piwik no script img

Liebeserklärung an den Fiat PandaDer echte Volkswagen

Unsere Autorin ist verliebt in den Fiat Panda. Über ein perfektes Auto aus Wellblech, das erschwinglich ist und dazu noch – wunderschön.

Der Fiat Panda Foto: FIAT

Der Panda ist für alle da. Klappt man seine Rückbank um, kann man einen halben Wald in ihm stapeln, eine Vespa, fünf Heuballen oder Hunderte Melonen transportieren. Man kann zu zweit in ihm übernachten. Auf sein Dach passen Kajaks, Surfboards und Fahrräder. Sein Kofferraum dient als Verkaufsfläche für frischen Fisch, seine Heckklappe als Picknickdecke. Manchmal fehlen Scheibenwischer oder Lenkrad, und doch erfüllt der Fiat Panda stets seinen Zweck: Er fährt.

Der Instagram-Account „pandini nei paesini“ („Pandas in kleinen Dörfern“) veröffentlicht regelmäßig Bilder und Videos des Kult-Fiats aus den Achtzigern. „Gib uns unser täglich Brot“, steht auf Italienisch in der Beschreibung, und: „romanticismo superutilitario“ – super­utilitaristische Romantik.

Ich werde nostalgisch. Jedes Jahr verbringe ich meine Ferien auf dem alten Bauernhof eines Freundes im südlichen Teil von Sizilien. Die Menschen dort brauchen ein zuverlässiges Auto, denn öffentliche Verkehrsmittel gibt es kaum. Ihr Panda bringt sie zum Wochenmarkt in die nächstgelegene Stadt, ans Meer, aufs Feld und ins Krankenhaus.

„Wie kriegen die ihr Auto denn danach wieder sauber?“, „Da kommen doch Kratzer rein!“, „Hilfe, der Kofferraum ist nicht ganz zu!“, höre ich die SUV-fahrenden Nach­ba­r:in­nen aus meiner Jugend vor meinem inneren Ohr kreischen. Wie hoch wäre wohl ihr Puls, müssten sie dabei zusehen, wie sich eine junge Frau bei voller Fahrt aus dem Fenster lehnt und mit einem Scheibenwischer in der Hand versucht, den Regen von der Windschutzscheibe zu entfernen?

„Tolle Kiste“ wird der Kultwagen des Designers Giorgetto Giugiaro genannt. 1980 bis 1985 war die beliebte Ur-Version „Fiat 141“ auf dem Markt, mittlerweile ist sie kaum noch zu finden. Bis heute vor allem auf Italiens Straßen unterwegs ist ihr Nachfolger „Fiat 141 A“, der bis 2004 produziert wurde – A wie aggiornato: modernisiert. Seit 1983 gibt es auch den geländegängigen Panda 4x4 mit Allradantrieb. Die fünftürigen Pandas, die Fiat heutzutage herstellt, haben weder konzeptionell noch stilistisch Ähnlichkeiten zu den kantigen Modellen von damals. Um sie soll es hier nicht gehen.

Der Panda ist billig und sieht auch so aus

So sicher ich mir meiner Liebe zu alten Pandas bin, so unsicher werde ich, wenn ich mich tatsächlich mal auf ein Gebrauchtwagenportal verirre. Will ich jetzt ein Auto oder will ich keins? Immer wieder zähle ich auf, was mir schon längst klar ist: Autos sind teuer, schlecht für die Umwelt und sie nehmen Platz in der Stadt weg. Außerdem fahre ich gerne Fahrrad. Eigentlich brauche ich keins. Wieso sehne ich mich dann nach einem?

„Der Panda ist der letzte echte Volkswagen“, sagt einer, der sich auskennt. Paolo Tumminelli hat Architektur in Mailand studiert, als Automobildesigner bei Alfa Romeo gearbeitet und ist heute Professor für Design an der Technischen Hochschule in Köln. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Automobilität, sein Lieblingsauto: klar, der Panda aus den Achtzigern. Einst ist Tumminelli vom Brenner nach Sizilien gereist und hat Hunderte Ur-Pandas in ihrer natürlichen Umgebung fotografiert. „Von da an war ich besessen von der Idee, das Prinzip Panda zu retten.“

Ein solch wortwörtlicher Volkswagen, so Tumminelli, dient in erster Linie dem Menschen. Er soll für alle erschwinglich sein und alltägliche Dinge transportieren können. Seit der Jahrtausendwende seien Autos mit viel Bling-Bling und wenig Nutzwert hergestellt worden. Der alte Fiat Panda sei das Gegenteil: Er ist billig und sieht auch so aus. Nie habe er mehr versprochen als das, was er ist.

„Billig“ hatte vor 20 Jahren allerdings eine andere Bedeutung als heute. Vor Einführung der Umweltprämie, erzählt Tumminelli, konnte man einen brauchbaren Panda für hundert Euro ergattern. Mittlerweile bewegen sich die Preise für gut erhaltene Originale der ersten Serie im mittleren vierstelligen Bereich. Viel teurer sind die 4x4-Versionen: Was in den 2000er Jahren für 2.000 Euro zu finden war, kostet heute das Zehnfache. Mein Budget reicht da gerade mal für einen „Ersatzteilspender“. Tolle Kiste.

Auch Tumminelli hat lange nach seinem Traumauto gesucht und es schließlich 2008 auf Sardinien gefunden. Gekostet hat das durchgerostete Vorserien-Exemplar von 1980 ein Mittagessen und eine überschaubare Werkstattrechnung. Heute gilt sein Wagen, der noch vor der offiziellen Markteinführung gebaut wurde, als ältester noch fahrender Panda in Deutschland.

Weniger ist mehr, brummt der Panda vor sich hin. Sein Design wird als radikal und innovativ gefeiert. Tumminelli erklärt, wieso: Durch seine variable Innenausstattung und seine große Heckklappe sei er ein „wahres Arbeitstier“. Bis heute nutzten ihn weltweit Handwerker als Werkstatt und Feldarbeiter als Lieferfahrzeug. Sogar auf der Pazifikinsel Bora Bora, so Tumminelli, sei der Panda das „absolute In-Auto“. Weil er so robust und wendig ist, komme er gut in sandigen und hügeligen Landschaften zurecht. Und weil es dort regelmäßig Kokosnüsse regnet, werden vielen Pandas auf Bora Bora ganz einfach Holzdächer aufgesetzt.

Der Panda ist für ein anderes Leben bestimmt

Prägend für die Urversion des Pandas ist auch sein Wellblech, das den Lack vor Kratzern schützt und den Panda in Deutschland liebevoll „Welli“ taufte. Zudem hat das Ursprungsmodell 141 eine Campingausstattung integriert: Seine Sitze sind leicht, kaum gepolstert und können innerhalb von Sekunden ein- und ausgebaut werden.

Ich bräuchte nicht einmal Sonnenliegen, träume ich vor mich hin. Einfach los, mit Welli durch die Zitronenplantagen von Sizilien brettern, immer weiter bis ans Meer. Dort ein Buch lesen, bis es dunkel ist. Mehr brauche ich doch gar nicht, denke ich, das reicht mir doch zum Glück.

Anderen leider auch. Eine Antwort auf die steigenden Preise der alten Pandas ist einfach: Kult kostet. Eine andere führt in die Schickeria von St. Moritz, dem luxuriösen Alpinort in der Schweiz. Der ehemalige Fiat-Präsident Gianni Agnelli war dort gern gesehener Gast und trotzte dem Winterwetter im Allradantrieb-Panda. Im Jahr 2019 wurde ein Panda aus seinem Besitz posthum für 37.000 Euro auktioniert. Auch der kostspielige Elektro-Panda 4x4, den der Agnelli-Enkel Lapo Elkann seit 2018 bauen lässt, feiert dort großen Erfolg.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Reiche Schnösel kapern ein Auto, das für Arbeiter gemacht wurde? Und die können es sich jetzt nicht mehr leisten? Das ist nur die halbe Wahrheit, erklärt Paolo Tumminelli. Einerseits folge der Panda der allgemeinen Entwicklung der Autoindustrie. Eine Auswertung des ADAC hat ergeben, dass die Preise von Neuwagen in Deutschland je nach Fahrzeugklasse seit 2017 um bis zu 55 Prozent gestiegen sind. Andererseits, sagt Tumminelli, sei bis heute die eindeutige Mehrheit der 4,4 Millionen hergestellten Pandas in den Händen der Menschen, „die die Autos so fahren und nutzen, wie sie gefahren und genutzt werden sollten“.

Ich gehöre nicht zu diesen Menschen, jedenfalls nicht, so lange ich in Berlin wohne. Der Panda ist für ein anderes Leben bestimmt, entscheide ich – und gebe meine Suche auf. Doch ich weiß, irgendwann werden sich unsere Wege kreuzen. Vielleicht ja an der Gabelung, an der ein kleines blaues Schild darauf hinweist, dass das Meer nicht mehr weit ist.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Naja, technisch war das Teil schon bei Erscheinen eher furchtbar und über die Sicherheit ist ganz zu schweigen.



    Wenn man nicht selbst Schrauben kann, macht einen selbst ein geschenkter Panda arm

  • Die Ente ist unschlagbar gewesen 😊

    • @Syltfreund:

      Yep, Ente und auch der R4 waren schon verdammt cool!



      Unschlagbar ist und bleibt aber der VW Käfer, DER Volkswagen überhaupt. Weltweit das meistverkaufte Auto - der Name ist Programm. In Mexico-City prägt er noch heute das Straßenbild, insbesondere als Taxi.



      Und wie sich das für einen sog. Boomer gehört, war auch meine erste Karre ein VW - Käfer! :-)

  • Es ist sehr schön, in dieser sonst so automobilfeindlichen Zeitung, eine solche Würdigung an den Fiat Panda zu lesen. Der Panda war und ist, wenn man dem Artikel Glauben schenkt, ein echter Alleskönner.



    Kennenlernen konnte ich ihn mit meiner ersten Freundin, nach einer Weile lernte auch ich diesen Wagen sehr schätzen. An der Uni kaufte ich einer Kommilitonin ihren Panda ab, und musste ihn leider kurz vor der Marke von 200K verabschieden, da die Karosserie zu viele Mängel ausgewiesen hat.

    Fehlerfrei war der kleine Bär durchaus nicht. So mussten wir oft genug bei Regenwetter die Verteilerkappe trockenwischen, weil diese offensichtlich für trockenere Gefilde konzipiert war. Aber immerhin kam man beim kleinen Bären im Motorraum an jede Ecke, im Gegensatz zu heutigen Motoren, wo Selbsthilfe weder gewollt noch möglich ist.

    Anekdoten und Geschichten gibt es jede Menge, doch diese lassen sich besser erzählen als schreiben.

    Ein herzlicher Dank für diese Liebeserklärung vom "Pandamann", wie ich in unserer Fanszene zeitweise genannt wurde, weil ich auch etwa zu etlichen Auswärtsspiele mit dem Kleinen Bären gefahren bin. Eine schöne Zeit mit einem schönen Auto!

    • @Desmei:

      Meine Güte, "automobilfeindliche Zeitung", ernsthaft? Erlebe die Berichterstattung egtl. als sehr sachlich, und auch auf dieser Ebene schneiden die Blechkisten halt überwiegend nicht gut ab. Vielleicht sollte man seine eigene Emotionalität zu Autos mal hinterfragen wenn man schon normale kritische Artikel als "feindselig" empfindet

  • Freiheit ist, _kein Auto zu "brauchen", bei allen Sonderfällen, bei allem Verständnis.



    Und kein Auto (oder Flug) ist auch nur annähernd nachhaltig.



    Gleichwohl ist ein Panda, Lupo, ... schon ein kleineres Übel: platz- und energiesparend in Produktion und Fahrt.

  • Weniger ist mehr. Stimmt absolut. Weniger Einspritzanlage, weniger Katalysator, weniger Abgasrückführung bedeutet deutlich mehr Abgase. Über Sicherheit sprechen wir besser erst gar nhcht. Die Zeiten solcher Autos sind zum Glück vorbei.

    • @Nachtsonne:

      Und weniger Gewicht bedeutet weniger Spritverbrauch.

    • @Nachtsonne:

      Wie recht Sie haben,ghottseidank hat ja heute fast jeder einen umweltfreundliche 300 PS Monstertruck zuhause.

  • Die Kiste war meine beste Kutsche nach T1 und R4.

  • Wieso nannte man den ersten Panda denn Wellblechpanda? Ich sehe da nur glatte Bleche und kann mich, im Gegensatz zum alten Citroen Transporter (Typ H) auch an keinen Panda mit Wellblechen erinnern. Ich kann mich an die damalige Werbung noch erinnern, da hieß es "die tolle Kiste". Ein Studienkollege fuhr einen, die Kiste kam einen innen doppelt so groß vor wie von aussen. Allerdings waren die Sitze auch so dünn, dass einem nach einer Stunde der Rücken weh tat, und das damals als gesunder, austrainierter Mitzwanziger. Ich glaube, heute könnte ich nach 10 Minuten nicht mehr ohne Hilfe aussteigen.

  • Cw-Wert des Panda soll 0,38 gewesen seinwww.stylepark.com/...-drops-und-zurueck ). Teslas liegen bei 0,23 bis 0,25. Bei langsamer Fahrt allerdings nicht so wesentlich. Der Golf 1 war noch schlechter (0,42).

    • @meerwind7:

      Es kommt nicht auf den cw- Wert an, sondern auf das Produkt aus cw-Wert und Querschnittsfläche. Und auf das Quadrat der Geschwindigkeit.

  • Unter den Low-Tech-Karren war der Panda - im Vergleich zum R4 oder einer Ente - ja noch komfortabel und einigermassen sicher, aber ein Fan von dem Schuhkarton war ich nie. Etliche Bekannte von mir fuhren den in den frühen 80ern. Da habe ich mich in meinem Uralt-Volvo (Bj. 1958) zu dieser Zeit deutlich besser aufgehoben gefühlt. Die Werbekampagne für den Panda war auf jeden Fall großartig.