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EU-Außenminister beschließen SanktionenKritik an Deutschland

Die EU-Außenminister beschließen neue Sanktionen gegen Russland und Hilfen für die Ukraine. Das Sanktionspaket sorgt für Kritik – an Deutschland.

Entschluß ohne Ungarn: Borrell schreitet vor den Fahnen im EU Parlament, das über die Sanktionen gegen Rußland entschieden hat Foto: Johanna Geron/reuters

Brüssel taz | Russland hat lange davor gewarnt, Ungarn sich bis zuletzt dagegen gesträubt. Nun ist der Weg für eine neue, rund 1,4 Milliarden Euro schwere Waffenhilfe an die Ukraine frei. Sie soll mit Zinserlösen aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank finanziert werden. Dies beschlossen die EU-Außenminister am Montag in Luxemburg.

Das Geld soll an „Treuhänder“ in Deutschland, Tschechien und anderen EU-Ländern fließen, die der Ukraine damit Ausrüstung für die Luftverteidigung oder Artilleriegeschosse beschaffen wollen. Für Außenministerin Annalena Baerbock war es eine gute Nachricht, für ihren ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba auch. Allerdings dürfte sich die EU mit dem Prinzip „russisches Geld für ukrainische Waffen“ Ärger einhandeln.

Russland hatte schon vor der Entscheidung von „Diebstahl“ gesprochen und mit Vergeltung gedroht. Moskau könnte nun europäisches Vermögen beschlagnahmen und andere Staaten auffordern, ihr Geld aus der „unsicheren“ EU abzuziehen.

Der Beschluss trifft auch Ungarn. Die Außenminister wendeten nämlich einen Trick an und erklärten, Budapest könne gegen die Entscheidung kein Veto einlegen, da eine Mehrheit der 27 EU-Staaten genüge. Ungarn wurde damit de facto übergangen – und das wenige Tage, bevor das Land am 1. Juli den halbjährigen EU-Vorsitz übernimmt. Ministerpräsident Viktor Orbán sei außer sich vor Wut, hieß es in Brüsseler EU-Kreisen. Er versucht seit Monaten, die EU-Waffenhilfen zu blockieren.

Orbán könnte auf stur schalten

Sein Argument: Die Hilfe sei nicht effizient und könne zu einer Eskalation beitragen. Bisher war er damit erfolgreich. Nun ist er erstmals überstimmt worden. Allerdings hat auch Orbán noch ein Eisen im Feuer. Dabei geht es um die Rückerstattung von 6,6 Milliarden Euro für Waffenkäufe aus der sogenannten Friedensfazilität. Hier ist Einstimmigkeit gefordert. Nach dem Affront in Luxemburg könnte Orbán auf stur schalten. Die betroffenen EU-Staaten müssten dann weiter auf ihr Geld warten.

Schlechte Lauen gab es in Luxemburg auch aus einem anderen Grund. Vor allem die Osteuropäer waren sauer, weil Deutschland das 14. Sanktionspaket gegen Russland aufgeweicht hatte. Die Außenminister gaben zwar grünes Licht für die Maßnahmen, die vor allem die Umgehung bestehender Sanktionen erschweren sollen. Außerdem wird der Handel mit russischem Flüssiggas erschwert. Doch einige Minister ließen ihrem Unmut freien Lauf. Die Sanktionen seien „bedauerlicherweise schwächer“ als geplant, kritisierte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis.

Sein estländischer Kollege Margus Tsahkna sagte, es werde „immer schwerer, in der Europäischen Union einen Konsens über neue Sanktionen zu finden“. Früher war vor allem Ungarn schuld. Nun trifft der Vorwurf auch Deutschland. Die Bundesregierung hatte kritisiert, die Maßnahmen könnten Deutschland als größter EU-Exportnation mehr schaden als Russland. Nun sollen die Firmen nur noch „bestmögliche Anstrengungen“ gegen Sanktionsverstöße machen.

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13 Kommentare

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  • Wenn die Sanktionen nicht wirken würden, würden sich der Zar und seine Günstlinge nicht permanent darüber beschweren und mit Gegenmaßnahmen drohen.

    • @vieldenker:

      "Wenn die Sanktionen nicht wirken würden, würden sich der Zar und seine Günstlinge nicht permanent darüber beschweren"



      Steht zu hoffen, ich würde diese Gleichung aber nicht aufmachen. Die beschweren sich ständig über echte, eingebildete oder gelogene Ungerechtigkeiten.

  • Ein klassisches Phänomen von drohendem Gesichtsverlust. Man hat sich mit den Sanktionen geirrt. Anders als Frau von der Leyen beim ersten Sanktionspaket angekündigt hat es nicht dazu geführt, dass Russland nicht mehr der Krieg fortführen kann. Trotzdem machen wir einfach weiter so. Auch wenn diese Politik zu einem rechteren Europa führt und zu mehr sozialer Ungleichheit. Überhaupt ist die ganze Ukrainepolitik befremdlich. Der Krieg dauert immer länger und die Verhandlungsposition der Ukraine wird immer schwächer.



    Inzwischen sind ja alle Dokumente zu den Istanbuler Verhandlungen zugänglich:

    www.nzz.ch/interna...beenden-ld.1827138

    Glaubt jemand ernsthaft daran, dass nochmal überhaupt zu solchen Konditionen verhandelt wird? Und wenn ja war es das unter moralischen Aspekten wert (nicht unter rechtlichen - das Recht ist klar auf der ukrainischen Seite)?

    • @Alexander Schulz:

      Worauf wollen SIe hinaus? Sie suggereren, daß es eine einfach Lösung aus diesem Konflikt gibt. Wie soll die denn aussehen ?

      • @Grauton:

        Eine einfache Lösungen gibt es nicht, jedoch ist es erstaunlich wie weit beide Seiten aufeinander zugegangen sind. Das lässt durchaus hoffen, dass es eine Verhandlungslösung geben kann. Und ja ich denke nachwievor, dass es ein Fehler war die Verhandlungen nicht fortzusetzen, denn ich bezweifle, dass nochmal zu den Konditionen verhandelt werden kann.

        • @Alexander Schulz:

          Eine Verhandlungslösung ist ja keine frei wählbare Alternative gegenüber von Kampfhandlungen, sondern diese beiden Dinge sind eng miteinander verwoben. Und fast gertoffen ist leider auch daneben. Also alles Schnee von Gestern.

          • @Grauton:

            "Und fast gertoffen ist leider auch daneben. "

            Ja, da haben Sie natürlich Recht. Ich kritisiere trotzdem den vorzeitigen Abbruch der Verhandlungen und das mangelnde Engagement des Westen dabei.



            Rechtlich betrachtet ist das Verhalten natürlich nicht zu kritisieren. Moralaisch betrachtet denke ich jedoch, dass alles versucht hätte werden müssen.



            Das einzige postive was man im Nachhinein aus den Verhandlungen mitnehmen kann ist, dass eine Einigung mit Russland möglich sein wird früher oder später, jedoch tragischerweise nicht mehr zu den Konditionen.

        • @Alexander Schulz:

          "...jedoch ist es erstaunlich wie weit beide Seiten aufeinander zugegangen sind."



          Stimmt. Russland war schon fast in Kiew. Dumm gelaufen.

          • @Encantado:

            Wenn das Thema nicht zu Ernst wäre, müsste ich schmunzeln.

  • Sanktionen haben noch so gut wie keinen Krieg gewonnen sondern idR stets nur Verbündete entzweit.

    Erinnert sei an die Kontinentalsperre welche Napoleon ursprünglich einvernehmlich mit dem Zaren gegenüber England verhängte, und ua wegen deren Nichteinhaltung er seinen Niedergang im Russlandfeldzug herbeiführte.

    Der Krieg wird am Boden mit Waffen und im Informationsraum durch Meinung gewonnen. Sanktionen wirken weder im Iran noch in Russland noch sonst wo irgendwo nachweislich auf einen Regimechange oder Staatskollaps hin, as far as i know.

    Es bleibt somit nur neunmalklug zu reüssieren: Wer aus der Geschichte nicht lernen will, der soll sie halt wiederholen?

    • @Berglandraupe:

      Was ist denn die Alternative zu Sanktionen?



      Wollen Sie, daß die Sanktionen aufghoben werden ?



      Nur weil es beim ersten Anlauf nicht geklappt hat, heißt es doch nicht, daß Sie keinen Sinn machen. Es geht ja auch um die Umsetzung und da ist D nun mal nicht der Musterschüler, das es sonst gerne ist.

    • 4G
      48798 (Profil gelöscht)
      @Berglandraupe:

      Wir können es den deutschen Militaristen nicht erlauben, die zugegeben mangelhaften Erkenntnisse aus WK1 und WK2 durch einen neuerlichen 3 WK zu überprüfen.



      Sie sind nicht einsichtig und gewalttätig, wie immer.



      Eigentlich sollte unsere Grundgesetz hier ausreichen. Wenn es denn von SPD, Grünen und Union nicht nur gefeiert, sondern auch ausreichend respektiert werden würde.

      • @48798 (Profil gelöscht):

        "...deutschen Militaristen ... nicht einsichtig und gewalttätig, wie immer."



        Helfen Sie mir doch gleich, wo die deutschen Militaristen die Ukraine mit Waffen und Gewalt überschüttet haben?



        "Eigentlich sollte unsere Grundgesetz hier ausreichen."



        Ich nehme an, Sie sprechen hier vom Angriffskriegverbot. Welches Land planen die genannten Parteien zu überfallen?