Berliner Wald: Dem Wald eine Pause gönnen
Ende März hat die Umweltverwaltung die bisherige Praxis des Waldumbaus gestoppt. Naturschutzverbände begrüßen das, die Förster fühlen sich übergangen.
Ganz anders ist es außerhalb des Zauns. Vor allem Buchen haben sich dort verjüngt. Der Wald braucht keine Pflanzung, ist die Botschaft der Aufforstungsfläche im Jagen 60 zwischen Stadtautobahn und Teufelssee. Lässt man ihm nur Zeit, schafft es der Laubwald von morgen allein, aus dem Schatten der ungeliebten Kiefern zu treten.
Es waren wohl Bilder wie diese, die Ende März zu einem Kurswechsel beim Waldumbau in Berlin geführt haben. In einem Schreiben an den Leiter der Berliner Forsten, Gunnar Heyne, hatte Umweltstaatssekretärin Britta Behrendt das Berliner Mischwaldprogramm ausgesetzt und damit die seit mehr als zehn Jahren praktizierte Form des Waldumbaus beendet. Statt Kiefern zu fällen, Licht zu schaffen und junge Laubbäume zu pflanzen, solle nun „keine weitere Öffnung des Kronendachs“ mehr erfolgen. Auch der Holzeinschlag wurde radikal reduziert. „In der Waldbewirtschaftung der Berliner Forsten“, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt, „sollen die Wälder künftig als sich selbst optimierende Ökosysteme begriffen werden, um ihre Funktionsfähigkeit zu stärken.“
Das Moratorium beim Waldumbau fiel noch in die Zeit, in der Manja Schreiner (CDU) Umweltsenatorin war. Aber auch nach Schreiners Rücktritt Ende April bleibt Nachfolgerin Ute Bonde (ebenfalls CDU) beim neuen Kurs. „Wir haben auf die Pausetaste gedrückt und wollen uns erst mal anschauen, wie das Programm funktioniert hat“, sagt Bondes Sprecherin Petra Nelken der taz.
Tausende Laubbäume neugepflanzt
Berlins Mischwaldprogramm ist der Versuch, die dominierenden Kiefernbestände in den Berliner Forsten durch Neupflanzung von Laubbäumen in einem klimaresistenten Laubmischwald umzubauen. Seit dem Programmstart im Jahr 2012 wurden jährlich zwischen 300.000 und 500.000 Laubbäume gepflanzt. Zuvor war auf der Hälfte der Berliner Waldflächen von 30.000 Hektar ein „Waldumbaubedarf“ festgestellt worden. In Berlin bestehen die Wälder zu 60 Prozent aus Kiefern, in Brandenburg sind es 70 Prozent. Vor allem in den Forsten im Ostteil der Stadt gibt es noch große Kiefernreinbestände.
Schon kurz nach dem Start des Mischwaldprogramms hatte es Kritik gegeben. „Kahlschlag im Grunewald. Kiefern müssen Eichen weichen“, titelte die Morgenpost 2014. Rund um die Dachsberge am Havelufer waren damals große Holzerntemaschinen angerückt, die nicht nur zahlreiche Kiefern fällten, sondern auch den Waldboden verdichteten. Denn die Berliner Forsten hatten sich nicht nur den Waldumbau auf die Fahnen geschrieben. Sie verdienen seitdem auch 2 bis 3 Millionen Euro im Jahr durch die Holzernte.
Das soll nun nicht mehr möglich sein. Nur noch maximal 10.000 Festmeter im Jahr sollen geerntet werden dürfen, heißt es im Schreiben von Britta Behrendt an Gunnar Heyne, das der taz vorliegt. Zuvor waren aus den Berliner Forsten in manchen Jahren 100.000 Festmeter geholt worden.
Die Ersten, die gegen den Kurswechsel im Frühjahr auf die Barrikaden gingen, waren die Förster. Von einem „tiefen Misstrauen gegen die Mitarbeitenden der Berliner Forsten“ war in einem offenen Protestbrief an Staatssekretärin Behrendt die Rede. Die teilte auf Twitter mit, man wolle „die Zukunft der Berliner Wälder“ sichern.
Was ist da los im Berliner Wald? Tobt da ein neuer Kulturkampf, wenn auch unter verkehrten Vorzeichen? Eine CDU-Senatorin stellt die Ökologie vor die Ökonomie und gibt, ähnlich wie Deutschlands bekanntester Förster und Bestsellerautor Peter Wohlleben, der Naturverjüngung den Vorrang vor aufwendigen und für den Waldboden schädlichen Fällungen und Neupflanzungen?
Förster und Berliner Wasserbetriebe fühlen sich übergangen
Die Kritik der Förster betrifft allerdings weniger den politischen Kurswechsel als vor allem die Kommunikation. Wie schon beim Stopp der Planungen für die Radwege hatte die Senatsverwaltung für Umwelt alle Beteiligten überrumpelt. Bei einem Termin im Forst Müggelheim Anfang April hatte Senatorin Schreiner noch medienwirksam einen jungen Laubbaum gepflanzt. Über den Brief ihrer Staatssekretärin an die Berliner Forsten, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war, hatte sie kein Wort verloren.
Nicht nur die Förster fühlten sich übergangen. Bis heute halten auch die Berliner Wasserbetriebe BWB das Moratorium beim Waldumbau für „nicht zielführend“. „Die Wälder sind eine großartige Möglichkeit, das Regenwasser zu speichern und dem Grundwasser zuzuführen“, sagt Gesche Grützmacher, Leiterin Wasserversorgung der BWB, der taz. „Wenn wir da Monokulturen haben, verdunstet wieder so viel in die Atmosphäre, dass im Prinzip so gut wie kein Grundwasser neu gebildet wird.“
Lob kommt dagegen von den Umweltverbänden. Der Baumexperte des BUND, Christian Hönig, kritisiert, dass sich das Programm nicht an den Erfordernissen des Waldes ausgerichtet habe, sondern an der Zahl der Neupflanzungen. „Je mehr Bäume man pflanzt, desto krassere Klimaaktivistin ist man dann halt“, sagte Hönig dem RBB.
Kritik an Holzernte-Praxis
Der Nabu wiederum kritisiert die bisherige Praxis der Holzernte. „Die Berliner Forsten sollen in erster Linie dem Naturschutz und der Erholung dienen und nicht in erster Linie der Holzproduktion“, meint Jana Einöder vom Nabu. Leider sei von dieser Priorisierung in den letzten Jahren stark zugunsten der Holzproduktion abgewichen worden. Auch deshalb „wurde das Mischwaldprogramm zu Recht beendet“.
Julia Schneider ist da vorsichtiger. „Es gibt beim Waldumbau auch unter Experten verschiedene Meinungen“, sagt die Grünen-Abgeordnete der taz. Problematisch ist für Schneider auch die Beschränkung der Holzernte. „Wenn wir mit Holz bauen wollen, müssen wir auch das Holz dafür haben“, sagt Schneider der taz. Zwar sei die Bereitstellung von Bauholz für das Schumacher Quartier auf dem ehemaligen Flughafen Tegel von den Beschränkungen ausgenommen. „Aber es geht auch über das Schumacher Quartier hinaus darum, ökologisch zu bauen.“
Auch beim Grünen-Parteitag im Mai war die Waldpolitik des Senats Thema: „Die Verhängung eines Moratoriums von oben, quasi per ordre de mufti, halten wir für einen politischen Fehler“, heißt es in einem Beschluss. Um wieder ins Gespräch zu kommen, fordern die Grünen möglichst bald einen „Waldkongress unter Beteiligung wissenschaftlicher Expertise“.
Zumindest hierzu geht die CDU nun auf ihre Kritikerinnen zu. Allerdings soll der Waldkongress, so Staatssekretärin Behrendt in ihrer Antwort auf die Anfrage von Schneider, erst im Frühjahr 2025 stattfinden. Zuvor seien „interne Formate mit den Mitarbeitenden für den Sommer 2024 in Planung“.
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