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Programm der Starmer-RegierungSecuronomics statt Kindergeld

Nach 16 Jahren Tories könnte die Starmer-Regierung ein Befreiungsschlag sein. Bei der Kinderarmut setzt sie aber schon jetzt die falschen Prioritäten.

London, 5. Juli: der frisch gewählte Premierminister Keir Starmer Foto: David Cliff/ap

E igentlich sollte im Königreich mit der Keir-Starmer-Regierung eine Partei an der Macht sein, die sich für soziale Anliegen, Gerechtigkeit und die Rechte von Ar­bei­te­r:in­nen einsetzt. Doch die neuen Slogans aus der Partei lauten „Securonomics“ und Wachstum. Unter Jeremy Corbyn vor fünf Jahren klang das noch anders: „For the many, not the few.“

Immerhin will sich die Partei des Menschenrechtsanwalts Starmer nicht nur hinter das europäische Menschenrecht stellen, sondern ist auch an der Aufarbeitung von Unrecht und an entsprechender Entschädigung interessiert: etwa der Opfer des „Blut­skandals“, der Angestellten im „Post-Office-Skandal“, der Geschädigten des „Windrush-Skandals“, als Überlebende der britischen Kolonialherrschaft aus der Karibik in Großbritannien kriminalisiert wurden, sowie der Opfer und Überlebenden des Infernos vom Grenfell Tower.

Auch sind viele von Gewerkschaften geforderte Schutzmaßnahmen für Ar­beit­neh­me­r:in­nen groß im Programm: das Ende der Nullstundenverträge und der Hire-and-Fire-Praxis sowie ein Verbot von Lohnunterschieden zwischen Menschen mit unterschiedlichen Identitätsmerkmalen. Das Pflegepersonal soll künftig „faire Gehälter“ erhalten.

Im Sinne progressiver Politik ist auch das Vorhaben, häusliche Gewalt bis Regierungsende zu halbieren, Änderungen im Baurecht, die 1,5 Millionen Wohnungen liefern sollen, sowie ein verstärkter Mieterschutz für Millionen von Menschen, die auch auf eine bessere, bald verstaatlichte Bahn hoffen können. Die mentale Gesundheitsversorgung soll aufgewertet werden und Frühstücksprogramme in allen Schulen sollen weitere Barrieren abbauen und gegen Kinderarmut helfen.

Austerität statt Armutsbekämpfung

Doch gerade die Politik zur Kinderarmut ist es, die der neuen Labour-Regierung schon jetzt zum Verhängnis geworden ist. Viele Hilfsorganisationen und Ver­tre­te­r:in­nen nahezu aller Parteien fordern die Abschaffung der von den Tories eingeführten Begrenzung des Kindergelds auf nur zwei Kinder. Würde diese abgeschafft werden, könnten Exper­t:in­nen zufolge fast eine halbe Million Kinder aus der Armut gehoben werden.

Doch die Labour-Führung Starmers glaubt, sie könne die Kosten dafür, umgerechnet drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr, derzeit aufgrund der Staatsverschuldung nicht verantworten.

Bei der Wahl zwischen sich selbst aufgezwungenen Wirtschaftsregeln und eindeutigen Maßnahmen gegen Kinderarmut hätte gewissenhafte Politik keine Probleme, die richtige Entscheidung zu treffen, glaubt der renommierte britische Journalist Andrew Marr im New Statesman und stellt deshalb die berechtigte Frage: Woran glaubt Labour überhaupt noch?

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Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
Auslandskorrespondent Großbritannien
Seit 2012 für die taz im ständigen Einsatz. In München geboren und aufgewachsen, machte er sein Abitur in Israel. Seit 1991 lebt er im Herzen Londons, wo er zunächst drei Hochschulabschlüsse absolvierte, unter anderem an der SOAS, wo er Politik und Geschichte studierte. Nach einer Rundfunkausbildung war er zunächst für DW im Einsatz. Neben dem Journalistischen war er unter anderem als qualifizierter Pilateslehrer, Universitätsassistent und für das britische Büro des jüdisch-palästinensischen Friedensdorfes Wahat al-Salam ~ Neve Shalom tätig. Für die taz bereist er nicht nur die abgelegensten Ecken Großbritanniens, sondern auch die Karibik und die Kanalinseln. Sein Buch über die Schoa "Soll sein Schulem. Verluste, Hass, Mord, Fragen der Identität aus autobiografischer Sicht," soll Ende 2024 oder Anfang 2025 erscheinen.
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7 Kommentare

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  • Es ist eine Frage der Gerechtigkeit: Wenn es - vermute ich - Steuerabzüge der Reichen auch für Kind 3 und 4 gibt, dann auch Kindergeld. Kinder, die sich auch Schulbücher und einen Apfel leisten können, zahlen sich übrigens auch ökonomisch aus, liebe Wirtschaftsfixierte.



    Dann muss man entsprechend die Steuerabzüge reduzieren, um das gegenzufinanzieren.

  • Interessantes Vorhaben, aber wie reduziert man die „Häusliche Gewalt“ mal eben im 50%?



    Das politische Konzept würde mich interessieren und wie man die Daten erhebt.



    Kaum jemand wird doch zugeben, häusliche Gewalt auszuüben.

    • @Dirk Osygus:

      Es wäre möglich häusliche Gewalt um 50% + zu reduzieren.

      Hier der Schlachtplan:

      1-2-3 Zimmer Wohnungen in einem staatlichen Gebäudekomplex mit Community Garten, Kinderbetreuung, Haustiere erlaubt, für Frauen und deren Kinder reserviert die vor Gewalt fliehen möchten.

      Die Frauen werden entweder finanziert um ein Studium/Ausbildung zu machen oder können arbeiten wenn die Kinder betreut sind.

      Natürlich muss auch eine akute Versorgung erstmal gesichert werden mit einfacher Unterkunft und Beratung, auch rechtliche.

      Wie sehr sich die % Anzahl verändert können Sie am Ende die Frauenhäuser fragen.

      Einkommensungleichheit alleine bekämpfen hilft nicht, hier kann durch die Status Verlustangst die häusliche Gewalt sogar steigen . Ist real beobachtet worden.

  • Wie wäre es mit Kindergeld nur ab 3 Kindern? Dann aber auch für alle Kinder



    Oder eine Staffelung? Für Kind 1 wenig, Kind 2 schon etwas mehr. Und so weiter. Könnte man ja mal alles durchrechnen und kombinieren mit Verdienstgrenzen der Eltern bis zu denen überhaupt gezahlt wird.

  • Die Begrenzung des Kindergeldes angesichts großer Armut war mit ein Grund, warum auch diesmal die Labour Party nicht mehr Stimmen als bei der letzten Wahl mit Jeremy Corbyn bekommen hat. Das Mehrheitswahlrecht hat aber zu einer Abwanderung von den Tories und Zersplitterung der Rechten geführt.

    • @Ataraxia:

      Gut möglich.

      Möglich ist aber auch das den meisten die armen Menschen komplett egal sind.

      Immerhin hat Cameron nal ein Rekordergebnis erzielt mit genau dieser Politik.

      Die meisten Menschen interessieren sich nicht für Dinge, die sie nicht direkt betreffen...zum nicht bei Wahlen.

    • @Ataraxia:

      Corbyn hätte das genauso gewonnen und mit mehr Elan und Wille zum Machen.



      Der Unterton einer Begrenzung ist bösartig: die sollen sich mal nicht so vermehren, diese Armen. Ggf. noch ein bisschen Abwertung von anderen Hintergründen dazu - das ist Tory. Labour sollte das schon aus Prinzip anders halten.