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Joe Bidens TV-PerformanceDer Schlaf des Gerechten

Nach dem misslungenen Meeting mit Trump sagte US-Präsident Joe Biden, sei er müde gewesen. Wer könnte das nicht nachvollziehen – bei dem Gegenüber?

Trumps Lieblingsgeste, um politische Gegner zu diffamieren, hier den einstigen Opponenten Jeb Bush 2015 Foto: Jonathan Drake/reuters

Ob Haushaltsstreit, Ukrainehilfen, Frauenrechte oder der nun wirklich lange Zeit vollkommen unlösbar erscheinende Fall Assange – Joe Biden gehört zweifellos zu den erfolgreichsten Präsidenten der US-Geschichte. Ein charmanter Problemabräumer par excellence, der nun, wenn man ihm denn glauben will, über die banalste aller zeitgenössischen Malaisen gestolpert sein soll: die Müdigkeit.

Im TV-Duell mit einem notorischen Bullshit-Verbreiter, dem vernünftige Menschen noch nicht mal einen Gebrauchtwagen abkaufen würden, tat Biden nach eigener Aussage das als Privatperson einzig Richtige: Er nickte fast weg, auch, weil er in den Wochen zuvor – beschäftigt mit der Erledigung für die Menschheit wirklich wichtiger Aufgaben – schlicht zu wenig Schlaf bekommen hatte.

Biden sagte auch, das sei natürlich keine Entschuldigung für sein Verhalten, nur eine Erklärung. Auch das ist in einem Diskursverhalten von Politikern, die sich sonst gar nicht schnell genug entschuldigen können, immer mit dem Zusatz „falls ich jemanden verletzt/beleidigt/verstört haben sollte“, eine rhetorisch-moralische Wohltat.

Um es klar zu sagen: Es ist richtig dumm, dass Biden im Moment der Konfrontation mit dem Erzschurken Trump müde war. Vielleicht ist es sogar eine Katastrophe. Selbst seine Parteifreundin Nancy Pelosi nahm ihn nur insofern in Schutz, als er nun zeigen müsse, dass es sich um ein „one time issue“ gehandelt habe. Da wird Druck aufgebaut von gewogener Seite, mit dem der mächtigste Mensch der Welt wird umgehen müssen, wenn er denn in seiner Position bleiben will, was sich jeder vernünftige Mensch nur wünschen kann.

Hiesige Bullshit-Topscorer

Und doch, wenn wir uns kurz in den nickerchenähnlichen Zustand des Träumens absetzen dürfen: Wer würde nicht Verständnis, ja Bewunderung etwa für einen Robert Habeck aufbringen, wenn der im „Gespräch“ mit dem hiesigen Bullshit-Topscorer Markus Söder einfach mal einen kurzen Tagschlaf einlegte?

Und wenn wir die Meldungen zum außer Rand und Band geratenen Kokainkonsum der Deutschen ernst nehmen, dann scheint man hier ein Gegenmittel zu suchen gegen die Großversuchung, den privat wie im öffentlichen Raum drängelnden, immer schrecklich ausgeschlafenen Fatzkes einfach mal wegzuschlafen, wenn man schon nicht vor ihnen weglaufen kann.

Der (angeblich) müde, der unfitte demokratische Politiker ist dabei natürlich auch ein rechtsradikales, lustvoll besetztes Meme. Die Rechercheplattform correctiv etwa hat im Januar 21 eine AfD-Kampagne gegen Anton Hofreiter unter die Lupe genommen. Dem war mit einem in den sozialen Medien geteilten Foto unterstellt worden, im Bundestag eingeschlafen zu sein. Die überaus pingelige correctiv-Recherche zeigte, dass es „keinerlei Hinweise“ gebe, dass Hofreiter geschlafen habe.

Und der britische Independent überschrieb einen Beitrag über die Spekulationsberichterstattung zu Hillary Clintons Gesundheitszustand während des US-Wahlkampfs 2016 mit der Zeile: „Hillary Clinton is so unwell, it’s a wonder she is still alive“.

Sind das müde Ausreden zur Verteidigung von „Sleepy Joe“, wie Trump während seiner Amtszeit und insbesondere im Wahlkampf 2020 sich angewöhnt hatte, Biden zu nennen, um gegen ihn zu verlieren und einen Putsch anzuzetteln?

Man kann nur hoffen, dass die US-amerikanischen Wäh­le­r:in­nen ausgeschlafen agieren, wenn es am 5. November 2024 tatsächlich darum geht, eine wichtige Entscheidung zu treffen: Zwischen einem dann fast 82-Jährigen, der zwar nicht immer sich, aber dafür die Weltpolitik im Griff hat. Und einem gerade 78 Gewordenen, der schon sein ganzes, auch nicht gerade kurzes Leben lang ein Totalausfall ist.

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5 Kommentare

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  • "Ein charmanter Problemabräumer par excellence, der nun, wenn man ihm denn glauben will, über die banalste aller zeitgenössischen Malaisen gestolpert sein soll: die Müdigkeit."



    Das halte ich für eine Gefälligkeits-Interpretation. Wenn es stimmt, dass er sich sechs Tage lang vorbereitet hat - hat er bei seinem Alter nicht bedacht, sich vor der Debatte auszuruhen. um dann topfit zu sein?



    Das erschiene dann dermassen unachtsam, dass man an seiner Eignung fürs Präsidentenamt zweifeln MUSS. Auch Erklärungen, er habe an Jetlag gelitten - zwei Wochen NACH der Reise? Man rechnet zur Erholung jeder Stunde Zeitverschiebung einen Tag. Wo ist er gewesen, dass er nach 14 Tagen nicht wach ist? Und wäre es nicht hilfreich gewesen, die Erde dann andersherum zu bereisen? Dann hätte er nur 10 Stunden zu kompensieren gehabt und wäre rechtzeitig 4 Tage vor der Debatte topfit gewesen.



    Nein, das alles erscheint mir unglaubwürdig und festigt eher meine Meinung, dass der Mann lieber seine letzten Lebensjahre in Ruhe geniessen sollte, statt zum Steigbügelhalter Trumps zu werden.

  • Ich dächte, dass in einem derartigen TV-Duell alle Alarmglocken läuten und der Organismus auf Angriffsmodus und Mobilisation der Krisenreserven geschaltet wird. Nixon hatte schon ehedem exemplarisch eine empfindliche Schlappe erlitten, im Fernsehen kam er 1960 unsouverän rüber, fühlte sich offensichtlich nicht wohl.



    In einer existenziellen politischen Krise sehe ich Biden als Kommandeur auf der Brücke kritisch.



    /



    www.nzz.ch/fotogra...se-haus-ld.1836145

  • Ich habe großes Verständnis für Bidens Schlafbedürfnis. Kein Vertun.



    Dennoch: sowas darf in solchen Situationen einfach nicht passieren.



    Und so erfolgreich er auch als Präsident gewesen sein mag, diese... Aussetzer zeigen deutlich, dass sein körperlicher Zustand für weitere vier Jahre schlicht nicht reicht. Schade, aber isso.

  • "Im TV-Duell mit einem notorischen Bullshit-Verbreiter, dem vernünftige Menschen noch nicht mal einen Gebrauchtwagen abkaufen würden, tat Biden nach eigener Aussage das als Privatperson einzig Richtige: Er nickte fast weg, auch, weil er in den Wochen zuvor – beschäftigt mit der Erledigung für die Menschheit wirklich wichtiger Aufgaben – schlicht zu wenig Schlaf bekommen hatte."

    Seltsame Position. 50 % der amerikanischen Wähler sind "unvernünftig"? Gerade Trump sollte ein hellwacher Gegner problemos stellen können. Biden stand hier nicht in seiner privaten Küche, sondern vor einem Publikum von 60 Millionen, bei denen gefühlte Stärke entscheidend ist. Trump wirkte wie ein 60jähriger, Biden wie ein 100jähriger. By the way, die anschließenden Rechtfertigungen der "Arbeitsüberlastung" haben den Eindruck noch verschlimmert. Biden hatte 12 Tage (!) zuvor Termine mit Interkontinentalflügen, wohlgemerkt in Airforce One mit allem erdenklichen Komfort. Wenn das nach 12 Tagen herhalten muss, um zu müde für ein Fernsehduell mit Trump zu sein, ist er schlicht den Anforderungen des Amtes nicht mehr gewachsen.

    Ärgerlich ist, das all dies für den aufmerksamen Beobachter nicht neu ist.

  • Wenn es so einfach wäre. Ist es aber nicht.

    Natürlich kann man versuchen, das Ganze launig gegen Trump zu wenden. Dass die Katastrophe so aufzuhalten ist, das wage ich allerdings zu bezweifeln.

    Wenn die Demokraten nicht zügig mit einem anderen Kandidaten, einer anderen Kandidatin aus der Hüfte kommen, fährt Mr. 10 - 16 Uhr die Sache gegen die Wand.