piwik no script img

Hamburger FDP-Abgeordnete wechseltDie CDU hat eine Frau gefunden

Anna von Treuenfels-Frowein war jahrelang das Gesicht der Hamburger FDP. Nun wechselt sie rüber zur Männerriege der CDU, die von einem „Coup“ spricht.

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft? Dennis Thering und Anna von Treuenfels-Frowein (nun beide CDU) Foto: Ulrich Perrey /dpa

Hamburg taz | Das Grinsen von Dennis Thering war besonders breit am Donnerstag. „Ich freue mich sehr, dass uns als CDU Hamburg ein wirklicher Coup gelungen ist“, sagte der Landes- und Fraktionschef der Christ­de­mo­kra­t:in­nen und übertrieb mit seinen Worten nicht: Das bekannteste Gesicht der Hamburger FDP tritt nämlich aus der Partei aus und wechselt zu Therings CDU.

Anna von Treuenfels-Frowein soll hinter Thering die CDU im Wahlkampf für die bald anstehende Bürgerschaftswahl in Hamburg anführen. Es sei ihr wichtig, „dass eine starke bürgerliche politische Mitte geschlossen und entschlossen zusammensteht“, erklärte Treuenfels-Frowein am Donnerstag. Während unklar ist, wie sich die ohnehin darbende Hamburger FDP davon erholen soll, löst Thering mit dem Coup gleich zwei große Probleme seiner Landespartei.

Erst am Vormittag war sie aus der FDP ausgetreten, um umgehend den Mitgliedsantrag bei der CDU zu unterschreiben. Doch klar ist schon, dass von Treuenfels-Frowein Platz zwei der CDU-Landesliste bei der Bürgerschaftswahl am 2. März kommenden Jahres einnehmen soll.

Sie sei eine „richtig starke Persönlichkeit, die perfekt in das Gefüge der CDU passt“, sagte Thering, der sich nun einen Schub für seine Partei durch die „stärkste und profilierteste liberale Stimme in unserer Stadt“ erhofft. Seit 13 Jahren schon ist von Treuenfels-Frowein Mitglied der Bürgerschaft.

Und 15 Jahre lang war von Treuenfels-Frowein Mitglied der FDP. Der Austritt sei „das Ergebnis eines längeren Prozesses, den ich mir nicht leicht gemacht habe“, sagte sie. „Aber ein Schritt, den ich mit voller Überzeugung gehe.“ Kritik an ihrer alten Partei äußerte sie mit Blick auf die Bundespartei. Dass die FDP in der Ampel-Koalition mit SPD und Grünen etwa beim Bürgergeld, bei schnelleren Einbürgerungen oder bei der Cannabis-Liberalisierung mitgegangen sei, könne sie nicht mehr vertreten.

Hamburger FDP ohne Zugpferd

Dabei dürfte es aber nicht nur an der Bundespartei gelegen haben: Hamburgs FDP-Landesvorsitzende Sonja Jacobsen sprach nach von Treuenfels-Froweins Austritt von einer Entfremdung zwischen dieser und der Partei, die „in den letzten Jahren deutlich zu spüren“ gewesen sei. Dabei war von Treuenfels-Frowein besonders in den vergangenen vier Jahren das einzig nennenswerte Gesicht der FDP auf Landesebene.

Bei der vergangenen Bürgerschaftswahl scheiterte die FDP knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Nur weil von Treuenfels-Frowein ein Direktmandat gewann, war die FDP, wenngleich nicht mehr als Fraktion, im Parlament vertreten.

Für die FDP dürften die Chancen auf den Wiedereinzug in die Bürgerschaft noch mehr als ohnehin schon auf der Kippe stehen. Bei der Wahlumfrage im Februar stand die FDP bei wackeligen fünf Prozent. Zwar sitzt mit Sami Musa nun noch ein FDP-Mitglied als Abgeordneter in der Bürgerschaft.

Doch dass er als Zugpferd für die Wahl herhalten kann, ist unwahrscheinlich: Nicht nur war er erst im Laufe der aktuellen Legislatur von der SPD zur FDP gewechselt. Auch blieb der 40-Jährige neben von Treuenfels-Frowein seither blass.

Für die CDU hingegen räumt Thering mit der Personalie gleich zwei Probleme vorläufig ab: Durch von Treuenfels-Frowein rückt eine Frau in die vorderste Männerriege der CDU-Fraktion. Seit der vergangenen Wahl ist die Fraktion extrem männerlastig: Nur drei von 15 Abgeordneten sind Frauen – und sie gehören nicht zu den in der Öffentlichkeit primär Wahrgenommenen.

CDU will mal wieder regieren

Zum anderen hat Thering offen das Ziel erklärt, die CDU wieder in die Landesregierung führen zu wollen. Dass die CDU an der SPD vorbeikommt, ist zwar unwahrscheinlich. Und dass die SPD, falls sie die Auswahl hat, lieber mit der CDU statt weiter mit den Grünen regieren wollen wird, ebenso.

Doch sind SPD und Grüne der letzten Wahlumfrage nach massiv eingebrochen, sodass eine rot-grüne Merheit wackelt. Mit von Treuenfels-Frowein, so dürfte Thering hoffen, könnten die wenigen, aber wichtigen Stimmen aus dem liberal-konservativen Lager nun bei der CDU landen statt bei der FDP. Dann wäre eine Mehrheit ohne die CDU nur schwer zu bewerkstelligen.

Um darauf in ihrer neuen Partei hinzuarbeiten, muss von Treuenfels-Frowein nicht auf den offiziellen Start des Wahlkampfs im Herbst warten: Am Montagmorgen werde die Fraktion zu einer Sondersitzung zusammenkommen, erklärt Tim Schmuckall, Sprecher der CDU-Fraktion.

Einziger Tagesordnungspunkt: Die Aufnahme von Treuenfels-Frowein in die Fraktion. Dann muss sie in der Bürgerschaft nach vier Jahren nicht mehr in der letzten Reihe sitzen, wo die Fraktionslosen ihre Plätze zugewiesen bekommen haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Anna von Treuenfels-Frowein wird die CDU nur in einer Koalition bei der Bildung einer Regierung unterstützen können, weil die CDU in Hamburg sehr schwach ist, sie kam 2020 auf 11 Prozent, zuvor waren es aber auch nur 15,9 Prozent gewesen.

    Kurz: Die CDU ist in Hamburg keine Volkspartei, sondern eine kleine bürgerliche Partei.

    Und das ändert sich durch den Zugang von Anna von Treuenfels-Frowein eben nicht.

    Die ist auch bürgerlich, ja, sie weiß, was sie in der Bürgerschaft tut, stimmt, reicht das, nein.

    Es reicht eben nicht.

    Die CDU hat Krankenhäuser und städtische Immobilien, staatliche Unternehmen verhökert, hat mit der Elbphilharmonie einen teuren, aber weitestgehend überflüssigen Konzertsaal bauen lassen, hat dazu noch die teuerste U-Bahn Europas gebaut.

    Man kann viel über die CDU schreiben, alles mehr oder weniger zum Nachteil von Hamburgern. Die Schulreform: Eine Katastrophe, die Stadtteilschule hat das erfolgreiche Gesamtschulsystem verdrängt, die Folge sind Abgänger, die nicht in der Lage sind, eine Ausbildung zu schaffen.

    Und nun soll Anna von Treuenfels-Frowein die CDU puschen? Ja, was soll sie denn bringen?

    Ist das nicht naiv?



    Funktioniert das wirklich so?

  • taz *Anna von Treuenfels-Frowein war jahrelang das Gesicht der Hamburger FDP. Nun wechselt sie rüber zur Männerriege der CDU, die von einem „Coup“ spricht.*

    Anna von Treuenfels-Frowein ('Treuenfels ist der Name eines mecklenburgisch-preußischen Adelsgeschlechts') ahnt wohl schon, dass die FDP ein untergehendes Schiff ist und wechselt jetzt zur CDU. Tja, so sind sie, unsere "Volksvertreter", denen man nun wirklich kein Eigeninteresse (politische Karriere, etc.) unterstellen kann, da sie ja nur zum "Wohle des ganzen Volkes" Politik machen.

  • Ein klassischer Fall von vorsorgender Karriereplanung. Außerdem bestimmt in der CDU eh der Vorsitzende wer welchen Platz auf der Liste erhält, da muss man sich nicht um Mitglieder kümmern. Der Mangel an kompetenten Frauen in der CDU besteht seit Jahrzehnten, in der Hamburger CDU wurde vor Jahren eine kompetente Frau vom Boys Netzwerk , weggerissen. Vielleicht sollte die CDU mal überlegen, warum es so ist und wie Mann das ändern kann. Demokratie und Umgang miteinanderspielen da eine große Rolle.

  • Die CDU ist die Partei der Erben (altes Geld), die FDP ist die Partei der Leistungsträger (neues Geld).

    Passt also.

    • @Pi-circle:

      Ähem, Leistungsträger? Ist mir weder bekannt, dass die FDP PflegerInnen, Arbeiter, Dienstleister (Leistungsträger halt) fördert mit ihrer Politik, noch, dass sie gegen das geerbte leistungslos erhaltene Geld von Leuten wie den Quandts oder das leistungslose Vermögen von Aktienmillionären vorgeht.

      Nö nö, das passt super zusammen mit der CDU. Die haben zwar gesellschaftspolitisch antiquierte Ansichten, während die FDP eher an wirtschaftlicher und klimapolitischer Stelle rückwärtsgewandt ist, aber das wird auch von Parteimitglied zu Parteimitgliederin variieren.

  • Zuerst Melis Sekme jetzt



    Treuenfels-Frowein

    wie ich schon sagte, die Liste wird bis 2025 noch länger werden.

  • Auch diese Begebenheit erweckt sehr deutlich den Anschein, dass es ausschließlich um die persönliche Karriere geht. Das war ähnlich bei dem Übertritt der GRÜNEN zur CDU vor Kurzem im Bundestag. Sowohl GRÜNE als auch FDP werden im nächsten Parlament wahrscheinlich weniger Sitze gewinnen und da ist sehr willkommen, wenn man sich absichert indem man die aussichtsreichere Variante aussucht. Eine politische Einstellung ist dabei völlig irrelevant - das persönliche Fortkommen ist ausschlaggebend. Charakter, Ehrlichkeit - wozu? Und die profitierene CDU ebnet gerne den Weg, es lässt sich wunderbar ausschlachten....

  • Das FDP- Schiff scheint endlich zu sinken...! 😁

    • @Gerald Stolten:

      Man kann nur hoffen, dass dies nicht der Fall ist. Die FDP ist die einzige Partei in der Koalition, die hier noch einigermassen für Stabilität sorgt.

      Andererseits kann ich Frau von Treuenfels-Frowein verstehen.



      In Ihrer Erklärung für den Wechsel teilte Sie als Gründe ja mit, dass Sie das schwache Rückgrat der FDP gegenüber SPD und Grünen nicht länger mittragen kann.

      • @Andere Meinung:

        Die FDP sorgt für Stabilität in der Koalition? Ist damit die Stabilität des Verhinderns, der Bevorzugung der eigenen Klientel, das Missachten von Verträgen gemeint? Der unglaubliche Populismus?

      • @Andere Meinung:

        " Die FDP ist die einzige Partei in der Koalition, die hier noch einigermassen für Stabilität sorgt."



        - Meinen Sie damit die Blockadehaltung Lindners gegen alle vernünftigen Vorscläge zu Zukunftsinvestitionen ??

        "In Ihrer Erklärung für den Wechsel teilte Sie als Gründe ja mit, dass Sie das schwache Rückgrat der FDP gegenüber SPD und Grünen nicht länger mittragen kann." 🤣🤣🤣

        🐀🐀🐀

        • @Gerald Stolten:

          dieses Land hat kein Einnahmenproblem sondern ein Ausgabenproblem