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Reaktionen auf Diabys Parlaments-Rückzug„Wir brauchen Politiker wie ihn“

Mit Karamba Diaby hört einer der wenigen Schwarzen Abgeordneten auf. Wie Kol­le­g*innen aus der Schwarzen Community reagieren.

Karamba Diaby am Kunstmuseum Moritzburg in Halle, 2021 Foto: Harald Krieg / Agentur Focus

Berlin taz | Politiker*innen, Ver­tre­te­r*in­nen migrantischer Verbände und Ak­ti­vis­t*in­nen aus der Schwarzen Community haben mit Bedauern auf den angekündigten Rückzug des SPD-Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby reagiert. Diaby sei eine „historische Person“, sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Awet Tesfaiesus der taz. „Gerade jetzt, zu Zeiten des erstarkenden Rechtsextremismus, brauchen wir Politiker wie ihn, noch dazu in Sachsen-Anhalt“, sagt Karen Taylor, Sprecherin der Bundeskonferenz der Mi­gran­t*in­nen­or­ga­ni­sa­tio­nen (BKMO).

Diaby hatte am Dienstag angekündigt, nicht erneut für den Bundestag kandidieren zu wollen. Künftig wolle er „mehr Zeit für meine Familie, Freundinnen und Freunde sowie unseren Kleingarten haben“, sich aber weiterhin in der SPD engagieren.

Diaby hatte immer wieder rassistische Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen erlebt. Das sei nicht der Hauptgrund für seinen Rückzug, sagte Diaby der taz – „aber es stimmt, so was kann man nicht wegwischen“. Sein Büro in Halle war mehrfach Ziel von Anschlägen, er selbst und seine Mitarbeitenden wurden mit dem Tod bedroht. Auch im Plenum des Bundestags wurde er seitens der AfD rassistisch beleidigt.

Im aktuellen Bundestag sitzen mit Awet Tesfaiesus (Grüne) und Armand Zorn (SPD) nur noch zwei weitere Schwarze Abgeordnete. Dazu kommt noch Harald Weyel von der AfD. Er ist Sohn eines Schwarzen US-Soldaten und einer weißen Deutschen, bezeichnet sich selbst nicht als Schwarz.

Zurecht stolz

Für Tesfaiesus, die 2021 ins Parlament einzog, habe Diaby gezeigt, „dass der Bundestag ein Ort für Schwarze Menschen sein kann“. „Dadurch entstand eine neue Normalität“, so Tesfaiesus. „Auch für mich.“ Dass Diaby den rassistischen Übergriffen, Bedrohungen und Beleidigungen trotzte, nennt Tesfaiesus „bewundernswert“. Für die nächste Legislaturperiode wünscht sie sich, „dass unser Bundestag vielfältiger wird“. Dabei gehe es ihr aber nicht nur um Schwarze Personen, sondern um ein Parlament, dass der Diversität der deutschen Gesellschaft insgesamt gerecht werde.

Auch Armand Zorn sagt, Diaby habe „als erster in Afrika geborener Schwarzer Abgeordneter ein Stück weit deutsche Geschichte geschrieben.“ Zorn ist selbst in Halle an der Saale aufgewachsen, Karamba Diaby sei ein alter Familienfreund. Zorn betont, man dürfe jetzt nicht nur über die Drohungen sprechen: Diaby sei zurecht stolz auf das, was er als Bundestagsabgeordneter geleistet habe, zunächst als Bildungspolitiker, später dann im Bereich Außen- und Entwicklungspolitik. „Aus dem Senegal stammend konnte er mit seinem Wissen und seinen Kontakten viel dazu beitragen, im Globalen Süden das Vertrauen in die Bundesrepublik zu stärken“, sagt Zorn.

Als Schwarzer Mensch in Deutschland Politik zu machen sei jedoch noch immer nicht selbstverständlich und gehe mit „zusätzlichen Hürden“ einher, so Zorn. „Aber Karamba Diaby trägt genauso wie inzwischen Awet Tesfaiesus und ich und wie die Kol­le­g*in­nen auf Landesebene tagtäglich dazu bei, dass das Normalität wird.“

Argyri Paraschaki-Schauer, Vizevorsitzende des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats (BZI), sagte der taz: „Diaby ist nicht nur ein Vorbild für Schwarze Menschen, sondern für alle Personen mit Migrationsgeschichte in Deutschland.“ Bisher gelinge es aber nur Ausnahmepersonen wie Diaby, in die oberen Ebenen des politischen Systems zu gelangen. „Politische Teilhabe bleibt eins der schwierigsten Felder, um Gleichberechtigung zu erlangen.“

Noch etwas macht Paraschaki-Schauer Sorge: Selbst im Bundestag sei es nicht gelungen, Diaby vor rassistischen Angriffen zu schützen. „Wie sollen unsere Mitglieder in den Kommunen dem rassistischen Hass trotzen, wo sie keine Netzwerke und keine starken staatlichen Institutionen im Rücken haben?“

Nicht nur ein Problem von Betroffenen

BKMO-Sprecherin Taylor hat selbst zwei Legislaturperioden lang in Diabys Bundestagsbüro gearbeitet. „Für mich war es 2013 krass zu sehen, dass es einen Schwarzen Abgeordneten im Bundestag gibt“, sagte sie. „Repräsentation auf dieser Ebene war für mich und viele andere Schwarze Menschen in Deutschland der Motivator politisch aktiv zu werden.“

In der Kommentierung der Ergebnisse des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags habe Diaby als einer der ersten klar Stellung gegen Täter-Opfer-Umkehr und Racial Profiling Position bezogen und einen rassismussensiblen Opferschutz eingefordert. „Es ist auch sein Verdienst, das Thema Rassismus als Menschenrechtsthema und gesamtgesellschaftliches Problem zu platzieren statt nur als Problem von Betroffenen“, so Taylor.

Zudem sei Diaby für viele Schwarze Organisationen der erste direkte Draht in den Bundestag gewesen. Viele Organisationen seien 2013 strukturell noch nicht sehr gut aufgestellt gewesen. „Karamba Diaby hat Schwarze Menschen und ihre Organisationen als Akteurinnen ernst genommen“, sagt Taylor. „Er hat institutionelles Wissen mit ihnen geteilt, was den Zugang zu politischen Entscheidungsprozessen erleichtert hat.“

Gleichzeitig sehe sie, was es bedeute, als BPoC Politik zu machen. „Es braucht sehr viel Resilienz, um sich von den vielen Anfeindungen nicht beirren zu lassen“, sagt Taylor. „Noch dazu, wenn es mitunter selbst in den eigenen Reihen schwierig ist, Un­ter­stüt­ze­r*in­nen für rassismuskritische Themen zu finden, und weil man viel Energie darauf verwendet, sich immer wieder zu erklären und zu rechtfertigen.“

Eine Erfolgsgeschichte

Ähnlich sieht es Daniel Gyamerah, Vorsitzender der Empowerment-Organisation Each One Teach One (EOTO) und Direktor des Zentrums für Data-driven Empowerment, Leadership und Advocacy: „Karamba hat eine unglaublich wichtige Rolle gehabt, um Türen zu öffnen und institutionelles Wissen zu teilen, das vielen nicht zugänglich ist“, sagte er. „Wie funktionieren der Bundestag und die Ministerien, wann und wo hat man die Möglichkeit, gehört zu werden?“

Erfolgsgeschichten zu erzählen sei wichtig, „weil das viele auch motiviert selbst aktiv zu werden“, so Gyamerah. Repräsentation allein reiche aber nicht aus: „Diese neuen, vielfältigen und vor allem kritischen Perspektiven müssen sich auch im Programm der Parteien widerspiegeln und dürfen nicht als Feigenblatt dienen, während rechte Narrative übernommen werden“, sagt Gyamerah. „Es ist an der SPD, sicherzustellen, dass bei der nächsten Wahl viele Karambas auf den vorderen Listenplätzen landen, Politik gestalten und neue Türen öffnen.“

Offizielle Zahlen zu Abgeordneten mit Migrationshintergrund gibt es nicht. Laut einer Auswertung des Mediendienst Integration liegt ihr Anteil im Bundestag bei rund zehn Prozent. In den Landtagen sind es teils deutlich mehr, teils aber auch viel weniger: In Berlin, Hamburg und Bremen sind es rund 20 Prozent, in den Ostbundesländern sind es dagegen jeweils nur rund ein Prozent.

Wirklich repräsentativ sind die Parlamente damit nirgendwo: In der deutschen Bevölkerung hatte 2023 etwa jede dritte Person einen Migrationshintergrund. Kriterium für die Einordnung ist dabei, dass eine Person entweder selbst nicht durch Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, oder das auf mindestens ein Elternteil zutrifft.

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5 Kommentare

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  • Auf Instagram wurden mir gelegentlich Statements von Diaby gezeigt, denen ich durchweg zustimmen konnte. Daher hatte ich mich gefreut, ihn als Abgeordneten im Bundestag zu wissen.



    Ich kann verstehen, dass es für ihn besonders schwer ist, bedauere aber sehr, dass er sich zurückzieht. Hoffentlich rücken ähnliche Abgeordnete nach.

  • Die SPD befinmdet sich in Sachsen Anhalt im freien Fall. Sein Direktmandat aus dem letzten Wahlkampf ist sowieso nicht mehr erreichbar. Eher geht die SPD noch ganz unter 5%. Da erscheint mir ein Rückzug menschlich nur allzu verständlich, da es hier sowieso nichts zu gewinnen gibt in der nächsten BTW.

    • @Šarru-kīnu:

      Obwohl Diaby in Halle wirlich sehr geschätzt wird und gerade auch von Leuten, die sonst eher nicht für die ehemaligen Sozialdemokraten stimmen würden, gewählt wird bzw. wurde.

  • Diaby wirkt aktiv an der Demokratie mit. Das ist freiwillig und viele andere tun das auch. Ich finde es gut, wenn Politiker die Politik nicht als Amt auf Lebenzeit verstehen und Platz machen für Nachfolger. Wenn der Umgang mit ihnen aber nicht besser wird, gibt es nur noch Schausspieler mit Profineurosen, die das machen wollen. Normale Leute gehen lieber arbeiten, oder machen richtig Kohle.

  • Schade, aber man kann es ihm nicht verdenken. "Mehr Zeit für seine Familie zu haben" und Zeit mit Freunden zu verbringen ist wichtiger als alles andere.