Meduza-Auswahl 6. – 12. Juni: Zum Kämpfen gezwungen
Russland schickt Einberufene, die sich dem Kriegseinsatz in der Ukraine verweigern, erst recht an die Front. Texte aus dem Exil.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.In der Woche vom 6. bis zum 12. Juni 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Wie Moskau Russlands Theater kremlkonform macht
In Russland verschwinden die kleinen und regionalen Theater, indem sie als Zweigstellen größerer Kultureinrichtungen anhängig gemacht werden. Das hat nicht nur wirtschaftliche Gründe, wie Meduza in diesem Beitrag (russischer Text) erläutert.
Seit Anfang der 2010er Jahre optimieren die Behörden Russlands Spielstätten immer mehr – offiziell aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und des besseren Managements. In den letzten drei Jahren gab es mindestens zehn solcher Fälle. Meist wird zunächst eine Person an die Spitze eines Theaters gesetzt, die bereits für eine andere Spielstätte verantwortlich ist. Und diese Führungskräfte haben alle eines gemeinsam: Sie unterstützen die Regierung in Kreml.
Meduza schlussfolgert daraus: Wenn Positionen in den Theatern an Personen vergeben würden, die bereits ähnliche Positionen innehätten, bedeutet das, „dass die Regierung nur wenige kulturelle Führungskräfte hat, denen sie vertrauen kann. Und die Garantie für dieses Vertrauen ist vor allem die Loyalität gegenüber dem Regime.“
Großspender stellt Zahlung an Nawalny-Stiftung ein
Der russische Dienst der Deutschen Welle veröffentliche jüngst ein Interview mit dem Geschäftsmann Boris Zimin in voller Länge.
Im Interview machte er bekannt, dass er die Finanzierung der Antikorruptionsstiftung (AKS) von Alexei Nawalny eingestellt habe. Seit der Gründung der AKS war Zimin praktisch der einzige Großspender der Organisation, der seinen Namen nicht verheimlichte. Das Interview wurde bereits Anfang Mai aufgezeichnet, aber nicht vollständig gesendet.
Meduza fasst zusammen (englischer Text), was Boris Zimin über seine aktuelle Haltung zur AKS nach dem Tod von Alexej Nawalny zu sagen hat
„Nach der Inhaftierung von Alexei [Nawalny] geriet ich zunehmend in Konflikt mit dem, was die AKS tat. Erstens befand sich die gesamte AKS in einer sehr komplizierten, schwierigen Situation. Es gab einen Widerspruch zwischen einer politischen Organisation und dem Team einer inhaftierten Person. Eine politische Organisation ist ein Ort der Diskussion – es sollte interne Debatten und einen Kampf der Ideen geben. Andererseits ist das Team einer inhaftierten Person im besten Sinne eine Art Sekte. Es sollte keine Diskussionen geben; man muss die Dinge erledigen und seinen Anführer retten“, so Zimin.
20.000 Wagner-Söldner starben in Bachmut
Die Söldnergruppe Wagner, die von dem mittlerweile verstorbenen Jewgeni Prigoschin geleitet wurde, rekrutierte mindestens 48.366 Sträflinge aus russischen Gefängnissen, um gegen die Ukraine zu kämpfen. Dies geht aus einer gemeinsamen Untersuchung von Journalisten von Mediazona und BBC Russia hervor, die interne Unterlagen des privaten Militärunternehmens erhalten und analysiert haben. Darin sind Zahlungen an die Familien von im Kampf gefallenen Kämpfern dokumentiert.
Wagners Anwerber boten Häftlingen an, sechs Monate lang an der Front zu dienen, um im Gegenzug eine Begnadigung und die Löschung ihres Strafregisters zu erhalten – sowie eine gute Bezahlung und Versicherungszahlungen an ihre Angehörigen, falls sie sterben oder verletzt werden. Meduza fasst (Englischer Text) die Ergebnisse des neuen Berichts über die hohe Zahl der Todesopfer der Wagner-Gruppe zusammen. Neue Untersuchungen zeigen, so Meduza, dass die Wagner-Gruppe in der Schlacht um Bachmut fast 20.000 Männer verlor – und ihren Familien eine extrem hohe Entschädigungssumme zahlte.
Mit vorgehaltender Waffe an die Front verfrachtet
Hunderte von russischen Wehrpflichtigen, die lieber ins Gefängnis gehen, als in den Krieg in der Ukraine zurückzukehren, werden systematisch inhaftiert und dann gewaltsam an die Front zurückgeschickt. Das berichtet die unabhängige Zeitung Verstka.
Diejenigen, die sich wehren, werden gefesselt, geschlagen und mit vorgehaltener Waffe in Flugzeuge verfrachtet, bevor sie in der Ukraine gezwungen werden, sich Sturmtruppen anzuschließen. Meduza berichtet (englischer Text) über eine der von Verstka beschriebenen Haftanstalten für Wehrpflichtige.
Und über Sergei Krugly, der nicht in den Krieg zurückwollte, nachdem er von Halluzinationen geplagt wurde – von den menschlichen Köpfen, die er nach den Kämpfen einsammeln musste. Der 29-Jährige aus der russischen Region Swerdlowsk war im Herbst 2022 eingezogen worden und wurde im März 2023 beurlaubt. Doch im Oktober 2023 tauchten Polizeibeamte in der Wohnung der Familie auf und sagten ihm, er müsse eine Aussage auf der Wache tätigen, weil er seine Wohnung unerlaubt verlassen hätte. Er ging mit ihnen.
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