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Geheime Abstimmung in AfD-DelegationMaximilian Krah fliegt raus

Die AfD-Delegation hat Krah nicht aufgenommen und will nun wieder Teil der ID-Fraktion werden. Im Osten ist die AfD stärkste Kraft, auch im Westen stark.

Kein Ticket nach Straßburg: Maximilian Krah fliegt raus Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin taz | Maximilian Krah gab sich gut gelaunt im Bundestag, war aber in Wahrheit offenkundig ziemlich sauer. Denn kurz vor 12 Uhr ist nach geheimer Abstimmung in der neuen AfD-Delegation für das EU-Parlament am Montagvormittag klar: Der AfD-Spitzenkandidat aus der Europawahl wird nach zahlreichen Skandalen, Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlicher Geldzahlungen aus Russland und China und wegen SS-Verharmlosung kein Teil der AfD-Delegation im Europaparlament werden.

Nach geschichtsrevisionistischen Aussagen Krahs ist die AfD kurz vor der Wahl aus der extrem rechten ID-Fraktion geflogen – ein Schritt, mit dem sich Marine Le Pen von den französischen Rechtsextremen des Rassemblement National (RN) innenpolitisch verharmlosen will mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen. Die Begründung aus der AfD für den nun erfolgten De-facto-Rausschmiss von Krah: Man wolle mit dem Schritt dem RN entgegenkommen.

Krah ging nicht ohne Kampfansage und kritisierte die Entscheidung, die unter dem Einfluss des Bundesvorstands getroffen wurde und die auch an der Basis umstritten sein dürfte, noch vor der Tür: „Ich halte es für das falsche Signal“, so Krah. Eine „Partei, die deutsche Interessen in Brüssel auch gegen die EU vertreten will, sollte sich nicht von einer ausländischen Partei vorschreiben lassen, mit wem sie antritt“, sagte er in die Kameras von Journalist*innen. Er werde mit „großem Interesse“ verfolgen, wie Verhandlungen mit dem RN geführt würden – „meine Meinung kennen Sie: sie werden scheitern“, so Krah grinsend.

Interessant ist: Der Zweitplatzierte Petr Bystron, gegen den es Ermittlungen wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche gibt aufgrund seiner Beteiligung an einem prorussischen Desinformationsnetzwerk und mutmaßlichen Geldzahlungen aus dem Umfeld von Putin, darf Teil der AfD-Delegation werden. Zum Leiter der Delegation wurde René Aust gewählt, Höckes rechte Hand in Brüssel.

Stimmen von CDU, FDP und SPD

Bei der Europawahl ist die AfD bundesweit auf 15,9 Prozent gekommen und erhält damit 15 Sitze im EU-Parlament, ein Zuwachs um 4,9 Prozentpunkte. Sie ist zweitstärkste Kraft, im Osten, wo in diesem Jahr noch drei Landtagswahlen anstehen, ist die AfD sogar flächendeckend stärkste Kraft geworden: Hier kam die AfD in Brandenburg auf 27,5 Prozent, in Sachsen auf 31,8 Prozent in Thüringen auf 30,7 Prozent.

Eine interessante Erkenntnis aus Nachwahlbefragungen ist die Sicht der AfD-Wähler*innen auf die von ihnen gewählte Partei. 82 Prozent der AfD-Wähler sagen, dass es ihnen egal sei, dass die Partei „in Teilen als rechtsextrem gilt, solange sie die richtigen Themen anspricht“. Und auch die Selbstberuhigungsformel der Protestwahlthese geht nicht auf: Laut der Forschungsgruppe Wahlen wählen Anhänger der AfD diese nach eigenen Angaben zu 70 Prozent wegen ihrer „politischen Forderungen“ – nur 28 Prozent als „Denkzettel für andere Parteien“.

Hinzu gewonnen hat die AfD vor allem von CDU, SPD und FDP, also jenen Parteien, die sich zuletzt mit rechten Forderungen profilieren wollten. Erneut auch zeigte sich, dass hohe Zustimmung für die AfD kein Ostphänomen ist: Auch in Baden-Württemberg kam die Partei auf 14,7 Prozent, ebenso in Rheinland-Pfalz. Selbst in Schleswig-Holstein, wo die AfD bei der Landtagswahl 2022 noch rausflog, kam sie nun auf 12,2 Prozent.

David Begrich, Rechtsextremismusexperte aus Sachsen-Anhalt, sagte der taz: „Was mich am meisten schockiert, ist, dass es Leute gibt, die den Schuss noch immer nicht gehört haben oder nun mit den üblichen Reaktionsmustern um die Ecke kommen, wie: Baut die Mauer wieder auf.“ Das sei eine Ostdeutschlandprojektion, die das Problem der extremen Rechten in einen bestimmten Postleitzahlenbereich entsorge, so Begrich: „Das ist eine Entlastungs- und Distinktionsstrategie, die den Blick auf schmerzhafte Wahrheiten verstellt.“

Verfassungsschutz schreckt Wähler nicht ab

Die extreme Rechte erprobe Strategien im Osten, die sie letztlich auch im Westen anwenden werde. Und die westdeutschen Mechanismen zur Zurückdrängung der AfD seien gescheitert: Der Verfassungsschutz schrecke nicht ab, ebenso wenig die Skandalisierung.

Begrich benennt fünf konkrete Lehren, die daraus folgen müssen: Die AfD und ihre politische Kommunikation dürften nicht länger den politischen Diskurs dominieren, demokratische Kräfte müssten sich radikal abgrenzen. Der „Fatalismus des verlorenen Ostens“ müsse aufgegeben werden, stattdessen Sichtbarkeit für die unterschiedlichen Aspekte der Zivilgesellschaft im Osten hergestellt werden. Demokratisches Engagement im Osten funktioniere über die Klein- und Mittelstädte und müsse von den ländlichen Räumen, Einzelpersonen und ihren Netzwerken her gedacht werden.

Weiter müsse man die politische Bildung stärken, aber diese müsse auf dem Horizont ostdeutscher Erfahrungen und Demokratiegeschichte fokussieren. „Die Grundgesetzparty in Berlin hilft dabei nicht weiter, solange die ostdeutsche Demokratiegeschichte irgendwo in der Besenkammer verschlossen ist“, so Begrich.

Mit das Wichtigste sei nun aber, konkret Solidarität zu organisieren, sagt er: „Seit 1990 haben 1,3 Millionen Menschen Ostdeutschland in Richtung Westen verlassen, die dort Zivilgesellschaft, Demokratie und Wirtschaftswachstum stärken. Deren Solidarität brauchen wir jetzt.“

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4 Kommentare

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  • Begrich hin oder her: Der Antifaschistische Schutzwall trug seinen Namen vielleicht doch zurecht.

  • Im Blick auf das Wahlergebnis im Osten mit seiner scharf ausgeprägten Gebietsgrenze muß man vor allem auch sehen, wer dort nicht gewählt wurde. Die linke Seite der Karte ist schwarz, nicht rot oder grün. In der ersten freien Wahl erzielte Helmut Kohl im Osten einen Erdrutschsieg. Darauf folgte die ganz große Enttäuschung. Versprochen waren blühende Landschaften, gekommen sind Betrüger und Heuschrecken.



    Ich erinnere mich gut an die Worte meines Cousins aus den frühen Neunzigern: "Sei bloß froh, daß Dich hier im Dorf jeder kennt. Normalerweise lassen alle die Hunde los, wenn ein Auto mit Westkennzeichen in die Dorfstraße einbiegt." Das mag im Wortsinn übertrieben sein, die Stimmung gibt es gut wieder.



    Die CDU wird es im Osten noch länger sehr schwer haben und so leicht wird es für bürgerliche Wähler dann nicht, einen Platz für das Kreuz zu finden. Die FDP war in allen Kabinetten Kohl mitregierend und ist damit, neben anderen aktuellen Gründen, keine glaubwürdige Alternative.

  • Die 5 konkreten Lehren klingen immer noch sehr theoretisch. Werden dadurch die kommunalen demokratischen Kräfte an der Basis gestärkt? Lässt sich dadurch das Entfremdungsgefühl der Wähler gegenüber "denen da oben" verringern?

  • Seit 1990 haben nicht 1,3 Millionen Menschen den Osten verlassen sondern es sind 1,3 Millionen Menschen mehr von Osten in den Westen gegangen als umgekehrt. Das ist schon ein Unterschied.

    Quelle destatis, Querschnitt demografischenr Wandel



    www.destatis.de/DE...%20Westdeutschland.