Die Waldbilder zeigen die Lichtung auf dem "Hirschruf" im Waldgebiet Wölmisse bei Jena, viele der Bäume sind krank - keine Blätter mehr, sondern abgestorben

Foto: Heike Holdinghausen

Waldumbau in Deutschland:Auf dem Holzweg

In Jena stirbt gerade ein Stück Wald, das besonders ökologisch bewirtschaftet wurde. Muss der Waldumbau neu gedacht werden?

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14.10.2023, 19:04  Uhr

Vom Bahnhof Jena-Paradies mitten in der Stadt sind es nur wenige Autominuten in ein tatsächliches Paradies: die Wöllmisse ist eine Hochebene, die sich an Jena schmiegt, mit Blumenwiesen, Wäldern, Wanderwegen. Am Parkplatz Steinkreuz führen viele von ihnen vorbei. Einer von ihnen schlängelt sich direkt in den Wald, große Ahorne, Eichen, Buchen links und rechts. Wer jetzt Forstbeamter ist, der darf auf diesem Weg mit dem Auto fahren. Er muss nicht mal auf der Fahrspur bleiben – er kann abbiegen, direkt in den Wald hinein.

Stefan Engeter zum Beispiel und Bernhard Zeiss dürfen das. Engeter ist der Revierförster der Wöllmisse. Zeiss arbeitet ihm als Leiter des Forstamts Jena-Holzland zu. An einem warmen Tag im Herbst steuert Engeter seinen olivgrünen Wagen beherzt vom Weg auf einen schmalen Matschpfad, kurvt einen steilen Hang hinunter und ein paar Meter später wieder herauf, Zweige streifen die Fenster. Schließlich hält er an, öffnet die Tür: Stille. Kein Wind, kein Laut, so schön still, wie es nur mitten im Wald sein kann, mit ein wenig Specht-Gequietsche im Hintergrund.

Die beiden Forstleute sind in den „Hirschruf“ gefahren, so heißt diese Stelle des Waldes, um sie dem Forstwissenschaftler Henrik Hartmann zu zeigen. 16 Baumarten wachsen auf diesem kleinen Plateau im Hügelland, Traubeneiche, Rotbuche, Hainbuche, Winterlinde, Bergahorn, Feldahorn, Spitzahorn, Esche, Eberesche, Elsbeere, Birke, Gemeine Kiefer, Schwarzkiefer, Fichte, Lärche und Eibe. Das gesamte Waldgebiet liegt in einem Gebiet der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH). Einige der hohen Bäume auf dem lichten Plateau tragen einen Ring aus schwarzer Farbe. „Die habe ich vor zwei Jahren ausgesucht und gekennzeichnet, weil sie besonders vital waren“, sagt Engeter, „als Zukunftsbäume.“

Sie sollten heranwachsen, die „Zukunftsbäume“, zu stattlichen Exemplaren. Sie sollten sich vermehren und irgendwann, vielleicht in 100, 150 Jahren, hochwertige Bretter für Möbel liefern. Und jetzt? „In zehn Jahren sind die vermutlich tot“, sagt Zeiss. „Oder in fünf“, sagt Hartmann.

Der Forstwissenschaftler leitet das neue Julius-Kühn-Institut für Waldschutz, das auf Initiative der ehemaligen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner in Quedlinburg gegründet und im Winter von ihrem Nachfolger Cem Özdemir eröffnet worden ist. Als Teil des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen ist es eine Behörde des Agrarministeriums. Auf Hartmann und seinen Mitarbeitern liegen große Hoffnungen der Förster:innen, denn unter ihnen herrscht derzeit eine große Ratlosigkeit, sagt Zeiss. Die schwarzen Ringe auf den Zukunftsbäumen von vor zwei Jahren sehen nämlich aus wie Trauerflor: Kahle Äste ragen in den Himmel, einige sind schon abgebrochen, hell scheint die Sonne durch die dürren Kronen.

„Vor einigen Jahren sind die Fichtenbestände zusammengebrochen“, sagt Zeiss, der mit seinen orangefarbenen Arbeitshosen und dem schmalen Zöpfchen am Hinterkopf eher unkonventionell für einen Förster daherkommt. „Sie sind Stürmen und Borkenkäfern zum Opfer gefallen.“ Die Buche als typische mitteleuropäische Art galt als der Baum der Zukunft. Schnell habe sich herausgestellt: „Die schafft es in vielen Gebieten auch nicht mehr.“ An ihre Stelle sei die trockentolerantere Eiche gerückt, doch selbst für sie war es die vergangenen Jahre zu heiß, fiel die Niederschlagsmenge zu gering aus. In einigen Wäldern Thüringens und Sachsen-Anhalts pflanzen sie jetzt Weißtannen – die im Schwarzwald gerade großflächig absterben. Es bleibt also ein Experimentieren und Nochmalprobieren mit verschiedenen Konzepten. Die Frage ist: Was tun, wenn alle Rezepte versagen?

Die beiden Waldexperten haben deshalb bei Hartmann angeklopft, dem Wissenschaftler mit dem globalen Blick, der schon in Kanada geforscht und gearbeitet hat. „Viele unserer Erkenntnisse über erbliche Trockentoleranz stammen gar nicht aus der Forschung an Bäumen“, sagt der 55-Jährige. Diskutiert werden deshalb die Chancen der Epigenetik, also der Möglichkeit, dass sich die Aktivität von Genen durch Umwelteinflüsse verändert. Die Hoffnung: Pflanzen, die unter trockenen und heißen Bedingungen aufwachsen, verändern das Auslesen des Erbguts. Damit können sie sich und ihre Nachkommen besser an die neuen Bedingungen anpassen.

„Fast so gut wie alles, was wir darüber wissen, wissen wir aus der Forschung mit der Ackerschmalwand“, sagt Hartmann. Das kleine Blümchen mit den weißen Blüten wächst überall. „Können wir die Forschung von dieser Krautpflanze auf Bäume übertragen?“, fragt Hartmann. „Das haben wir noch gar nicht geklärt.“ Forschung an Bäumen, selbst systematische Züchtung, habe es bislang wenig bis überhaupt nicht gegeben – weil es bisher nicht nötig erschien. Und nun seien die Wissenslücken so groß wie die Probleme.

Forstmann Zeiss berichtet von Gesprächen mit Kollegen aus Thüringen und Sachsen-Anhalt, die verzweifelt zusehen, wie ihre Buchen- und Eichenstandorte selbst an guten Lagen absterben. Hartmann erzählt von seinen Joggingrunden durch den Quedlinburger Stadtwald, „schön feucht, von der Bode durchflossen, ein wunderbarer Mischwald“. Und trotzdem sehe es dort katastrophal aus, fast ein Zehntel der alten Buchen, Ahorne, Eichen, Hainbuchen und Eschen sterbe dort gerade ab. Die Trockenjahre seit 2017 wirkten nach, den einzelnen Tagen mit extremer Hitze mit weit über 30 Grad seien die Bäume auf Dauer nicht gewachsen.

Henrik Hartmann, Forstwissenschaftler

„Der Wald macht gerade einen Wandel durch, auf den ihn die Evolution nicht vorbereitet hat“

„Der Wald macht gerade einen Wandel durch, auf den ihn die Evolution nicht vorbereitet hat“, sagt Hartmann, „die Verhältnisse ändern sich zu schnell“. Die Förster hätten das inzwischen verstanden, aber: „Der Naturschutz tut sich da schwerer.“

Mit seinen kurzen Hosen, T-Shirt und Cap könnte der Wissenschaftler selbst für den Naturschutzbund Nabu im Wald stehen. Doch den Gedanken von FFH-Gebieten, die per Definition und mit Managementplänen einen bestimmten „Erhaltungszustand“ erreichen wollen, hält er ökologisch für sinnlos. „Ein Ökosystem lässt sich nicht in seiner Entwicklung einfrieren.“ Unter den Bedingungen, die der Klimawandel jetzt vorgebe, sei dieser Ansatz überhaupt nicht mehr haltbar. „Die Ökosysteme müssen sich anpassen, und viele der vorhandenen Arten haben keine Blaupause dafür, was gerade geschieht“, sagt er. Deswegen müsse der Naturschutz seine Ziele neu definieren“.

Forstamtsleiter Zeiss hört sich das an und nickt. „Nehmen wir an, wir haben hier einen geschützten Waldmeister-Buchenwald“, sagt er, „und die Buchen sterben uns weg.“ Was solle er denn dann bitte machen? Immer wieder Buchen aufforsten? Mit neuen Arten dürfe er im FFH-Gebiet nicht experimentieren, dabei „ist doch der richtige Baum der, der in 50 Jahren noch grün ist, oder?“

FFH-Gebiete sind dazu da, ein einmal erfasstes und beschriebenes Ökosystem zu erhalten. Sie sind eines der wichtigsten Instrumente im europäischen Naturschutz. Hartmann hält es in Anbetracht der schnellen Veränderungen für überkommen. „Wir dokumentieren Lebensräume seit etwa 150 Jahren“, sagt er, „und obwohl das für einen Wald überhaupt kein Zeitraum ist, ist er die Referenz.“ Soll heißen: Was wir heute für schützenswert halten, ist für den Wald im Grunde nur eine sehr kurze Phase in der Evolutionsgeschichte.

Anne Arnold guckt sehr skeptisch in die Kamera, als man ihr in einer Zoom-Konferenz von diesem Waldgespräch erzählt. „Weil in Thüringen die Mischwälder absterben, heißt es nicht, dass das an anderen Standorten auch passiert“, sagt sie, und gegen den Schutzstatus nach FFH spreche das schon gar nicht. Gerade weil der Wald sich in langen Zeiträumen verändere, verfügten wir noch über zu wenig Wissen über die Entwicklung in Schutzgebieten. „Wir müssen systematisch vergleichen, zum Beispiel stark bewirtschaftete und geschützte Buchenwälder“, sagt sie.

Auch Arnold ist Forstwissenschaftlerin an der Forsthochschule Göttingen und arbeitet zudem im Nabu-Projektbüro Waldökosysteme Mittel- und Nordostdeutschland. Auch sie forscht zu Wäldern der Zukunft. Ergebnis: Geschützte Wälder leiden auch unter Hitze und Wassermangel, sind dabei aber stabiler und anpassungsfähiger als stark genutzte Forste. „Sie erholen sich schneller“, sagt Arnold, „das macht den Unterschied zwischen Wald oder nicht Wald, und darum geht es ja inzwischen.“

Drei Waldexperten stehen im Wald und schauen sich die Bäume an

Förster Stefan Engeter, Forstamtsleiter Bernhard Zeiss (m.) und Henrik Hartmann (r.) im Wald bei Jena Foto: Heike Holdinghausen

Arnold plädiert deshalb dafür, die Waldnutzung neu zu denken und Waldbesitzern zu ermöglichen, auch mit stillgelegten Wäldern Geld zu verdienen: „Die Serviceleistungen des Waldes etwa als Kohlenstoff- und Wasserspeicher müssen honoriert werden“, sagt sie. Wie konkret das geschehen könnte, ist seit Längerem Gegenstand von umweltpolitischen Debatten.

Aber woher kommt dann das Holz, etwa für die Möbelindustrie? „Das ist ein großes Problem“, räumt Arnold ein.

Diese ungelösten Zielkonflikte unter einen Hut zu bekommen, ist Aufgabe des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Dort arbeiten sie gerade an einem neuen Bundeswaldgesetz, das den entsprechenden Landesgesetzen den Rahmen setzen soll, um klimastabile Mischwälder zu schaffen – und den Wald samt Holzproduktion zu retten. Als Leitmotiv nennt das Ministerium, den Wald und seine vielfältigen Ökosystemleistungen wegen ihrer Bedeutung für Klima, für Biodiversität und für die Wertschöpfung zu erhalten.

Zurzeit sei noch genug Holz da, sagt Matthias Dieter, der das Thünen-Institut für Waldwirtschaft in Hamburg leitet, aber in 20 bis 30 Jahren könnte einheimisches Holz knapp werden. Zurzeit wisse niemand, welche Bestände durch die Trockenheit der letzten Frühjahre genau abgestorben seien. „Waren es Bäume, die sowieso bald geerntet worden wären, oder ist uns durch die Trockenheit der Zuwachs für die nächsten Jahrzehnte verloren gegangen?“ Und wie ändere sich die Versorgung, wenn jetzt statt schnell wachsender Nadelhölzer langsam wachsende Laubbäume gepflanzt würden? Mit Spannung erwartet Dieter die Veröffentlichung der Bundeswaldinventur im nächsten Jahr. Alle zehn Jahre wird der Wald vermessen. „Wir werden erfahren, ob es die Bäume überhaupt noch gibt, von denen unsere Berechnungen ausgehen“, sagt der Forstökonom.

An der Frage, wie viel Holz erwirtschaftet werden kann, hängt auch eine Wertschöpfungskette. Es geht auch um Arbeitsplätze

Das wisse man nicht erst im kommenden Jahr, sondern könne man schon aktuell feststellen, widerspricht Anemon Strohmeyer, Geschäftsführerin des Verbands der Holzwerkstoffindustrie. Den „Rückgang des Rohstoffes“ Holz versuchten die Unternehmen durch den Einsatz von mehr Recyclingholz zu kompensieren und sich zudem auch auf den Einsatz von mehr Laubholz vorzubereiten. „Die Rohstoff-Frage ist eine Zukunfts- und Existenzfrage der Holzindustrie und der von ihr abhängigen nationalen Wertschöpfungskette wie Bau, Möbel, Verpackungen“, sagt Strohmeyer. Daran hängt Wertschöpfung, daran hängen Arbeitsplätze.

Um den Holzbedarf auch künftig aus heimischen Quellen zu decken, schlägt Forstwissenschaftler Hartmann vor, „sich von dem allgegenwärtigen Gedanken der Multifunktionalität von Forsten und Wäldern zu verabschieden“. Klassischerweise soll der Wald in Deutschland Holz liefern und zugleich der Erholung dienen und dem Artenschutz als Wasserpuffer und als CO2-Senke fungieren – alles gleichzeitig. „Vielleicht geht das nicht mehr alles zusammen“, sagt Hartmann, „vielleicht müssen wir einige Wälder, die wir besonders wertvoll finden, forstwirtschaftlich stilllegen und dafür auf anderen, landwirtschaftlichen oder ungenutzten Flächen intensiv in Plantagenwirtschaft Holz produzieren“.

Synchron ziehen die Förster Zeiss und Engeter die Augenbrauen hoch, als der Wissenschaftler das vorschlägt, und verschränken ihre Arme vor der Brust. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Förster ihre Wälder in den Dienst der rasant wachsenden Volkswirtschaft mit ihrem hohen Rohstoffbedarf gestellt und schnell wachsende Fichten gepflanzt. Als in den 60er Jahren die Wohlstandsgesellschaft den Wald als Freizeitort entdeckte, haben sie Trimm-dich-Pfade und Bänke in die Fichtenforste gestellt, und auf das wachsende Umweltbewusstsein in den 80er Jahren mit einem – zögerlichen – Waldumbau hin zu mehr Mischwald reagiert. In ihrem Selbstverständnis haben die Förster stets den Wald geformt, der nachgefragt wurde.

Und nun: gemanagte Plantagen hier, Urwald dort? Das ist für Engeter und Zeiss nicht vorstellbar, sie denken eher in eine andere Richtung. Warum muss der Wald immer die Bedürfnisse von Wirtschaft und Gesellschaft erfüllen? Warum können diese sich jetzt nicht nach den Bedürfnissen des Waldes richten?

Vielleicht kommt bald die Zeit der Birken und Pappeln

„Wir haben hier zwar zurzeit ein Überangebot an Fichten- und Buchenholz“, sagt Zeiss, „aber es ist ja absehbar, dass das nicht so bleibt.“ Die Holzindustrie aber poche weiter auf Stammholz, dass in ihre Sägewerke passe. „Wenn die Fichten und Buchen weg sind, vielleicht kommen dann Robinien, Birken, Pappeln“, sagt Zeiss, „auch damit muss die Industrie zukünftig arbeiten können.“

Das allerdings ist nicht so leicht. „Es gibt 70.000 Holzarten weltweit“, sagt Andreas Krause, der Leiter des Thünen-Instituts für Holzforschung in Hamburg. Um sie zu verarbeiten, muss man ihre jeweiligen Eigenschaften kennen. Einzelne Firmen gingen voran, berichtet er, etwa das Unternehmen Pollmeier, das ein Furnierholz aus Buche herstelle. Der Stamm werden geschält, die Schichten neu zu einem Produkt verklebt. Damit schafft es der Hersteller, Buchen als Bauholz einzusetzen, was bisher unüblich ist. „Ihr Werk haben sie völlig neu aufgebaut, extra mitten in ein Buchengebiet“, sagt Krause. „Die aktuelle Diskussion, alte Buchenwälder aus der Nutzung zu nehmen, beobachten andere Sägewerke ganz genau“, sagt Krause. „Die fragen sich, worauf lasse ich mich da ein?“, wenn die Buchenwälder für die Holzwirtschaft ausfallen?

Der wichtigste Grund, warum die Unternehmen nicht noch stärker in innovative stoffliche Nutzungen von Holz investierten, sei aber die hohe Nachfrage nach Holz als Brennmaterial, so Krause. Die Lobbyverbände der erneuerbaren Energien betonen stets, es würden nur Qualitäten verbrannt, die als Bau- oder Möbelholz sowieso nicht genutzt werden könnten. „Das ist ein Märchen“, sagt Krause. Vor allem Pellet-Werke arbeiteten nur mit frischem, sauberen Material, aus dem etwa auch Spanplatten für den Gebäude- oder Möbelbau hergestellt werden. „Die konkurrieren um genau die gleichen Sortimente“, sagt Krause.

Ein Baumstamm mit abgeplatzter Rinde

So sieht kein „Zukunftsbaum“ aus: Fraßschäden an einem Baum im Waldgebiet Wölmisse Foto: Heike Holdinghausen

Hier treffen sich Krause, Arnold und Hartmann: Die großflächige energetische Nutzung des Holzes in Pelletheizungen oder gar -kraftwerken verkraftet der Wald nicht – nicht hierzulande, nicht global, da sind sie sich einig.

„Wir müssen jetzt versuchen, so viel Wald zu erhalten wie möglich“, sagt Wissenschaftlerin Arnold. Dafür seien längst nicht alle Mittel ausgeschöpft. Dazu gehöre etwa ein Wassermanagement, das nicht nur auf den Forst ziele, sondern die gesamte Landschaft in den Blick nehme: „Wer Moore entwässert, um Ackerflächen zu gewinnen, entzieht auch dem benachbarten Wald Wasser.“ Außerdem müsse man versuchen, die Kronendächer der Wälder geschlossen zu halten, sagt Arnold. Überall dort, wo Lücken entstünden, erhitze sich der Waldboden zu stark, was zu noch mehr Schäden führe.

Derzeit bestimme der Preis für Industrie- oder Energieholz den Wert eines Waldes: „Wenn wir das volkswirtschaftlich anders berechnen, kommen wir doch auf ganz andere Werte.“ Sie schlägt vor, landwirtschaftliche Flächen mit naturschutzfreundlichen Agroforst-Konzepten zu bewirtschaften, also etwa Ackerflächen zwischen Hecken aus schnell wachsenden Gehölzen anzulegen. Nötig sei nicht bloß eine Waldnutzungs-, sondern eine Landnutzungswende. So könne Holzproduktion stattfinden, die wichtig für den Artenschutz sei und zugleich gegen Bodenerosion schütze. „Wir müssen nicht alles aus dem Wald holen“, sagt sie. Es gehe darum, den Wäldern mit einem besseren Wassermanagement und Stilllegungen Zeit zu erkaufen, damit sie sich auf die neuen Verhältnisse einstellen könnten.

„Wir müssen uns Zeit erkaufen“ – diesen Satz sagt auch Henrik Hartmann, als er zwischen den kranken Bäumen am Hirschruf steht. Aber er meint etwas anderes als Arnold: „Artenreiche Wälder streuen die Risiken“, sagt er, und natürliche Waldentwicklung sei unsere größte Chance: „Aber langfristig werden wir uns in einigen Regionen von den Wäldern, wie wir sie kennen, verabschieden müssen.“ Das heiße nicht, dass die Baumarten, die jetzt hier wüchsen, komplett verschwinden müssten. Aber sie würden nicht mehr so hoch wachsen, lichter vielleicht. Förster Engeter blickt nach oben. „Aber ein Wald bleibt das“, sagt er, „das ist schon mein Ziel, dass ich den erhalte.“

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