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Chinesische E-Autos aus der TürkeiStrafzölle ausgehebelt

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Mit der Produktion von E-Autos in der Türkei umgeht China die Strafzölle der EU. Sinnvoller wäre die finanzielle Förderung europäischer E-Autos.

Bald auch in der Türkei: Produktion von BYD Elektrofahrzeugen, hier in Thailand Foto: Chalinee Thirasupa/reuters

E s ist ein echter Coup, den der chinesische Autobauer BYD jetzt in der Türkei gelandet hat. Aus einem großen Werk in der Westtürkei wird der führende chinesische Hersteller von E-Autos neben der Türkei auch den europäischen Markt beliefern. Das ist deshalb eine besondere Nachricht, weil BYD so Strafzölle, die die EU voraussichtlich ab kommendem Herbst bei der Einfuhr chinesischer Elektroautos dauerhaft erheben wird, umgehen kann.

Dank der Zollunion mit der Türkei sind Autos, die aus der Türkei in die EU exportiert werden, von Zöllen ausgenommen. BYD baut noch ein weiteres Werk für E-Kleinwagen in Ungarn, damit werden die EU-Strafzölle gegen den größten chinesischen Elektroautokonzern ins Leere laufen. Die beiden Beispiele zeigen, dass Protektionismus in aller Regel keine besonders gute Idee ist, schon gar nicht, wenn es darum geht, die EU im Windschatten der USA in einen Wirtschaftskrieg mit China zu manövrieren.

Selbst die deutschen Autobauer, die ja angeblich durch Strafzölle geschützt werden sollen, wissen das und sind allein deshalb dagegen, weil sie selbst nach wie vor einen großen Teil ihres Profits in China erwirtschaften. Anstatt Strafzölle zu erheben, sollte die EU wieder zu dem Konzept zurückkehren, Elektromobilität und den Verkauf von einheimischen Elektroautos finanziell zu unterstützen.

Das nützt den europäischen Autoherstellern bei der Umstellung von Verbrennern auf E-Autos und dient dem europäischen und weltweiten Kampf gegen die immer brutaler werdende Erderwärmung. Je preiswerter Elektroautos sind, egal wo sie herkommen, desto besser sind unsere Chancen, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Strafzölle für preiswerte Elektroautos sind da doch das dümmste Mittel.

Auch wenn sich die Türkei und Ungarn innerhalb der EU und der Nato oft irritierend und/oder kontraproduktiv verhalten, bei der Zusammenarbeit mit China liegen sie richtig. Je mehr chinesische Konzerne sich in Europa engagieren, desto mehr hat China zu verlieren, wenn es tatsächlich versuchen sollte, Taiwan militärisch zu erobern.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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15 Kommentare

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  • Als "Billigware" sind Produkte "Made in China" schon lange nicht mehr zu betrachten. Wäre in Westeuropa die Herstellung von E-Autos im Kleinwagen- und Mittelklasse-Bereich schon immer staatlich unterstützt worden, z.B. durch Steuer-Ermäßigungen bei der Material-Beschaffung und der Akku-Herstellung, wäre der Preisunterschied zu den E-Autos "Made in China" weniger groß geworden. Da kann man sich doch fragen: "Haben die hier Verantwortlichen die Notwendigkeit der Umstellung noch nicht ganz verstanden?"

  • "Selbst die deutschen Autobauer, die ja angeblich durch Strafzölle geschützt werden sollen, wissen das und sind allein deshalb dagegen, weil sie selbst nach wie vor einen großen Teil ihres Profits in China erwirtschaften."

    Das Argument greift zu kurz. Die Entwicklung des Handels mit China zeigt, dass deutsche Unternehmen nicht immer (langfristig) rational handeln. Wenn man sieht, wie sich die deutsche Wirtschaft von chinesischen Unternehmen mit der Aussicht auf kurzfristige Gewinne langfristig die Butter vom Brot nehmen lassen hat, dann sollten Einfuhrzölle ernsthaft diskutiert werden, wenn chinesische Subventionen die eh schon niedrigeren Produktionskosten in China künstlich noch niedriger halten. Das ist genau die Haltung, die dazu geführt hat, dass China langsam aber sicher mit westlicher Technologie Sektor nach Sektor übernimmt.

  • Der Begriff "Kaufprämie" anstatt "Käuferprämie" für E-Autos wurde ja ehrlicherweise so gewählt, da sich die Automobilhersteller den größten Schluck aus der Pulle nehmen. Das sah man daran, dass nach dem Wegfall der Prämie die Kosten für E-Autos um die Prämienhöhe gesunken sind.



    Nichts anderes wird eine neue Prämie für E-Autos bringen, nur mehr Gewinne für die Automobilindustrie und keinen Druck, kostenseitig und innovationsseitig etwas zu verändern.

  • Erstmal, das sind keine Strafzölle sondern Einfuhrzölle, die es auch für China schon lange gibt. Ich glaube bei Kfz waren die jetzt zehn Prozent. Da ändert sich also gar nicht so viel.



    Das BYD jetzt in der Türkei oder Ungarn produziert ist ja gut, die Produktion soll ja nach Europa kommen. Das ist eigentlich ein Zeichen, dass das System funktioniert.



    Zweitens sind keine bösen Mächte im Spiel, die uns in einen Konflikt mit China ziehen wollen. Der ist schon längst da. China ist ein Hegemon, der wirtschaftliche Stärke nutzt, um andere Staaten sein nen Willen auf aufzuzwingen.



    Deswegen wehren sich viele Staaten und auch die EU mit den entsprechenden Maßnahmen.



    Das hat auch erst einmal nix mit den USA zu tun.



    Ich bin jetzt auch kein USA-Fan, allerdings haben diese uns von der Nazi-Herrschaft befreit und wir haben bis heute unsere Sicherheit dort ausgelagert.



    Wer keinen Bock auf NATO und USA hat, muss dann selber schauen, wie er klar kommt.



    Oder läuft es mehr auf eine Unterwerfung unter China und Putin hinaus?



    Das gerade Linke so einen Hang zu Diktaturen haben kann ich nicht verstehen.

    • @Surfbosi:

      "Ich glaube bei Kfz waren die jetzt zehn Prozent. Da ändert sich also gar nicht so viel."

      Von 10 auf bis zu 37,6% ist nicht viel???

      "China ist ein Hegemon, der wirtschaftliche Stärke nutzt, um andere Staaten sein nen Willen auf aufzuzwingen."

      Aha. Und was macht China da anders als andere wirtschaftlich starke Staaten? Mir fallen da gleich Einige ein. Ein Staat fällt besonders auf. Er fängt mit U an 😉

  • Beispiele für die Logik von Wirtschaftsexpertise:

    - Gehälter, Löhne und Renten an die Inflationsrate zu koppeln, ist ein ganz schlechte Idee

    - Index-Mieten die mit der Inflation steigen sind eine super Idee

    - Das Rentenmodell aus der Schweiz kann man nicht übertragen, weil da muss man das ganze Gefüge aus Steuern, Abgaben usw. betrachten

    - Die Chinese subventionieren ihre E-Auto-Produktion, weit das dortige Gefüge aus Kosten, Steuern, Abgaben und Subventionen mit dem in der EU identisch ist

  • Die Zölle haben doch gewirkt. Es wird ein Werk in Ungarn aufgebaut. Arbeitsplätze in der EU sind doch das, was mit den Strafzöllen geschützt werden soll.



    Und die Preise bleiben trotzdem unten, weil China weiter massiv subventioniert.



    Ich nenne das eine win win Situation.

    • @Herma Huhn:

      "Und die Preise bleiben trotzdem unten, weil China weiter massiv subventioniert."

      Ganz so ist es nicht. Für Werke in Ungarn kommen die Subventionen aus der EU.

      Aber wichtig ist vor allem, dass bezahlbare E-Autos auf den Markt kommen. Und wenn's geht keine halben Panzer, sondern Autos für Durchschnittsbürgerinnen.

  • Das Problem sind nicht die Chinesen. Das Problem ist, dass die deutschen Autokonzerne glaubten noch viele Jahrzehnte am Verbrenner festhalten zu können, während Elon Musk und die Chinesen rechtzeitig auf den richtigen Zug aufgesprungen sind.Nun liegen die wichtigsten Batterie- und E-Autopatente bei Telsa und den Chinesen und die deutschen Konzerne müssen das Rad neu erfinden. Und weil sie von den Chinesen abhängig sind, sind sie gegen die "Schutzzölle", denn es wären für VW&Co. eher Eigen-Strafzölle, das sie auch kräftig aus China importieren.

    • @Rudi Hamm:

      Die deutschen haben kein Interesse, weil die Chinesen derzeit keine Konkurrenz sind. Viele der chinesischen Autos sind extrem teuer. Wenn jemand bereit ist 70.000 für ein Auto auszugeben, kauft der dann einen BMW der 72.000 oder einen vergleichbaren BYD für 67.000? Er wird den BMW kaufen, da es in diesen Sphären nicht auf 5000 ankommt und BMW halt was Fahrwerk und Co. angeht sicher besser ist.

      Spannender ist es beim Fiat 500e Peugeot 206e. Dort kommt es auf drei, vier tausend Euro an. Interesse hat daher eher die französische Automobilindustrie an den Zöllen. Die deutsche hat hier (heute) weder Konkurrenz noch sonst was zu fürchten. Technisch sind alle noch am Sprünge machen. Problematisch ist die Rohstoffsituation und der Energiepreis.

    • @Rudi Hamm:

      So ist es. Aber in D neigt man nun mal dazu, die Welt eifrieren zu wollen. Blos keine Veränderung.

  • "Je mehr chinesische Konzerne sich in Europa engagieren, desto mehr hat China zu verlieren, wenn es tatsächlich versuchen sollte, Taiwan militärisch zu erobern."

    Nicht mal ein Verlust des defakto-Monopols der Gasversorgung - zumindest in D - konnte Rußland vom Versuch, die Ukraine zu erobern, abhalten.

    • @0 Substanz:

      China ist nicht ganz so stark auf eine ein-Personen-Herrschaft ausgerichtet, wie Russland. Daher kann ein einzelner, der eine fixe Idee verfolgt, nicht ganz so weit kommen, wenn er anderen Interessen schadet. Daher sehe ich es etwas anders. Eine Garantie ist das nicht - aber die gibt es nie.

    • @0 Substanz:

      Richtig. "..., desto größer wären die Schmerzen der Europäer, China mit weiteren Sanktionen zu belegen." müsste es richtig heißen.

    • @0 Substanz:

      So ist es. Das Primat ist nicht wirtschaftlich sondern politischer Natur.