Umgang mit der Hamas: Der blinde Fleck der Antizionisten

Weder die Hamas noch die Palästinensische Autonomiebehörde stehen für Menschenrechte oder Freiheit. Die Sicht der postkolonialen Blase ist oft zu einseitig.

Eine nackte Demonstrantin mit pro-Palästina-Aufklebern auf den Brustwarzen

Mit diesem Outfit könnte die Person wohl nicht einfach so durch Gaza-City spazieren Foto: Quetzalli Nicte-Ha/reuters

„Free Palestine“ ist ein Slogan, mit dem man nicht nur einen politischen Willen formuliert, sondern ein ganzes Weltbild transportiert und anzeigt, in welchem Sessel man im geopolitischen Salon sitzt, denn von wem Palästina befreit werden soll, liegt auf der Hand. Doch wie soll dieses freie Palästina denn eigentlich aussehen?

Man gewinnt den Eindruck, Palästina sei durch die postkoloniale Wahrnehmung und aufgrund seines Status als unterdrücktes Land moralisch integer und dementsprechend über alle humanitären Zweifel erhaben. Israel gilt als der alleinige Aggressor. Keine Besatzung = keine Hamas, so die verkürzte Gleichung. Warum fällt es der postkolonialen Blase nur so schwer, die Mächtigen Palästinas in die Kritik einzuschließen?

Drei politische Köpfe der Hamas verfügen zusammen über ein Vermögen von rund 11 Milliarden US-Dollar, während 53 Prozent der Bewohner des Gazastreifens in Armut leben. Bewaffneter Widerstand ist die Kernkompetenz der Hamas, aber damit nimmt sie eine Millionenbevölkerung ideologisch in Geiselhaft. Die Hamas blutet die eigene Bevölkerung aus, anstatt der überwiegend jungen Bevölkerung Sicherheit und Perspektiven zu bieten.

Ein Artikel der Times of Israel vom 11. Juni gibt Einblick das Nullsummenspiel der Hamas, nach welchem höchstmögliche zivile Opferzahlen in Gaza förderlich für sie seien. Abweichung oder gar offener Widerspruch gegen die Hamas-Doktrin werden unterdrückt. Die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland steht dem kaum nach. Es gibt keine unabhängige Opposition, JournalistInnen können nicht kritisch gegen die Führung berichten oder werden ermordet, wie der Journalist Nizar Banat.

Tatsache ist: Palästina und Israel müssen sich gegenseitig etwas anbieten, um zum Frieden zu finden. Und die Machthaber Palästinas müssen dem Wunsch ihres Volkes nach Menschenrechten, Freiheit und Würde nachkommen. Gerade dieser Umstand bleibt bedauerlicherweise ein blinder Fleck in der antizionistischen Sphäre.

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ist Konflikt­ethnologe, Veranstalter und Kulturnetzwerker. Er lebt seit 12 Jahren in Leipzig und verbringt viel Zeit in Israel und Palästina.

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