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Zuversicht im HaushaltsstreitSPD und DIW wiegeln ab

Der Finanzminister und Kanzler sind beim Etat erneut uneins. DIW-Chef Marcel Fratzscher spricht von einem „übertrieben und unnötigen“ Streit.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher sieht nichts Ungewöhnliches an der Finanzierung staatlicher Unternehmen durch Darlehen Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin taz | Während sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Linder (FDP) über die Ferne ein Machtspiel zu dem Haushaltsentwurf liefern, versucht sich die SPD-Bundestagsfraktion in Optimismus: „Wir gehen weiterhin davon aus, fristgerecht einen verfassungskonformen Haushaltsentwurf vorgelegt zu bekommen“, erklärte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dennis Rohde, am Donnerstag gegenüber der taz.

In etwa zwei Wochen will die Bundesregierung den Entwurf für den Finanzplan 2025 dem Parlament zukommen lassen – doch nach der mühsamen Einigung war erneut Streit ausgebrochen.

„Ich gehe davon aus, dass die verbleibende Lücke im Etat in gemeinsamer regierungsseitiger Kraftanstrengung geschlossen werden kann“, erklärte Rohde. Damit schlug er rhetorisch eine Brücke in Richtung des Finanzministers, der vom Bundeskanzler einen ungewöhnlich deutlichen Seitenhieb kassiert hatte. „Es bleibt ein Mysterium, wie das eigentlich klare Votum des juristischen Gutachtens vorübergehend grundfalsch aufgefasst werden konnte“, hatte Scholz gegenüber Zeit Online gesagt und damit auf Lindner angespielt. Der hatte zuvor in Bezug auf ein Gutachten erwähnt, dass er noch einmal neu über den Haushalt verhandeln wolle.

Streitgrund ist eine Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro für den kommenden Haushalt. Die Bundesregierung hat deshalb nach Optionen gesucht, wie mehr Geld beschafft werden könnte und diese gutachterlich prüfen lassen.

Kritik vom DIW-Präsidenten

Lindner und Scholz bewerteten die Prüfungsergebnisse unterschiedlich: Der Finanzminister sieht die angedachte Umwandlung von Zuschüssen an Bahn und Autobahn-Gesellschaft in Darlehen als kritisch. Scholz vertrat die Haltung: „Das geht“, um anschließend die Äußerungen des Finanzministers als „mysteriös“ und „vorübergehendes“ Missverständnis zu bezeichnen.

Linder erntete Kritik dafür, das Gutachterergebnis öffentlich ausgebreitet und damit neue Uneinigkeit bei den Haushaltsverhandlungen demonstriert zu haben. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), bezeichnete den neuen Haushaltsstreit als „übertrieben und unnötig“. „Die Finanzierung staatlicher Unternehmen durch Darlehen, so wie für die Deutsche Bahn und die Autobahn GmbH geplant, ist nicht ungewöhnlich“, erklärte er. Für ihn hätte die Bundesregierung die offenen Punkte intern klären können und müssen, „statt nun erneut ein Bild der Zerstrittenheit abzugeben“.

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21 Kommentare

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  • Was soll das ganze Geschreie? 1% des Haushaltes mus gespart werden und wer das nicht schaft hat seinen gutbezahlten Job in Berlin nicht verdient!

  • Dieser Streit wäre überhaupt nicht möglich, wenn die Bahn und der Bundesfernstraßenbau nicht für private Investoren geöffnet worden wäre. Dass ein neoliberaler Ideologe nun dafür kämpft, dass die privaten Investoren Zuschüsse erhalten sollen und keine rückzahlbare Darlehen, die zulasten der Gewinne gehen würden, ist doch nur verständlich.



    Ohne Privatisierung würden wir für die Bahn und den Fernstraßenbau Steuern bezahlen. Dank der neoliberalen Ideologie zahlen wir zusätzlich Steuern für die privaten Gewinne. Oder wir müssen mit Angebots- und Leistungseinschränkungen leben, wie z.B. bei der Post, im Gesundheitswesen...



    Die Ideologie des Privat vor Staat ist demokratiegefährdend.

    • @Drabiniok Dieter:

      "Dieser Streit wäre überhaupt nicht möglich, wenn die Bahn und der Bundesfernstraßenbau nicht für private Investoren geöffnet worden wäre."

      Es geht bei dem Streit um die Frage der Finanzierung von Ausgaben unter Berücksichtigung der Schuldenbremse durch Darlehen statt Eigenkapital.

      Ohne Privatisierung wären diese Zahlungen allesamt als Zahlungen unter der Schuldenbremse zu berücksichtigen (und damit unmöglich). Das hat nichts mit "neoliberaler Ideologie" zu tun.

      "Ohne Privatisierung würden wir für die Bahn und den Fernstraßenbau Steuern bezahlen." Ist das so? Als Staatsbahnen im Besitz des Bundes hat die Eisenbahn keine Steuern gezahlt.

      • @DiMa:

        Sie zitieren den ersten Satz, haben den Kern der Aussage aber offenbar nicht verstanden. Sie verweisen auf die Schuldenbremse, die den politischen (haushälterischen) Druck für weitere Privatisierungen erhöht und genau das bewirken soll. Das ist neoliberale Ideologie! Und der hängt nicht nur die FDP an.



        Die Bundesbahn und die Fernstraßen waren mal unser (Staats-) Eigentum, für die viele Generationen ihre Steuern gezahlt haben.



        Der Bundesrechnungshof hat mehrfach darauf hingewiesen, dass Privatisierungen staatlichen Eigentums Verlustgeschäfte für den Staatshaushalt sind. Das interessiert aber die Privat vor Staat Fundamentalisten überhaupt nicht.

  • Die FDP beweist - mal wieder - ihre Unfähigkeit, zu regieren. Man kann nicht Teil einer Regierung sein, und agieren wie eine Oppositionspartei. Aber die Sache zieht sich ja wie ein roter Faden durch die Regierungszeit der Ampel. Jegliche formale Verhaltensweise einer Regierungspartei wird von der FDP konterkariert. Das Einzige, was hilft, sind Neuwahlen. ASAP.

    • @Kaboom:

      Der Vorwurf, der der FDP gemacht wird, ist dass offen und transparent mit Ergebnissen staatlich in Aufrtag gegebener Gutachten umgegangen wird.

      Diese Transparenz wird doch heutzutrage überall geforert und wird jetzt kritisiert?

      Was passiert den, wenn genau dieser Teil des Huashaltes einer späteren Überprüfung durch das BVerfG nicht stand halten sollte und dann heraus kommt, dass dem Bundesfinanzminister diese Gutachten vorlagen?

      Ist ja schön und gut, wenn der Bundeskanzler sich darüber hinwegsetzen möchte, der Finanzminsiter hält sich den Rücken frei.

      Das kann man wohl kaum als Unfähigkeit betiteln.

      • @DiMa:

        "Der Vorwurf, der der FDP gemacht wird, ist dass offen und transparent mit Ergebnissen staatlich in Aufrtag gegebener Gutachten umgegangen wird."

        Jo, so ähnlich wie das "Durchstechen" des Referentenentwurfes (!!!) des GEG an Springer, die in der Öffentlichekit gemachten Autismus-Vorwürfe von Strack-Zimmerman gegenüber Scholz, der in der Öffentlichkeit gemachte Vergleich von Habeck mit Putin durch Kubicky, die diversen öffentlich gemachten Brüche des Koalitionsvertrages (Rente, Kindergrundsicherung, Glyphosat, etc. pp.). Alles im Namen der Transparenz. LOL, passt schon.

  • "Für ihn hätte die Bundesregierung die offenen Punkte intern klären können und müssen, „statt nun erneut ein Bild der Zerstrittenheit abzugeben“."



    es wäre wünschenswert wenn hier Roß und Reiter genannt werden würden. Es ist Lindner der damit in die Öffentlichkeit ging, nicht die Bundesregierung.



    Lindner will Öffentlichkeit, dann muß er sie auch bekommen.

    • @nutzer:

      Christian "Trickser" Lindner sollte mit seinen Leuten die Ampel verlassen. Er schadet uns nur!

      • @Horst Schlichter:

        Den "Trick" mit den kritischen Darlehen hat der Vorgänger und jetztige Bundeskanzler ins Spiel gebracht.

  • …„statt nun erneut ein Bild der Zerstrittenheit abzugeben“

    Ja, wenn man das in der FDP jemals gewollt hätte, wären da oftmals andere Wege denkbar gewesen.



    Die Partei befindet sich jedoch mitten in der Regierung in Fundamental-Opposition und will offenbar jedem beweisen, das das Modell der deutschen Parteiendemokratie, so wie vom Grundgesetz vorgeschrieben, gescheitert ist.



    An monströsen Machtspielchen einer kleinen Minorität.

  • Ich möchte daran erinnern das Herr Lindner sein Generationenkapital ("Aktienrente light") auch über finanzielle Transaktionen deckt die nicht unter die Schuldenbremse fallen



    Warum jetzt der selbe Mechanismus nicht für Bahn AG und Autobahn GmbH möglich wäre, bleibt wohl sein Geheimnis

    • @EddyBot:

      Der Hintergrund wird bei der Tagesschau ganz gut dargestellt (www.tagesschau.de/...oalition-110.html). Kurz gefasst, es ist bereits jetzt absehbar, dass Darlehen an die Bahn AG und die Autobahn GmbH niemals an den Bund zurück geführt werden. Die Taschenspielertricks des Kanzlers funktionieren also nicht.

  • Danke "Andere Meinung". Dass Herr Fratzscher ein Scholz-Fanboy ist, ist doch allgemein bekannt.

    Insgesamt ist mir nicht klar, was der Autor uns eigentlich vermitteln will. Dass es unterschiedliche Bewertungen gibt, ob "gerade noch durchgescholzt" verfassungskonform ist oder nicht, ist doch klar. Und dass der Finanzminister nicht nochmal vom Verfassungsgericht erklärt bekommen will, dass sein Haushalt verfassungswidrig war, sollte doch auch für jeden verständlich sein. Wollen wir nochmal mehrere Wochen Stillstand? Schon vergessen?

    Ich möchte eine Regierung, deren Ziel 100% verfassungskonforme Arbeit ist. Wer soll sich denn noch an die Verfassung gebunden sehen, wenn genau das der Regierung gänzlich egal ist.

    Wie sollte ein Verfassungsfeind klassifiziert werden, wenn nicht dadurch, dass er die Verfassung bewusst umgeht und nicht als bindend ansieht?

  • Ein Einsparptenzial im Haushaltssttreit wäre der Zuschuss zum DIW.

    Die Frage des Umganges mit den Ergebnissen der eingeholten Gutachten ist eine rein politische Entscheidung. Wie kommt Herr Fratzscher dazu, diese zu bewerten?

  • Ich kann das nicht verstehen.



    Warum kann man hier nicht einfach mal offen und ehrlich kommunizieren?



    Es ist vollkommen unverständlich warum man in diesem Artikel verschwieg, dass Marcel Fratzscher SPD Mitglied ist und sich in allen Talk-Shows ganz offen hinter SPD Positionen stellt.



    Hier nimmt er Stellung in einem Streit zwischen SPD und FDP.



    In dem Bericht wird es so dargestellt, als wäre er ein unabhängiger Experte!

    • @Andere Meinung:

      Beleg für die SPD-Mitgliedschaft? Fehlanzeige. Aber auch ein DIW-Chef darf eine Meinung haben.

      • @Frank Roger:

        Die auffällige Nähe von Herrn Fratzscher zur SPD wird seit Jahren thematisiert (siehe auch Wiki-Eintrag).

        Ein Institut, dass sich im Wesentlichen aus Steuergeldern finanziert sollte sich in politischen Fragen möglichst neutral verhalten. Die öffentliche Positionierung zum Umgang der Ergebnisse der Studien hätte daher unterlassen sollen.

        Wenn ihm seine private Meinung so wichtig sein sollte, dann sollte er seinen Platz an der Spitze des DIW räumen.

        • @DiMa:

          Also doch kein SPD-Mitglied, danke für die Richtigstellung!

          • @Frank Roger:

            Wie kommen Sie darauf? Ich persönlich weiß es für meinen Teil nicht. Ist ja auch nicht meldepflichtig. Im Ergebnis kommt es nicht darauf an, da es um die Rolle als Präsident des DIW geht.

    • @Andere Meinung:

      Danke für Ihre Info.



      Das wusste uch nicht. Dies lässt jetzt vieles in einem anderen Licht erscheinen.



      Mich wundert es auch, dies in der Taz nicht zu lesen.



      Dies ist eine wichtige Lücke im Bericht.