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Konflikt um Gasfeld vor BorkumProtest gegen Gasförderung

Der niederländische Energiekonzern One-Dyas will auch in der deutschen Nordsee nach Erdgas bohren. Fridays for Future fordert den Stopp des Projekts.

Ist gegen die Pläne des niederländischen Energiekonzerns One-Dya: Luisa Neubauer, Aktivistin von Fridays for Future Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Hannover taz | Gegen die geplante Gasförderung vor der Nordseeinsel Borkum formiert sich Widerstand. Ak­ti­vis­t*in­nen von Fridays for Future und Greenpeace haben am Freitag in Hannover den sofortigen Stopp des fossilen Projekts gefordert.

Mit Plakaten wie „Bohrkum“ und „Gas zerstört“ demonstrierten die Klimagruppen vor dem niedersächsischen Landtag gegen die Pläne des niederländischen Energiekonzerns One-Dyas, der ab Ende 2024 rund 20 Kilometer vor der Nordseeinsel Borkum neues Erdgas erschließen will.

„Wenn die Bundesregierung und die niedersächsische Landesregierung ein neues Gasfeld vor Borkum genehmigt, wird nicht nur der Klima- und Umweltschutz zerstört“, warnte Luisa Neubauer, Aktivistin von Fridays for Future. „Es würde auch die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Klimaschutznation komplett über Bord gehen.“

Neubauer verweist auf das Bekenntnis zum weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien beim letzten Klimagipfel in Dubai, an dem sie teilgenommen hat. „Wie will man von China oder Saudi-Arabien erwarten, dass sie ihre fossilen Rohstoffe im Boden lassen, wenn wir das in Deutschland und in den Niederlanden, zweien der reichsten Länder der Welt, selbst nicht schaffen?“

Legen eines Seekabels juristisch gestoppt

Das deutsch-niederländische Gasfeld wäre der „Beginn einer neuen fossilen Ausbeutungsära auf dem Gebiet von Deutschland“, kritisiert die Aktivistin.

In den nächsten Tagen soll eine Entscheidung fallen, ob das Niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie das Vorhaben genehmigt. Auch wäre für die Bohrungen noch ein Förderungsvertrag zwischen Deutschland und den Niederlanden nötig.

Vorerst konnten Umweltschützende die Arbeiten aufhalten: Das Verwaltungsgericht Oldenburg gab am Mittwoch einem Eilantrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen den Baubeginn eines Seekabels vor Borkum statt. Dieses ist Voraussetzung für den Betrieb der Plattform und soll diese mit Windstrom versorgen.

Greenpeace-Aktivist*innen hatten den Aufbau der Bohrplattform im Vorfeld mehr als zwei Tage lang mit Kanus blockiert. Ihr Geschäftsführer Martin Kaiser forderte in Hannover, die Förderpläne auf Bundesebene zu stoppen: Das Gas werde nicht mehr gebraucht, da die Gasspeicher bereits im August zu mehr als 90 Prozent gefüllt seien.

Das sieht auch Niedersachsens grüner Umweltminister Christian Meyer so, der die Bohrungen gleichfalls ablehnt – und den Bund in einer Mitteilung Mitte Juli dazu aufforderte, einem neuen deutsch-niederländischen Gas-Förderabkommen eine Absage zu erteilen. Angesichts des Ukraine-Kriegs hatte die niedersächsische Landesregierung ursprünglich aber selbst eine Kehrtwende vollzogen und die Erdgasgewinnung in der Nordsee für die Energiesicherheit ins Spiel gebracht.

Wattenmeer und Inseltourismus in Gefahr

Klimaaktivistin Nele Evers aus Braunschweig fühlt sich von der rot-grünen Landesregierung verraten, die in ihrem Koalitionsvertrag keine neue Öl- und Gasförderung versprochen hat. Sie erklärt, auch der Inseltourismus und der Status des Wattenmeeres als Unesco-Weltnaturerbe seien mit der Gasförderung in Gefahr.

Klimaforscher Helge Gößling unterstützt den Protest. Der Klimaphysiker forscht am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven zu klimabedingten Wetterextremen. Laut eines Berichts des UN-Umweltprogramms bringe bereits die heute existierende fossile Infrastruktur die Erderwärmung in die Nähe von 2 Grad, erzählt er. Das verbleibende CO2-Budget sei also sehr klein. „Gerade bei heimischen Ressourcen muss man sich gut überlegen, ob man sie nicht im Boden lässt.“

Im Anschluss an die Protestaktion reisten die Klimagruppen weiter nach Borkum. Dort ist für Samstagnachmittag eine Demonstration gegen die Gasförderung angemeldet.

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18 Kommentare

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  • Tatsache ist, ohne Erdgas geht es derzeit noch nicht. Also ist es doch besser das Gas aus Quellen zu fördern, die unter ökologischer Kontrolle sind.

  • Wenn das Wattenmeer in Gefahr ist, bin ich auch gegen eine Öl- oder Gasbohrung. Allerdings bin ich für die Nutzung des Schiefergases in Deutschland. Nicht ganz unproblematisch aber besser, als das teure Fracking-Gas aus den USA zu kaufen.



    Aber die Politiker brauchen dann halt Spezialwindeln.

  • @ELEKTROZWERG

    "Übergangstechnologie".

    Ja, in den 1970ern vielleicht. So, wie Sie das benutzen ist's eher aus einem Werbepamphlet der Gaslobby.

  • Aufgrund des Atomausstiegs ist Gas zum Zwecke des Ausstiegs aus der Kohle eine Uebergangstechnologie. Ohne Atom und Kohle braucht Deutschland mehr Gas als vorher westhalb Schroeder und Trittin die Northstreampipelines gebaut haben. Russisches Pipelinegas will man nicht mehr, also bleiben verfluessigtes Frackinggas mit schlechterer Klimabilanz als Kohle, Fracking in Deutschland oder das Erschliessen von neuen Lagerstaetten fuer Pipelinegas. Irgendwomit muessen die noch zu bauenden Gaskraftwerke betrieben werden, sonst wirds duster wenn Wind und Sonne keine Energie liefern.



    @Nachtsonne: Das ist doch nicht neu. Man sortiert die Grundlaststromquellen nach Klimavertraeglichkeit, von Atom, Pipelinegas, Kohle bis Frackinggas und schaltet sie in dieser Reihenfolge ab, bzw ersetzt sie mit der klimaschaedlicheren Variante. Das fuehrt zu einem 6-8 fachen CO2-Ausstoss pro kWh im Vergleich zu Frankreich. Also probiert man das CO2 auf der Verbraucherseite einzuparen, was wie erwartet zu einem Neubaukollaps, hohen Mieten und Deindustrialisierung gefuehrt hat.



    Statt weiterhin den Kopf in den Sand zu stecken waere es an der Zeit die versalzte Suppe auszuloeffeln, nur lockt man damit keinen zur Demo

    • @elektrozwerg:

      Kleine Korrektur:



      "Russisches Pipelinegas will man nicht mehr, .."



      Das gilt für DEUTSCHLAND! In Belgien, Frankreich, Östereich, Ungarn un Slovakei sieht man das völlig anders.



      Erinnert an Wagenknecht...die dümmste Regierung.....

      Der Begriff GEOTHERMIE kommt bei ihnen, wie bei vielen Politiker gar nicht vor. Dabei ist das die Energiequelle der Zukunft, sofern clevere Geschäftemacher sich nicht noch was anderes einfallen lassen.



      Siehe auch www.geothermie.de/aktuelles/nachrichten

      • @Horst Schlichter:

        In meinem Beitrag gings eher um die bisherige Energiewende und den Grund, warum wir Gas laut den Plaenen in Deutschland als Brueckentechnologie noch mehrere Jahrzehnte nutzen werden.

        Meiner Meinung nach braucht es eine klimaschonende Energiequelle fuer die Grundlast. Ohne diese steigen die Kosten fuer Netze und Speicher in Sphaeren, die nicht mehr bazahlbar sind und die Energiewende faehrt gegen die Wand, wie in Deutscland.



        Grundlastfaehige und klimaschonende Energiequellen gibts meines Wissens 3: Wasserkraft, Geothermie und wenn diese nicht in ausreichender Menge vorhanden, die Kernkraft.



        Ich vermute der Bedarf an Grundlast laesst sich in Deutschland nicht nur mit Wasserkraft und Geothermie decken und bei der Kernkraft fahren wir einen Sonderweg, den ausserhalb Deutschland keiner nachvollziehen kann. Aber vielleicht faellt von dem Atomstrom, der um Deutschland mit neuen Kernkraftwerken produziert werden soll, ja was fuer us ab, ansonsten sehe ich schwarz.

    • @elektrozwerg:

      Hallo Elektrozwerg, ihr Kommentar bringt es auf den Punkt. Aber wir beide sind vermutlich auch vom Fach. "Das ist doch nicht neu". Nein natürlich nicht, es ist aus rein physikalisch/technischer Sicht vom Grundsatz her sogar trivial. Nur will das gerade hier im Forum keiner Wissen. Mich mach es mittlerweile wütend, wenn Leute, die nicht über die elementarsten technologischen und ökonomischen Grundkenntnisse verfügen, jeden realistischen Weg zur CO2-Reduktion zerstören. Dabei werden Können und Wissen durch Glauben oder Ideologie ersetzt. Wenn gar nichts mehr geht wirft man mit Worthülsen wie "Propaganda der Gaslobby" um sich. Es ist ein Trauerspiel.

      • @Nachtsonne:

        Kann Ihnen nur zustimmen.



        Auch wenn das Gesicht einer Vielfliegerin für die Aktion gezeigt wird, hinterlässt das ein eigenartiges Gefühl.



        Selbstdarstellung und Ahnungslosigkeit?



        Wir hätten, wie andere Länder auch, weiterhin dieses Gas aus Russland nutzen sollen.

  • @NACHTSONNE

    "Jeder" konsumiert genüsslich die Propaganda der Gaslobby.

    In Ihrem Pamphlet übrigens kein Piep über die Methanlecks.

    Wir müssen beide loswerden, und zwar so schnell wie möglich.

    Investitionen (wie oben) zu tätigen, oder tätigen zu lassen, die Gas erst in 10-30 Jahren liefern ist einfach blanker Wahnsinn.

    • @tomás zerolo:

      "In Ihrem Pamphlet übrigens kein Piep über die Methanlecks."



      Und in Ihrem Pamphlet kein Piep über z.B.Flautenüberbrückung. Oder Alternativen zu Erdgas, etc....



      Übrigens ist das mit den Gaskraftwerken offizielle "Propaganda" des BMWK.

      • @sollndas:

        Methanleck in aufgelassenen Bohrlöchern ist tatsächlich ein immer noch völlig unterschätztes Problem. Lieber erklärt man den Autofahrer als Staatsfeind Nr. 1.



        Kollegen von mir hatten mal die Gelegenheit, eine große Anzahl der Aufzeichnungen zu den Bohrlöchern in den USA einzusehen. DRAMATISCH!

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      „Wir müssen beide loswerden, und zwar so schnell wie möglich."



      Ja. Mein Vorschlag: Mehr Windräder an der Alster und an der Elbchaussee.

  • Etwas Gas ist noch nötig, nicht so sehr noch für Heizung, sondern bis manche Industrie ihre Prozesse neu gedacht hat.

    Ansonsten sollten wir aber so wenig wie möglich noch in Verbrennerautos, Flughäfen, Gasleitungen, ... vergeuden, wenn wir genau wissen, dass Fossil rasch Vergangenheit sein muss, wenn wir nicht riesige Klimaschadenkosten tragen wollen.

  • Was ist FFF denn lieber - Kohle verstromen oder Gas? Jeder weiß, dass wir auf Jahrzehnte hinaus Gas verstromen müssen. Naja, fast jeder. Es gibt zugegeben Menschen, die glauben, wir würden bis 2030 noch enorme Gaserzeugungs- und Speicherkapazitäten errichten. Dann träumt mal schön weiter. Wie soll man das noch bewerten? Als ignorant kann man diese FFF-Positionierung nicht mehr bezeichnen, das ist schon irreführend und letztendlich unverantwortlich vor dem Hintergrund der CO2-Problematik.

    • @Nachtsonne:

      Woher haben Sie denn diese Erkenntnisse?



      Rund 80 Prozent des Gases wird für die Wärmeerzeugung in Haushalten und Industrie eingesetzt, 12 Prozent für Verstromung.

      Quelle Greenpeace Deutschland

      • @Sam Spade:

        Etwa ein Viertel des deutschen Stroms wird aus Kohle erzeugt. Wenn wir den dringend notwendigen Kohleausstieg zur Stromerzeugung wollen, dann müssen wir auf Gas umstellen, da Überschussstromspeicher für Solar und Wind oder Kernkraft nicht zur Verfügung stehen. Alternativ bezieht man den Strom aus dem Ausland. Wenn Sie CO2 bei der Wärmeerzeugung mittels Gas einsparen wollen dürfen Sie frieren, deindustrialisieren oder hier ebenfalls auf Strom umstellen. Bessere Dämmung oder erhöhte Sparsamkeit allein lösen das Problem nicht.Wenn das Ihr Ziel Deinstrualisierung ist, dann OK. Das dann bitte aber dazu sagen.

  • Die Frage, ist, wo kommt unser Gas, denn sonst her, da sollte man auch abwägen ob wir nicht hier unter kontrollierten Umständen und Auflagen fördert, bevor man Gas importiert, dass unter üblen Umständen gefördert oder produziert wird.



    Könnten wir die prognostizierte zu fördernde Gasmenge denn einsparen? Ansonsten sieht das von außen betrachtet eher nach NIMBY aus.

    • @Axel Schäfer:

      Grundsätzlich nachvollziehbarer Ansatz. Wobei in den USA dortige Klimabewusste hinweisen und hier hiesige.



      Dass keiner Putin diesen Krieg bezahlen will, ist dabei sowieso klar.