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Hohe Temperaturen werden NormalzustandUNO sieht „Epidemie extremer Hitze“

Die Hitzewelle ist Vergangenheit, sagen die Vereinten Nationen. Künftig würden Extremtemperaturen im Sommer einfach bleiben.

„Epidemie der Hitze“ – die UN sind durch weltweit anhaltende Rekordtemperaturen alarmiert Foto: AP/Aaron Ufumeli

New York/Rabat afp | Die Menschheit leidet der UNO zufolge unter einer von ihr selbst verursachten „Epidemie extremer Hitze“. „Eine Sache, die unsere gespaltene Welt vereint, ist die Tatsache, dass uns allen immer heißer wird“, erklärte UN-Generalsekretär António Guterres am Donnerstag in New York. Milliarden Menschen seien „mit einer Epidemie extremer Hitze konfrontiert und schmoren in immer tödlicheren Hitzewellen mit Temperaturen von über 50 Grad Celsius“, fügte er hinzu.

Dies sei „die halbe Strecke zum Siedepunkt“, sagte der UN-Generalsekretär und forderte Maßnahmen, um die Auswirkungen der infolge des Klimawandels zunehmenden Hitzewellen zu begrenzen. Die Welt müsse sich „der Herausforderung der steigenden Temperaturen stellen“, sagte Guterres und rief insbesondere die G20-Staaten zum Handeln auf. Der UN-Generalsekretär erinnerte auch an den Tod von mehr als 1000 Pilgern während des Hadsch in Saudi-Arabien im Juni.

Laut dem EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus waren der 21., 22. und 23. Juli 2024 die drei heißesten jemals weltweit aufgezeichneten Tage, wobei der 22. mit einer Durchschnittstemperatur von 17,16 Grad Celsius den absoluten Rekord hält.

2023 war das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. 2024 könnte – mit immer häufiger auftretenden Temperaturen von weit über 40 Grad Celsius – erneut ein Rekordjahr werden.

„Der Wahnsinn, unsere einzige Heimat zu verbrennen“

„Heute konzentrieren wir uns auf die Auswirkungen der extremen Hitze“, sagte Guterres am Donnerstag. „Aber wir sollten nicht vergessen, dass es noch viele andere verheerende Symptome der Klimakrise gibt: immer heftigere Wirbelstürme. Überschwemmungen. Dürreperioden. Waldbrände. Steigender Meeresspiegel. Und die Liste geht noch weiter“, sagte er.

Um all diese „Symptome“ zu bekämpfen, müsse „die Krankheit“ bekämpft werden, sagte Guterres. Die Krankheit sei „der Wahnsinn, unsere einzige Heimat zu verbrennen“, die Sucht nach fossilen Brennstoffen sowie Untätigkeit beim Klimaschutz.

Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) steigt auch die Zahl der übermäßiger Hitze ausgesetzten Arbeitnehmer weltweit an. In Europa und Zentralasien habe sie in den vergangenen 20 Jahren am stärksten zugenommen, hieß es in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht.

Insgesamt waren im Jahr 2020 mehr als 70 Prozent aller Arbeitnehmer übermäßiger Hitze ausgesetzt und damit deutlich mehr als im Jahr 2000. Dieser Anteil ist in Europa und Zentralasien mit 29 Prozent im Vergleich zu Afrika (92,9 Prozent), den arabischen Staaten (83,6 Prozent), dem Asien-Pazifik-Raum (74,7 Prozent) und Nord- und Südamerika (70 Prozent) zwar immer noch niedrig.

Allerdings hat sich das Klima in Europa seit den 1980er Jahren doppelt so schnell erwärmt wie der globale Durchschnitt, wie die UNO und Copernicus im vergangenen Jahr mitgeteilt hatten.

Dem Bericht zufolge sind Menschen in Regionen, die nicht an extreme Hitze gewöhnt waren, mit Bedrohungen konfrontiert, auf die sie möglicherweise nicht vorbereitet sind.

Hitzetote in Marokko

Durch eine erneute Hitzewelle im nordafrikanischen Marokko sind binnen 24 Stunden mehr als 20 Menschen ums Leben gekommen. In Beni Mellal im Zentrum des Maghrebstaates seien in den vergangenen 24 Stunden 21 Hitzetote gezählt worden, teilte das marokkanische Gesundheitsministerium am Donnerstag mit.

Bei den Todesopfern handelte es sich laut der örtlichen Gesundheitsbehörde um chronisch Kranke und alte Menschen. Die Hitze habe „zur Verschlechterung ihres Gesundheitszustands beigetragen und zu ihrem Tod geführt“. Das marokkanische Gesundheitsministerium versicherte, dass wegen der extremen Hitze die medizinische Versorgung ausgeweitet werde.

Laut marokkanischer Wetterbehörde DGM waren von Montag bis Mittwoch einige Orte des Landes von einer Hitzewelle heimgesucht worden. Die Temperaturen stiegen demnach bis auf 48 Grad, insbesondere in Beni Mellal. Am Donnerstag herrschten in der Stadt, die gut 200 Kilometer südöstlich von Casablanca liegt, noch 43 Grad.

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8 Kommentare

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  • Ich kann mich @Sam Slade nur anschließen. Mich erinnert der Umgang der Menschheit mit der Klimakatastrophe ein wenig an die Geschichte mit dem Frosch und dem Kochtopf:

    "Was passiert, wenn man einen Frosch in einen Topf mit kochendem Wasser schmeisst? Er springt raus und zwar wie von der Tarantel gestochen. Angenommen, man stellt einen Topf mit handwarmem Wasser auf den Herd, setzt den Frosch hinein und dreht die die Temperatur der Kochplatte hoch. Was passiert jetzt? Der Frosch passt als wechselwarme Kreatur seine eigene Körpertemperatur dem immer heisser werdenden Wasser an. Und plötzlich ist es zu spät. Er wartet zu lange und endet gekocht. Und die Moral von der Geschicht‘: Verpass den Moment des Handelns nicht!"

    Offenbar sind die Menschen trotz all ihres Wissens und ihrer angeblichen Vernunft auch nicht klüger als Frösche...

  • Der gefühlt tausendste Appell an die Vernunft des Menschen. Sorry Herr Guterres, über die Vernunft ist dem Klimawandel nicht beizukommen. Das gilt für große und kleine Maßstäbe, für Politik, Wirtschaft und die breite Masse der Bevölkerung.

    Da brauche ich noch nicht einmal unbedingt Zahlen um zu Wissen, dass die Menschen immer noch nicht "verstanden" haben worum es geht.

    Ein Streifzug durch meine Millionenstadt genügt. Müll und Zigarettenkippen auf den Straßen, dichter Autoverkehr und im Supermarkt Verpackungswahnsinn as usual.

    Die lokalen Überschwemmungen und Hitzeperioden scheinen noch nicht auszureichen das die Dringlichkeit zum Gegensteuern ins Bewusstsein der Menschen vordringt.

    Das Thema ist einfach noch zu abstrakt. Einige schockierende Bilder von Waldbränden oder Überschwemmungen und Zahlenbeispiele haben keine abschreckende Wirkung sondern lediglich mit der Zeit einen Abnutzungseffekt.

    Gleiches gilt für die Berichterstattung über das Klima, meint man alles schon zu kennen und nimmt es halt zur Kenntnis. Bewegen tut es aber nur die wenigsten.

    Und deshalb befürchte ich, dass der "Wahnsinn unsere einzige Heimat zu verbrennen" noch eine ganze Weile andauern wird.

    • @Sam Spade:

      …und vermutlich nicht mehr zu stoppen sein wird.

  • Brandstifter zur Umkehr zwingen.



    Durch angemessene Bepreisung umweltschädlichen Handelns.



    Durch Regeln, Verbote, Anreize.



    Nur Deppen drehen sich die Heizung auf 40+ °C.

  • Bevor die Klimaaktivisten hier das übliche schreiben: Es ist ein globales Problem, das auch nur global bekämpft werden kann, d.h. alle Nationen müssen gleichermaßen Anstrengungen unternehmen. An Deutschlands Wesen allein kann hier nicht die Welt genesen.

    • @Krumbeere:

      Richtig, "Krumbeere" (aus der Palz?!), Deutschland allein ist total machtlos bei Aktionen gegen den Klimawandel. Solange die Entwicklungsländer und China ihre Emissionen weiter steigern und nicht bremsen, verausgaben wir uns ohne jede Wirkung aufs Klima. Wir sollten uns deshalb, was laut IPCC inzwischen die gleiche Prio hat, ans wandelnde Klima anpassen um uns und unsere Nachfahren zu schützen, denn mit CO2-reduzieren funktioniert es mangels Engagment der Weltgemeinschaft (die offensichtlich gar keine ist!) überhaupt nicht.



      Wenn man zudem sieht, dass zwar der Ausbau der EE extrem groß ist, aber die durch fossile Brennstoffe erzeugt Energie trotzdem viel stärker als die EE-Energie zunimmt, wird es Zeit nach dem richtigen Weg zu suchen.

    • @Krumbeere:

      Bevor andere noch mal so etwas schreiben: Wir dürfen gerne mit Energie anpacken. Als gutes Vorbild lässt sich deutlich besser andere mitreißen, als Hauptland des Hauptwirtschaftsblocks der Welt.



      Momentan und die letzten 200 Jahre sind wir weitgehend noch _kein gutes Vorbild.



      Der gute alte Kant: Wenn Dein Handeln nicht verallgemeinerbar ist, dann ändere es, wenn Du ethisch handeln willst.

    • @Krumbeere:

      Das typische Argument derjenigen, die nichts ändern wollen. Hätte dieses Argument Gültigkeit, so gäbe es heute noch Kinderarbeit , Skalverei usw. usf.

      Irgendeine*r muss halt mal anfangen.