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Deutschlandfahne und PatriotismusDer Hund unter den Fanartikeln

„Der will nur spielen“, sagen Hundemenschen oft. Wer die Tiere nicht mag, versteht diese Aussage als Ignoranz. So ist es auch bei Flaggen-Patriotismus.

Auf den Hund gekommen mit Vuvuzela in Schwarz-Rot-Gold Foto: Martin Dziadek/imago

Es gibt diese Begegnung immer wieder. Ja, sie gehört quasi zum nationalen Alltag der Bundesrepublik. Da spaziert ein Mensch mit Hund durch den Park oder über die Straße, das Tier ist an der Leine oder auch nicht. Dann kommt ein anderer Mensch, alleine, jung oder alt, manchmal mit Kindern an der Hand und zuckt ein wenig. Geht zur Seite. Zum Selbstschutz.

Sofort sagt der Mensch mit dem Hund immer diesen einen Satz: „Keine Angst, der will nur spielen.“ Er ist freundlich gemeint. Sicherheitsspendend. Und doch kann und wird er von der anderen Seite nur auf eine Art gelesen: als Ausdruck kompletter Ignoranz. Weil sich Hun­de­be­sit­ze­r:in­nen offenbar einfach nicht vorstellen können oder wollen, dass Nichthundebesitzer Hunde nicht mögen. Einfach so. Oder weil sie schlechte Erfahrungen mit ihnen machen mussten. Denn Hunde beißen, egal ob sie bellen oder nicht. Nicht immer. Aber immer wieder.

Was das mit Fußball zu tun hat? Mehr als man denkt. Denn die während der Europameisterschaft vielfach gehisste Deutschlandflagge ist nichts anderes als der Hund unter den Fanartikeln. Wer sie trägt, versteht sie gern als Zeichen der Sympathie, zumindest für das Team, das deutsche. Es geht doch nur um die Spiele. Und Schwarz-Rot-Gold steht für Demokratie, Republik und den Weg einer diversen Mannschaft ins Finale.

Klar. Für einige ist das so. Aber was Fah­nen­trä­ge­r:in­nen offenbar nie verstehen werden: Dass Nichtfahnenbesitzer Fahnen nicht mögen. Einfach so. Oder weil sie schlechte Erfahrungen mit ihnen machen mussten. Fahnen grenzen aus, egal ob sie fußballerisch gedacht sind oder rechtsextrem. Nicht immer. Aber immer wieder. Sie sind somit ein Übergriff auf die Freiheit des Anderen. Wie ein laut kläffender Hund. Für viele schlichtweg unangenehm, aus leider gutem Grund.

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15 Kommentare

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  • Flaggen Patrioten... Die armen Hunde haben damit wenig zu tun

  • Die Einstellung ist ein Produkt unserer linken, zwiespältigen Definition unseres Staates.



    Aufgrund der Verbrechen im dritten Reich verbietet es sich , stolz auf sein Land zu sein, einfach so.



    Das finde ich, nach wie vor, richtig.



    "Stolz" kann man/frau eigentlich nur auf Ewas sein, das selbst erarbeitet wurde.



    "Stolz auf einen Lottogewinn"? Quatsch!



    In Deutschland geboren worden zu sein, betrachten sicher Viele in anderen Ländern als einen "Lottogewinn".



    Hingegen gibt es Menschen in der kommune, die Deutschland als Niedriglohnland bezeichnen...



    Einiges finde ich gut, an diesem Land.



    Umweltschutz und Sozialsystem beispielsweise.



    Freie Presse und freie Meinungsäußerung.



    Schwarzrotgold steht für die Revolution von 1848 und die Weimarer Republik.



    Die Nazis gaben sich eine andere Flagge.



    Die Wiedereinführung der deutschen Fahne könnte als Symbol des Sieges der Demokratie über den Nationalsozialismus gelesen werden.



    Die friedliche Revolution von 1989 trug auch diese Farben.



    Es wird Zeit, die Symbole unserer Demokratie als Solche zu bewerten, insbesondere wenn sie bedroht wird. Die mangelnde Akzeptanz hat die Flagge den Rechten in die Hände gespielt. Wir sollten sie uns zurückholen.

    • @Philippo1000:

      Danke, dein Beitrag hat Sinn

  • Es ist ja nicht so, dass irgendjemand von uns sich noch genau an eine Zeit erinnern könnte, als Horden von Nationalist:innen oder Antidemokrat:innen die Trikolore der Lützower Jäger verachtet und als Symbol des verachteten Republikanismus bekämpft haben.



    Woran wir uns erinnern, ist, dass seit 2006 ein ungezwungener Umgang mit nationalen Symbolen gutgeheißen wurde und zugleich alle westlichen Staaten einen massiven Rechtsruck erlebt haben, bei dem ein oberflächliches Bekenntnis zur „Demokratie“ mit völkischem Geraune von „schweigenden Mehrheiten“ und „Verschwörungen linker, grüner, progressiver Eliten“ sich vermischt, um den sozialen Rechtsstaat und die Freiheit des Individuums einzuschränken.



    Es gibt eine für „die Anderen“ bedrohlich erscheinende Gleichzeitigkeit von Neofaschismus/neurechtem Gedankengut und Fahnenschwenken. Das können sich viele (auch hier in der Kommune) in ihrer Ignoranz nicht vorstellen; da hat der Artikel den Nagel auf den Kopf getroffen.

  • Mal unabhängig davon, dass Sie das republikanisch-inkludierende Element übersehen, ist Ihre Argumentation auch prinzipiell weitaus problematischer, als Sie denken und kann zum Eigentor für Sie werden.

    Denn das Unbehagen gegen Symbolik von Gruppen und Vereinigungen denen man nicht zugehört, lässt sich 1:1 auf jede religiöse, parteipolitische oder egalwelche Ikonografie anwenden. Es geht ja auch da um Gruppenidentitäten.

    So wie Sie sich von Schwarz-Rot-Gold angeekelt fühlen, wird es auch Menschen geben, die sich von der Regenbogenfahne oder SPD-Flaggen provoziert fühlen. Und es ist sind ja nicht nur Fahnen. Was ist mit Mondsicheln auf Moscheen oder Kopftüchern? Auch davon fühlen sich manche Menschen bedroht.

    PS: Ich finde ja, dass durch die Kommerzialisierung der Nationalfarben auch eine Profanisierung, und damit eine schleichende ironische Brechung, stattfindet - siehe das Bild zum Artikel. Und die paar Wochen alle zwei Jahre werden Sie schon aushalten.

  • Treiben wir die Argumentation weiter.



    Gefährliche Hunde sind in den Augen vieler von ihren Herrchen dazu gemacht. Damit für viele unangenehm. Diese Hunde brauchen dann ein neues Heim und viel Liebe. Einschläfern ist keine Lösung, wenn auch einfach und schnell. Und diese Hundeherrchen verderben es leider auch für viele verantwortungsvolle Hundebesitzer.



    Und dass man die bei Hunden auch mal anfallende Kacke wegräumt ist ja unter zivilisierten Menschen selbstverständlich.

  • Ich mag blaue Hemden. Manche hassen sie. Ich akzeptiere das und trage sie trotzdem.



    Die Jugend heutzutage trägt pink oder rosa. Im Leben würde ich kein rosa Hemd tragen. Rosa als Mann. Ich hasse es.



    Trotzdem ist es mir egal, weil ICH es NICHT tragen MUSS.

    Für mich ist es völlig egal ob Fahne von Mönchengladbach, St Pauli oder von Rasenballsport Leipzig. Meinetwegen auch die Deutschlandfahne.



    Solange es keine von Bayern München ist.

    Ihr habt den Schuß nicht gehört oder?

  • "Sie sind somit ein Übergriff auf die Freiheit des Anderen."

    Auweia.

    Eine allgemeine Freiheit, andere Meinungen nicht aushalten zu müssen, gibt es nicht.

    Gilt spiegelbildlich auch für den Wunsch, bloß kein Verständnis dafür aufbringen zu wollen, dass einige sich durch Flaggen ausgegrenzt fühlen.

    Denormalisierendes Vokabular ("Übergriff") wird jedenfalls keinen Beitrag zu gegenseitigem Verständnis und Empathie leisten.

  • Spieler, die Schweigefüchse zeigen, finde ich ja schlimmer als Landesfahnen eines demokratischen Staates.

    Da ist mir als Nichtflaggenbesitzer jemand mit der Flagge eines demokratischen Landes ja deutlich lieber

    Und die Rechtsextremen mögen doch andere Fahnen viel lieber.

  • "Dass Nichtfahnenbesitzer Fahnen nicht mögen."

    Ich besitze keine und will auch keine. Trotzdem heißt dass nicht, dass ich die Fahnen grundsätzlich nicht mag. Kommt immer darauf an, wer sie warum wehen lässt.

    PS: Ist so und so eine Scheindiskussion. Fahnen sind doch viel spärlicher zu sehen, als von einigen erhofft.

  • Neulich hat mich so eine Flagge angeweht. Zum Glück hat sie nicht auch noch gesabbert. Unangenehm wars trotzdem. :|

  • Fußball verbindet Menschen. Gesellschaftliche Spaltung ist im Stadion vergessen.



    Bitte Patriotismus nicht mit Nationalismus gleichsetzen.



    Geschwenkte Deutschlandfahnen muss man nicht mögen. sie sind aber auch nicht das Symbol neurechten oder gar nationalistischen Auffassung.

  • Manche Leute fühlen sich von Deutschlandfahnen provoziert. Andere von Regenbogenfahnen. Manche mögen es nicht, wenn Männer in meinem Alter kurze Hosen tragen. Oder man bei Jugendlichen die halbe Unterhose sieht. Manche mögen es nicht wenn man im Park Musik hört. Alles ein "Übergriff auf die Freiheit der Anderen". Aber alles auch selbstverständlich ein Stück freier, bunter, vielfältiger Gesellschaft. Das Stichwort heißt Toleranz, liebe Spießer!

    • @Ruediger:

      Schon witzig wie seltsam die Argumentation im Artikel angewandt auf andere Gegenstände wirkt. Ich werde es einfach nie verstehen, dass manche Menschen die Pridefahne nicht mögen, einfach so. Ja es kommt sogar schlimmer, manchmal hisse ich sie aus Provokation. Das wäre ja in der Analogie so, als ob ich meinen Hund auf den Passanten hetzen würde.

      • @wirklich?:

        Unser aller Horizont ist beschränkt. Einfach so wird keiner was gegen die Prideflagge haben. Jeder dürfte da mehr oder weniger nachvollziehbare Gründe haben. Ist halt eine Frage der eigenen Einstellung, wie man die Gründe wertet. Wie in jeder anderen Gruppe gibt es auch in der Lgtbqi+ Gruppe nicht nur Engel was zu einer langfristigen Abneigung einer ganzen Gruppe führen kann. Rationalität ist nämlich auch eine Sache die jedem mehr oder weniger schwerfällt.



        Übrigens mich würde es nicht stören wenn Sie sie hissen und je nach dem wie mein Nachbar wäre, würde ich mich Ihnen vllt sogar anschließen ;)