleiche Denke.

  • Um ehrlich zu sein, gehn mir diese inflationären Petitionsaufrufe nur noch auf den Zeiger. Gefühlt krieg ich jede Woche 3,4 Petitionen zugeschickt, an die sich am Ende des Monats kaum noch jemand erinnern kann. Man hat doch schwarz auf weiß am NPD Verbotsverfahren gesehen, woraufs ankommt. Und spätestens seit der Debatte um ein AfD Verfahren ist allen klar, wir schwierig und langwierig das ist.



    Dass jetzt ein Gericht auf die Idee kommen könnte, das ist bei einer Kleinstpartei, die keine 5% zu erwarten hat und nur in einem Bundesland wählbar ist, auf einmal alles anders, sehe ich nicht. Und für Vergehen einzelner Mitglieder gibts das Strafrecht.



    Für mich entblättert sich die Piratenpartei mit sowas erneut als politisch völlig ratlos und inkompetent. Die wollten auch mal ne ernsthafte politische Alternative sein. Bei der letzten Wahl in Sachsen hatte man ganze 0,3%.

  • Es klingt ein bisschen wie bei der NPD, zu unbedeutend für ein Verbot. Das Problem ist die AfD, die ein wirkliches Problem für den demokratischen Staat darstellt.

  • Es kann einfach nicht wahr sein, dass man für 15 km/h zuviel auf der Landstraße gnadenlos zur Rechenschaft gezogen wird, aber die Gründung und Agitation einer faschistischen Partei einschließlich Volksverhetzung und Aufruf zum Putsch völlig desinteressiert von unserem Staat hingenommen wird! Mir reicht es langsam! Wenn dieser Staat die Fehler von '29 bis '33 genauso 1 zu 1 wiederholt, gehe ich weg. Etwas Besseres als den Tod finden wir überall. Ich werde die Fehler meiner Vorfahren jedenfalls nicht wiederholen, und dem einfach immer weiter zuschauen in der törichten Hoffnung, es werde am Ende schon irgendwie gutgehen.

  • "Die mag ich nicht", reicht nicht zum verbieten. Einzig stellt sich doch die Frage ob mögliche Gerichtsfeste Beweise für ein Verbot vorhanden sind. Und davon lese ich nichts. „Heuchler“ und „Volksverräter“ zeugen von schlechtem Charakter, sind aber nicht von Strafrelevanz.

    • @Rudi Hamm:

      Wenn Sie die Plakate und die Sprüche darauf sehen, die von den Freien Sachsen stammen, kann ich Ihnen sagen, dass das mehr als " die mag ich nicht" ist. Grußlich!. Ich hoffe hier auf ein baldiges Verbotsverfahren.

      • @Bommel:

        Glaube ich ihnen sofort. Nur reicht eben "Grußlich" nicht, es muss strafbar sein. Und das wissen die "Dummen Sachsen" auch und provozieren an Gesetztes Klinge bis zum würgen.

  • Die AfD wird voraussichtlich stärkste Partei im Landtag und die "Freien Sachsen" kommen erst gar nicht in den Landtag, wegen 5%-Klausel.



    Und da startet jemand eine Petition, um die "Freien Sachsen" zu verbieten?



    Was soll das?



    Überhaupt ist fraglich, ob Parteiverbote viel bringen. Bei der letzten Landtagswahl ("Bürgerschaftswahl") in Bremen war die AfD zwar nicht verboten, aber zu blöd, um rechtzeitig formal korrekte Wahlvorschläge einzureichen, und stand daher nicht auf dem Stimmzettel.



    Was bewirkte das? Die AfD-Anhänger gingen trotzdem zu den Urnen, und wählten dann halt statt der AfD eine andere, normalerweise unbedeutende Rechtspartei, die "Bürger in Wut".



    Was ist damit gewonnen?

    • @yohak yohak:

      Die Bürger in Wut bringen nicht die Demokratie ins Wanken. Widerliche, rechte oder populistische Parteien gab es schon oft, NPD, DVU, Republikaner, Schill-Partei und wie sie alle hießen und wird es immer wieder geben. Die Leute kotzen ihre Wut raus, das muss auch in einer Demokratie möglich sein. Solange es nicht dazu führt, dass am Ende die Demokratie selbst beendet oder irreparabel beschädigt wird. Das unterscheidet die AfD von allen anderen bisherigen Rechtsparteien.