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Haushaltsentwurf der AmpelkoalitionAuf dem Rücken der Vergessenen

In der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe soll stark gekürzt werden. Das trifft vor allem Länder, für die wenig gespendet wird.

Eine Frau sammelt Wasser in einem Lager für Binnenflüchtlinge im Kongo: Dort sollen laut Caritas ab August Hilfs­projekte enden Foto: Wang Guansen/Xinhua/imago

BERLIN taz | Bei der Humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit wird in dem Entwurf zum Haushalt 2025 stark gekürzt. Kommende Woche soll dieser vom Kabinett beschlossen werden. Während das Verteidigungsministerium eine Milliarde mehr erhält, sind im Bundesentwicklungsministerium (BMZ) rund eine Milliarde weniger vorgesehen. Auch im Auswärtigen Amt (AA) sollen hunderte Millionen gespart werden.

Starke Kürzungen gab es bereits 2022 und 2023. Kommt der Haushalt durch, wäre das Budget für Humanitäres innerhalb dieser Legislaturperiode um ein Viertel gekürzt. „Immerhin ist es gelungen, handlungsfähig zu bleiben“, sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) am Montag. Gleichzeitig wisse sie, dass die Bundesregierung eigentlich noch viel mehr tun sollte. Entwicklungshilfeorganisationen schlagen hingegen Alarm.

„Wir erleben eine weltweite Krise der Demokratie“, sagte Dagmar Pruin, Präsidentin der christlichen Entwicklungsorganisation Brot für die Welt bei der Vorstellung des Jahresberichts am Donnerstag in Berlin. Entwicklungszusammenarbeit sei ein wichtiger Schlüssel, um dem Vormarsch von Autokratien entgegenzuwirken. Ihre Partnerorganisationen beschreiben, was es für sie bedeutet, wenn der Globale Norden seine Investitionen zurückfährt: „Die Schwächsten der Gesellschaft werden noch mehr an den Rand gedrückt“.

Bei den Kürzungen gehe es nicht um abstrakte Zahlen, sondern „sehr konkret um Menschen“, betont am Mittwoch auch die christliche Hilfsorganisation Caritas auf ihrer Jahreskonferenz in Freiburg. „Unsere Mitarbeitenden sind zu 99 Prozent lokale Helferinnen und Helfer. Sie stehen vor Ort mit ihrem ganzen Leben im Kreuzfeuer“, so deren Präsidentin Eva Welskop-Deffaa. „Nicht wenige haben selbst ihre Wohnung verloren, mussten vor Gewalt und Krieg fliehen“. Die Organisation rechnet mit einem Einbruch von 30 bis 40 Prozent an Geldern auf Grund der Budgetkürzungen im AA und BMZ.

Einen Antrag von 4,3 Millionen Euro für die Humanitäre Hilfe in Gaza lehnte das Auswärtige Amt kürzlich mit Verweis auf die Unsicherheit im Haushalt ab. „Das ist sehr bitter“, sagte Welskop-Deffaa, denn dort gebe es einer der größten humanitären Katastrophen dieser Zeit. „Die 90 bis 100 Lastwagen, die im Durchschnitt täglich mit Hilfsgütern in das Krisengebiet hineinkommen, sind viel zu wenige.“ Das sei nicht einmal ein Fünftel der Ladungen, die vor dem Krieg in den Gazastreifen kamen.

Die Ampel wollte ihre Ausgaben erhöhen, jetzt könnten sie um insgesamt ein Viertel gekürzt werden

Gleichzeitig ist der Bedarf massiv gestiegen. UN Schätzungen zu Folge sind rund 2 Millionen Menschen vertrieben. Auch drei Mitarbeitende der Caritas seien seit Beginn des Kriegs ums Leben gekommen. Nur zwei von 50 Mitarbeitenden lebten noch in ihren Häusern, berichtet die Organisation. Gleichzeitig gibt es zu wenig Spendeneinnahmen, um den gestiegenen Bedarf zu decken. Für „politisch aufgeladene“ Kriege würde deutlich weniger gespendet als etwa für Opfer von Natur­ka­tas­tro­phen, so Welskop-Deffaa. Rund 60 Prozent der 110 Millionen Euro, die Caritas 2023 ausgegeben hat, stammen von Spender*innen.

Die Kürzungen in der Humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit treffen aber besonders Länder, für die es wenig Spenden gibt. Denn die Finanzierungslücke wird meist mit öffentlichen Mitteln beglichen. Das ergab auch eine Umfrage vom Verband der Entwicklungsorganisationen Venro vom Mai von 150 Organisationen, die in der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit tätig sind. Dazu gehören vor allem „vergessene Krisen“: Angola, die Demokratischen Republik Kongo, Burundi und Burkina Faso etwa, die wenig öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. Auch Lateinamerika sei betroffen. Die Angriffe auf die Zivilgesellschaft in den autoritären Staaten Nicaragua, Venezuela oder El Salvador geschehe weitgehend abseits der Medienöffentlichkeit. Dadurch gerate die zivilgesellschaftliche Arbeit doppelt unter Druck, heißt es in dem Bericht: „Es wird weniger gespendet, obwohl die Arbeit schwieriger geworden ist.“

Caritas bestätigt die Lage: Im Kongo sollen ab August Hilfsprojekte enden, die 150.000 Menschen mit mobilen Kliniken, Latrinen und Trinkwasser versorgt haben. „Unsere Gesprächspartner im Auswärtigen Amt sehen den großen Hilfebedarf“, sagt Oliver Müller, der Leiter von Caritas international. Aber ihnen fehlen nach den Budgetkürzungen durch das Finanzministerium schlichtweg die Mittel. Das sei fatal. Denn auch „im Sinne unserer eigenen Stabilität“ müsse daran gelegen sein, Krisenländer „nicht weiter zu destabilisieren“.

Dagmar Pruin von Brot für die Welt warnt vor Deutschlands „Schneckenhaus-Mentalität“, die ein „erschreckendes Ausmaß“ angenommen habe. Die Präsidentin der evangelischen Entwicklungsorganisation verweist auf einen „jahrzehntelangen überparteilichen Konsens, dass Deutschland eine starke Entwicklungspolitik braucht“ – begründet aus seiner gewaltvollen Geschichte und der „Notwendigkeit von Kooperation und Partnerschaft“.

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien hieß es noch, Deutschland werde Mittel für humanitäre Hilfe „bedarfsgerecht verstetigen und erhöhen“, auch mit Blick auf die sogenannten vergessenen Krisen. Und: Die Gelder für Krisenprävention, Humanitäre Hilfe und Ent­wicklungszusammenarbeit sollen im gleichen Maße wie die Ausgaben für Verteidigung steigen. Dort ist auch von „internationaler Abrüstung und Rüstungskontrolle“ die Rede.

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9 Kommentare

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  • Deutschland ist das zweitgrößte Geberland weltweit und "was den Prozentsatz am Volkseinkommen anbelangt und was Pro-Kopf-Ausgaben anbelangt, der größte Geber" aller 7-Staaten überhaupt.



    Wir sind der einzige G7 Staat der die ODA-Quote erfüllt (=Official Development Assistance). Die liegt bei 0,7% und Deutschland erreichte zuletzt 0,79%.



    www.mdr.de/nachric...ungshilfe-100.html



    Nebenbei nehmen wir noch jedes Jahr den Löwenanteil aller Migranten auf die die EU erreichen, was eine weitere immense finanzielle Belastung darstellt.



    2023 stellten über 350.000 Menschen einen Asylantrag in Deutschland während beispielsweise Japan weder die ODA-Quote erfüllte und sich nur mit 13.000 Asylanträgen konfrontiert sah - von denen es übrigens genau 5% positiv beschieden hat...



    Unsere Wirtschaft lahmt, Brücken bröseln, Schulen verrotten, Züge schleichen - das passt nicht zu Rekordausgaben in der Entwicklungshilfe. Überdies stehen Länder wie China und Indien noch bei uns auf der Empfängerliste - es kann nicht sein das wir Länder unterstützen die aus eigener Kraft zum Mond fliegen während hier Schüler in vergammelten Schulen darben

    • @Farang:

      Ist Demokratieförderung in Indien und China nicht eher etwas wie weiche Außenpolitik?

      Und das Geld wäre hier da: Deutschland ist eins der wenigen Länder in der EU, die keine Vermögenssteuer erheben. Das macht 10-30 Milliarden Euro pro Jahr aus.

      • @Arne Babenhauserheide:

        Natürlich ist das weiche Außenpolitik, ob die allerdings in Milliardenhöhe für Raumfahrtnationen ausfallen muss, die - im Falle von China - auch noch aktiv Russland in ihrem barbarischen Angriffskrieg unterstützen und - im Falle von Indien - sich dumm und dämlich verdienen am Weiterhandel mit russischem Öl und zuletzt fröhlich auf Staatsbesuch in den Kreml fliegen, sollte dann allerdings schon mal äußert kritisch auf den Prüfstand 🤷‍♂️

  • "...Mittel für humanitäre Hilfe „bedarfsgerecht verstetigen und erhöhen“, auch mit Blick auf die sogenannten vergessenen Krisen."



    Vorboten des "Unheils":



    www.zeit.de/wirtsc...bilanz-dirk-niebel



    Hatte das Motto internalisiert:



    "Den Menschen treibt die Gier, und wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht"



    [Milton Friedman, US-Nobelpreisträger, Vordenker für eine weitgehend schrankenlose Marktwirtschaft]

  • Es ist schon ein Skandal, dass Rechtsnarrative wie "Fahrradwege in Peru" in der Öffenltlichkeit gut ankommen.

    Jene Fahrradwege waren kreditfinanziert, und wurden von Peru mittlerweile zurückgezahlt.

  • Fehlt das Geld, oder der Ertrag aus der Arbeit? Wenn selbst aus den Empfängerländern ein Ende der Entwicklungshilfe gefordert wird.

  • Das mit den Kürzungen ist natürlich sehr bedauerlich. Auf der anderen Seite würde es mich natürlich auch interessieren wofür das ganze Geld das in den letzten Jahrzehnten bereits in diese Länder geflossen ist wurde. Ich erninnere mich noch gut an die kleinen Pappspenden Boxen die man uns als Kindern Ende der 70er Jahre in der Vorweihnachtszeit gegeben hat um für Misseor oder eben Brot für die Welt zu spenden. Naja das ist jetzt über 40 Jahre her.



    Hier wird nur gesagt was mit dem Geld gemacht werden soll, ich fände es spannender zu erfahren was bisher gemacht wurde.

    • @Legion72:

      Was gemacht wurde bzw. wo/wie Entwicklungshilfe geleistet wird, lässt sich hier nachlesen:



      www.transparenzportal.bund.de/de

    • @Legion72:

      Diese Antwort wurde mich auch interessieren.



      Das wäre wirklich sehr interessant.