Streit um U-Bahn-Bau in Köln: Nutzlos, teuer, klimaschädlich

In Köln wollen CDU und FDP die Stadtbahn unter die Erde verbannen. Dabei bringt das Milliardenprojekt kaum Nutzen für die Bür­ge­r:in­nen.

Pendler steigen in Köln-Sürth in eine Straßenbahn der Linie 16 ein

Die Kölner Straßenbahn zur U-Bahn zu machen, würde viel kosten, aber nur 4 Minuten Zeitgewinn bringen Foto: Karsten Schoene/laif

BOCHUM taz | In Köln geht der Streit um den möglichen U-Bahn-Bau auf der Ost-West-Achse mitten durch die Innenstadt in die nächste Runde. Kurz vor der entscheidenden Sitzung am Donnerstagnachmittag wurde die Diskussion über den angedachten Tunnel von der Tagesordnung des Stadtrats gestrichen. Zuvor hatten nicht nur Grüne und SPD, sondern auch Linke und die Gruppe „Klimafreunde“ mit Blick auf Kosten und Nutzen massive Bedenken angemeldet.

Über den Ausbau der Ost-West-Achse diskutieren Lokalpolitik und Stadtgesellschaft schon seit Jahren. Bereits 2018 hatte der Stadtrat die Untersuchung einer unter- und einer oberirdischen Variante im Innenstadtbereich in Auftrag gegeben. Deren grundsätzliche Ergebnisse liegen jetzt vor: Danach soll die rund 2,3 Kilometer lange neue U-Bahn entlang von Heumarkt, Neumarkt und Rudolfplatz den Bür­ge­r:in­nen angeblich etwas mehr Nutzen bringen als ein Ausbau der bestehenden Straßenbahnlinie 1: Der sogenannte Nutzen-Kosten-Indikator der Tunnellösung stieg von 2018 bis heute von 1,0 auf 1,4 – bei der oberirdischen Variante sank er dagegen von 2,3 auf 1,3.

Unklar bleiben dagegen bisher Details der umstrittenen Berechnungen – und die wollen nicht nur Grüne und SPD im Stadtrat kennen: „Wir wollen die Gutachten und ihre Bewertungsmethoden sehen“, fordert der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Stadtrat, Lars Wahlen. „Wir kaufen die Katze nicht im Sack“, sagt auch der SPD-Verkehrspolitiker Lukas Lorenz. Das Kölner Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt, in dem die drei Parteien seit 2021 zusammenarbeiten und das die Verwaltung der parteilosen Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit Mehrheiten im Kommunalparlament versorgt, ist damit gespalten.

Das Bündnis Verkehrswende Köln, das mit dem Slogan „Oben bleiben“ für den Ausbau der Straßenbahn kämpft, hat eine Veröffentlichung nach dem Informationsfreiheitsgesetz beantragt. Denn tatsächlich wiegen die Argumente der Tun­nel­geg­ne­r:in­nen schwer: „Die Kosten des U-Bahn-Baus liegen schon heute bei 1,4 Milliarden Euro“, rechnet Bündnis-Sprecherin Barbara Kleine vor – „die der oberirdischen Variante dagegen nur bei rund 220 Millionen“.

U-Bahn könnte Milliardengrab werden

Zwar gibt es massive Förderzusagen des Bundes. Doch auch für die klamme Stadt Köln könnte sich der Tunnel zum Milliardengrab entwickeln: So sei der städtische Eigenanteil für die 2004 begonnene Nord-Süd-Stadtbahn, der 2009 zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs mit zwei Toten führte, von 55 Millionen auf aktuell über eine Milliarde Euro gestiegen, warnt Kleine – ohne die Kosten der Archiv-Katastrophe. Fertiggestellt ist die Linie dennoch bis heute nicht.

Dazu kommt die geschätzte Bauzeit: Bis 2040 dürfte der U-Bahn-Bau dauern, schätzen die kommunalen Kölner Verkehrsbetriebe (KVB), die sich für den Tunnelbau stark machen. „Die Innenstadt soll also bis zu zwei Jahrzehnte aufgerissen werden“, kritisiert Angela Bankert, die für die Linke als sachkundige Einwohnerin im Verkehrsausschuss sitzt. Der Straßenbahnausbau könne dagegen in drei bis fünf Jahren erledigt werden.

Vier Minuten Zeitgewinn

Überhaupt bringe die U-Bahn den Bür­ge­r:in­nen kaum Nutzen, glaubt Bankert: Deren Zeitgewinn liege bei gerade einmal drei bis vier Minuten. Auch für den Klimaschutz dürfte der Tunnel kontraproduktiv sein. Schließlich geht auch die Stadtverwaltung davon aus, dass dessen Bau die Atmosphäre mit 283.000 Tonnen Kohlendioxid belasten dürfte.

„Alle faktenbasierten Argumente sprechen für die oberirdische Variante“, mahnte deshalb Inga Feuser von den „Klimafreunden“ noch am Montag bei einer Sitzung des Verkehrsausschusses in Richtung CDU und FDP, die sich weiter für den U-Bahn-Bau stark machen: Bis sich der Tunnel in der Klimabilanz rechne, dürften „mindestens 100 Jahre vergehen“. Der Stadtrat will bei seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause am 1. Oktober weiter beraten.

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