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Berliner WaldDem Wald eine Pause gönnen

Ende März hat die Umweltverwaltung die bisherige Praxis des Waldumbaus gestoppt. Naturschutzverbände begrüßen das, die Förster fühlen sich übergangen.

Umweltsenatorin Manja Scheiner (CDU) pflanzt Anfang April noch einen jungen Laubbaum Foto: dpa/Sebastian Christoph Gollnow

Berlin taz | Mickrig sieht es aus unter den paar alten Kiefern, die die Berliner Forsten haben stehen lassen. Kleine Eichen gucken aus dem Boden, frisch gepflanzt auch Linden und Vogelkirsche. Hinter einem Zaun verstecken sich die Jungbäumchen vor dem Verbiss von Wildschweinen und Rehen. Doch so richtig in die Höhe wollen sie nicht.

Ganz anders ist es außerhalb des Zauns. Vor allem Buchen haben sich dort verjüngt. Der Wald braucht keine Pflanzung, ist die Botschaft der Aufforstungsfläche im Jagen 60 zwischen Stadtautobahn und Teufelssee. Lässt man ihm nur Zeit, schafft es der Laubwald von morgen allein, aus dem Schatten der ungeliebten Kiefern zu treten.

Es waren wohl Bilder wie diese, die Ende März zu einem Kurswechsel beim Waldumbau in Berlin geführt haben. In einem Schreiben an den Leiter der Berliner Forsten, Gunnar Heyne, hatte Umweltstaatssekretärin Britta Behrendt das Berliner Mischwaldprogramm ausgesetzt und damit die seit mehr als zehn Jahren praktizierte Form des Waldumbaus beendet. Statt Kiefern zu fällen, Licht zu schaffen und junge Laubbäume zu pflanzen, solle nun „keine weitere Öffnung des Kronendachs“ mehr erfolgen. Auch der Holzeinschlag wurde radikal reduziert. „In der Waldbewirtschaftung der Berliner Forsten“, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt, „sollen die Wälder künftig als sich selbst optimierende Ökosysteme begriffen werden, um ihre Funktionsfähigkeit zu stärken.“

Das Moratorium beim Waldumbau fiel noch in die Zeit, in der Manja Schreiner (CDU) Umweltsenatorin war. Aber auch nach Schreiners Rücktritt Ende April bleibt Nachfolgerin Ute Bonde (ebenfalls CDU) beim neuen Kurs. „Wir haben auf die Pausetaste gedrückt und wollen uns erst mal anschauen, wie das Programm funktioniert hat“, sagt Bondes Sprecherin Petra Nelken der taz.

Tausende Laubbäume neugepflanzt

Berlins Mischwaldprogramm ist der Versuch, die dominierenden Kiefernbestände in den Berliner Forsten durch Neupflanzung von Laubbäumen in einem klimaresistenten Laubmischwald umzubauen. Seit dem Programmstart im Jahr 2012 wurden jährlich zwischen 300.000 und 500.000 Laubbäume gepflanzt. Zuvor war auf der Hälfte der Berliner Waldflächen von 30.000 Hektar ein „Waldumbaubedarf“ festgestellt worden. In Berlin bestehen die Wälder zu 60 Prozent aus Kiefern, in Brandenburg sind es 70 Prozent. Vor allem in den Forsten im Ostteil der Stadt gibt es noch große Kiefernreinbestände.

Schon kurz nach dem Start des Mischwaldprogramms hatte es Kritik gegeben. „Kahlschlag im Grunewald. Kiefern müssen Eichen weichen“, titelte die Morgenpost 2014. Rund um die Dachsberge am Havelufer waren damals große Holzerntemaschinen angerückt, die nicht nur zahlreiche Kiefern fällten, sondern auch den Waldboden verdichteten. Denn die Berliner Forsten hatten sich nicht nur den Waldumbau auf die Fahnen geschrieben. Sie verdienen seitdem auch 2 bis 3 Millionen Euro im Jahr durch die Holzernte.

Das soll nun nicht mehr möglich sein. Nur noch maximal 10.000 Festmeter im Jahr sollen geerntet werden dürfen, heißt es im Schreiben von Britta Behrendt an Gunnar Heyne, das der taz vorliegt. Zuvor waren aus den Berliner Forsten in manchen Jahren 100.000 Festmeter geholt worden.

Die Ersten, die gegen den Kurswechsel im Frühjahr auf die Barrikaden gingen, waren die Förster. Von einem „tiefen Misstrauen gegen die Mitarbeitenden der Berliner Forsten“ war in einem offenen Protestbrief an Staatssekretärin Behrendt die Rede. Die teilte auf Twitter mit, man wolle „die Zukunft der Berliner Wälder“ sichern.

Was ist da los im Berliner Wald? Tobt da ein neuer Kulturkampf, wenn auch unter verkehrten Vorzeichen? Eine CDU-Senatorin stellt die Ökologie vor die Ökonomie und gibt, ähnlich wie Deutschlands bekanntester Förster und Bestsellerautor Peter Wohlleben, der Naturverjüngung den Vorrang vor aufwendigen und für den Waldboden schädlichen Fällungen und Neupflanzungen?

Förster und Berliner Wasserbetriebe fühlen sich übergangen

Die Kritik der Förster betrifft allerdings weniger den politischen Kurswechsel als vor allem die Kommunikation. Wie schon beim Stopp der Planungen für die Radwege hatte die Senatsverwaltung für Umwelt alle Beteiligten überrumpelt. Bei einem Termin im Forst Müggelheim Anfang April hatte Senatorin Schreiner noch medienwirksam einen jungen Laubbaum gepflanzt. Über den Brief ihrer Staatssekretärin an die Berliner Forsten, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war, hatte sie kein Wort verloren.

Nicht nur die Förster fühlten sich übergangen. Bis heute halten auch die Berliner Wasserbetriebe BWB das Moratorium beim Waldumbau für „nicht zielführend“. „Die Wälder sind eine großartige Möglichkeit, das Regenwasser zu speichern und dem Grundwasser zuzuführen“, sagt Gesche Grützmacher, Leiterin Wasserversorgung der BWB, der taz. „Wenn wir da Monokulturen haben, verdunstet wieder so viel in die Atmosphäre, dass im Prinzip so gut wie kein Grundwasser neu gebildet wird.“

Lob kommt dagegen von den Umweltverbänden. Der Baumexperte des BUND, Christian Hönig, kritisiert, dass sich das Programm nicht an den Erfordernissen des Waldes ausgerichtet habe, sondern an der Zahl der Neupflanzungen. „Je mehr Bäume man pflanzt, desto krassere Klimaaktivistin ist man dann halt“, sagte Hönig dem RBB.

Kritik an Holzernte-Praxis

Der Nabu wiederum kritisiert die bisherige Praxis der Holzernte. „Die Berliner Forsten sollen in erster Linie dem Naturschutz und der Erholung dienen und nicht in erster Linie der Holzproduktion“, meint Jana Einöder vom Nabu. Leider sei von dieser Priorisierung in den letzten Jahren stark zugunsten der Holzproduktion abgewichen worden. Auch deshalb „wurde das Mischwaldprogramm zu Recht beendet“.

Julia Schneider ist da vorsichtiger. „Es gibt beim Waldumbau auch unter Experten verschiedene Meinungen“, sagt die Grünen-Abgeordnete der taz. Problematisch ist für Schneider auch die Beschränkung der Holzernte. „Wenn wir mit Holz bauen wollen, müssen wir auch das Holz dafür haben“, sagt Schneider der taz. Zwar sei die Bereitstellung von Bauholz für das Schumacher Quartier auf dem ehemaligen Flughafen Tegel von den Beschränkungen ausgenommen. „Aber es geht auch über das Schumacher Quartier hinaus darum, ökologisch zu bauen.“

Auch beim Grünen-Parteitag im Mai war die Waldpolitik des Senats Thema: „Die Verhängung eines Moratoriums von oben, quasi per ordre de mufti, halten wir für einen politischen Fehler“, heißt es in einem Beschluss. Um wieder ins Gespräch zu kommen, fordern die Grünen möglichst bald einen „Waldkongress unter Beteiligung wissenschaftlicher Expertise“.

Zumindest hierzu geht die CDU nun auf ihre Kritikerinnen zu. Allerdings soll der Waldkongress, so Staatssekretärin Behrendt in ihrer Antwort auf die Anfrage von Schneider, erst im Frühjahr 2025 stattfinden. Zuvor seien „interne Formate mit den Mitarbeitenden für den Sommer 2024 in Planung“.

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15 Kommentare

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  • Das Dekret von Britta Behrendt, zusammen mit der Beschränkung des jährlichen Holzeinschlags ist eine riesiger forstpolitischer Fortschritt für uns Berliner. Vielen Dank hierfür an Britta Behrendt und Frau Schreiner. Das von Seiten des CDU geführten Senats erkannt wurde das dieses Mischwaldprogramm in erster Linie nicht auf dem ökologischen Waldumbau, sondern auf kurzfristige Einahmen durch erhöhten Holzeinschlag abzielte, ist höchst erfreulich und bemerkenswert. Von den durch dieses Programm in den letzten 10 Jahren entstandenden ökologischen Schäden und auch dem Verlust der Erholungsqualität kann sich jeder Bürger in den Köpenicker Wäldern rund um Friedrichshagen selbst ein Bild machen - überall finden sich diese aufgelichteten, durch Zaun für Mensch und Wild unzugänglich, traurigen Anblicke. Es ist eine Genugtuung das den verblieben Kiefernaltbeständen ein ähnliches Schicksal erspart bleibt. Wenn Frau Behrendt nun noch in dieser Legislaturperiode per Dekret eine ganzjährige Schonzeit des Fuchses durchsetzt, sowie eine Gesetzesinitiative für das Verbot von Baujagd und Schliefenanlagen startet, bringe ich als Dank gerne Kaffe und Kuchen am Kölnschen Park vorbei.

  • Dass ein ausgeprägt naturferner Zustand auf breiter Fläche sich aus eigener Kraft in einen naturnahen wandelt, ist ein hoffnungsloser Irrglaube - zumal in so schwerfälligen Systemen wie dem Wald. Das erleben frühestens die Urenkel unserer Urenkel. Aber die Erzählung vom Renegaten-Förster, der sich tapfer und entschlossen einer übermächtigen Holzlobby und rücksichtslosen Forstverwaltungen entgegenstellt ist offenbar einfach zu gefällig. Es gibt tausende Forstingenieure und -wissenschaftler in Deutschland, aber glauben (und zuhören!) möchte man nur dem einen.

    Selbstverständlich kann zu dem Thema auch kein Artikel ohne das Wort 'Kahlschlag' geschrieben werden. Dieser Versuchung ist bisher noch jeder Autor erlegen. Dass dieser Fachbegriff eindeutig definiert ist und in der Berichterstattung quasi noch nie korrekt verwendet wurde, ist unter Fachleuten bereits zum Treppenwitz geworden.

    • @wintermute:

      Der "Irrglaube" lässt sich einfachst in den Brandenburger Waldbrandgebieten beobachten.

      www.mdr.de/wissen/...nbrietzen-100.html

      • @Anna Bell:

        Zweifellos ein interessantes Projekt, das aber ganz andere Voraussetzungen hat als der Berliner Stadtwald. Der ist ja nicht abgebrannt.

        Was sich da ansamt ist ein Vorwald aus Pappeln und Birken, wie man ihn auf jeder Industriebrache finden kann. Das mag mittelfristig bessere Ausgangsbedingungen schaffen. Aber wer Eichen und Buchen haben will, muss die halt auch dahinbringen. Waldumbau bleibt Handarbeit.

        • @wintermute:

          Da allerdings die "Vorwaldstadien" nicht nur eine Berechtigung haben, sondern einen wichtigen



          Zwischenschritt in der Sukzession darstellen - mit eigener, angepasster Fauna und eigener Berechtigung - sollte man damit arbeiten. Irgendwann stellt sich dann (leider nicht unbedingt noch zu meinen Lebzeiten), eine Terminalphase ein. Jeder Zwischenschritt, von der Schlagflur bis zur Zerfallsphase ist für die Biodiversität von Bedeutung. Man könnte etwas eingreifen, in dem man invasive Arten entfernt (z.B. die Spätblühende Traubenkirsche).

        • @wintermute:

          Da haben sie bestimmt recht, dass die Randbedingungen nicht exakt die gleichen sind. Aber m.E. geht es in dem Artikel darum den Wald klimaresistent zu machen und nicht notwendigerweise darum, einen Eichen- und Buchenwald daraus zu machen. Und da scheint mir es eine kosten- und aufwandsgünstige Variante zu sein, die Natur einfach selber machen zu lassen.

  • Die Grünen glauben, dass das Bauen mit Holz dem Klimaschutz dient. Leider fehlt dem meisten Vertretern dieser Partei die ökologische Expertise. Ökologisch intakte Wälder speichern riesige Mengen an CO2. Insgesamt Speichen die Ökosysteme 50% des von Menschen emittierten CO2 (Angabe vom Umweltbundesamt). Dafür darf aber nicht zu viel eingeschlagen werden. Ökologisch zu bauen, ist übrigens nicht zu bauen; deshalb muss viel mehr dafür getan werden, dass künftig im Bestand die Lösung gefunden wird, und nicht im Neubau. Die Grünen kommen mir langsam vor, als hätten sie sich vollständig davon verabschiedet, eine Ökopartei zu sein - jedenfalls sollten die sich langsam mal eine ordentliche Expertise holen.

    • @Axel Donning:

      Zur forstökologischen Expertise der Grünen denke ich das Sie, zumindest auf Bundesebene Vorhanden ist. Tessa Ganserer hat hier durchaus Expertise, die richtigen Standpunkte und sucht sich auch gute Berater. Auch der Waldgesetzentwurf aus dem Landwirtschaftsministerium ist ein ökologischer Fortschritt und es gilt zu hoffen das die novellierung noch diese Legislaturperiode ohne zu viel verwässerrung Glückt. Ein Reinfall ist der Landwirtschaftsminister Özdemir, schade das interne machtpolitik bei der Grünen eine sachkundige Ministerin mit Oberpfälzer Dialekt verhindert.



      Auf berliner Ebene ist es für die grüne Partei beschämend, das erst ein CDU Senat mit der hervorragenden Frau Behrendt als Staatssekretärin die ökologisch sinnvollen Korrekturen in der forstpolitik einleitet. Ein Rätsel bleibt mir immer wieder wie mit dem waldfeindlichen und zaunliebenden Mischwaldprogramm der letzten 10 Jahre der Berliner Forst naturland zertifiziert bleiben konnte.

    • @Axel Donning:

      Klar, Holzeinschlag ist böse, wer braucht schon natürlich nachwachsende Rohstoffe, wenn man auch Plastik nehmen kann.

      • @Offebacher:

        Mir ging es vor allem um die Dimension, und da wird es langsam einfach zu viel!

    • @Axel Donning:

      eieiei, Grünen-Bashing geht immer, auch wenn die eigene Expertise eher gering ist.

      Wälder sind eingebettet in einen Kohlestoffkreislauf, d.h. sie speichern CO2 während ihrer Lebenphase, geben diesen dann aber auch wieder frei durch Brand, Verrottung etc., also eben ein Kreislauf. Wir erzeugen aber seit ca 150 Jahren zusätzliches CO2, was vor Jahrmillionen der Atmosphäre entzogen wurde. Und diese Mengen kann ein Ökosystem 'Wald' nicht speichern.

      Aber: Wenn dem Wald das gebildete Holz zum Bauen entnommen wird, dann ist der Kohlenstoff weiterhin gespeichert und nicht zurück im Kreislauf. Mach also schon Sinn mit Holz zu bauen. Und zu den UBA-Angaben würde ich mich über einen Link freuen.

      Aber ich bin voll und ganz bei Ihnen, wenn es um den Erhalt des Bestands geht und dass Neubau nur das letzte Mittel sein sollte.

      • @Anna Bell:

        Kleiner Nachtrag: Nur ein Teil des durch Photosynthese gebundenen Kohlenstoffes wird wieder freigegeben. Wenn Wälder alt genug werden dürfen und vorratsreich sind, wird CO2 für viele Jahrhunderte in Holz und im Boden gespeichert.

        • @Axel Donning:

          Das stimmt so nur, wenn der gebundene Kohlenstoff z.B. in Form von Kohle oder Erdöl im Untergrund gespeichert wird. Ansonsten wird der Kohlestoff im Kreislauf gefahren, bei Blättern ist der Zyklus ca. 1 Jahr, bei nicht abgestorbenem Holz solange der Baum lebt. Und nochmal: Wenn das Holz zum Bauen verwendet wird, dann ist es dem Kreislauf eben auch entzogen, zumindest solange das Haus nicht abbrennt.

      • @Anna Bell:

        www.oeko.de/filead...-THG-Bilanz-DE.pdf

        Ich habe auf die Schnelle keinen passenden Link gefunden, dieser hier sieht es differenziert. Das mit den 50% wurde so vom UBA genannt - dabei handelte es sich um eine weltweite Gesamt - Betrachtung. Mir mangelnde Expertise vorzuwerfen, ohne meinen Hintergrund zu kennen, ist nicht so schlau. Ebenso ist nicht jede Kritik an grüner Politik "Grünenbashing". Wenn man das Thema überbordende Holznutzung und die Folgen für den Wald und das Waldökosystem mal vor Ort anschaut (mit entsprechender Expertise), kann man zu keinem anderem Schluss kommen, als dass die Holzstrategie der deutschen Grünen (in anderen Ländern schlägt man - auch die Grünen - darüber die Hände über den Kopf zusammen) mit aller Macht eine einfache Scheinlösung finden wollen. Übrigens ist nicht nur die Klimakrise, sondern auch das Artensterben fatal!

        • @Axel Donning:

          Stimmt, ich kenne ihre Expertise/Hintergrund nicht wirklich, allerdings finde ich nach wie vor das ihr erstes Posting sich sehr nach Grünenbashing anhört.



          Die Materie an sich ist nicht wirklich trivial und hat viele Aspekte und anderen (den Grünen) die Expertise abzusprechen ist zumindest zweifelhaft.

          Aber, wie Sie schon richtig bemerkt haben, ich bin wohl nicht die Richtige um den ersten Stein zu werfen. Nix für ungut.