Journalistische Sorgfalt bei STRG_F: Hat die Kritik geholfen?
Sechs Monate nach Rezos Kritik räumt Strg_F Fehler ein und verspricht Verbesserungen. Doch die drei neuen Videoreportagen überzeugen nur teilweise.
Das öffentlich-rechtliche Youtube-Format Strg_F wagt nach einem halben Jahr Pause den Neustart. Nach massiver Kritik an mehreren Reportagen, die im November aufkam, nahm sich die Redaktion der Vorwürfe an. Ende Mai veröffentlichte der NDR einen 17-seitigen Abschlussbericht. Kurz darauf erschienen drei neue Videoreportagen auf Youtube.
Hintergrund der Kritik war eine Reportage, die sich mit dem Nahrungsergänzungsmittelhersteller More Nutrition befasste. In dem Video kritisierte Strg_F unter anderem den reichweitenstarken Youtuber Rezo, der die Firma bewarb. Dieser reagierte mit einem Antwortvideo und bemängelte fehlende journalistische Sorgfalt der Redaktion. Aus Rezos Sicht hatte die Redaktion ihm nicht genügend Zeit eingeräumt, um auf Fragen zu antworten, außerdem seien Fakten nicht ausreichend geprüft worden.
Daraufhin veröffentlichte Strg_F ein Statementvideo: Statt Kritik anzunehmen, stritt man Fehler ab, verteidigte sich reflexartig. Ein weiteres Video Rezos folgte, ein Shitstorm ebenso. Strg_F sah sich nun gezwungen, echte Aufarbeitung zu betreiben. Die sie nun in den vergangenen Monaten vollzogen haben.
Der Abschlussbericht arbeitet die Vorwürfe Rezos im Detail auf, befasst sich mit Fehlern und klärt über sachliche Ungenauigkeit auf. Das Fazit: Vor allem Zeitdruck und Mangel an personellen Ressourcen hätten zu Fehlern geführt. Als Konsequenz wolle man den Output um ein Drittel reduzieren, Faktenchecks verbessern, Workflows optimieren und Drucksituationen vermeiden. Außerdem wolle man Recherchedokumente transparent machen und mehr Vorlauf für Presseanfragen einplanen.
Auf Zuspitzungen verzichten
Der Abschlussbericht bleibt trotz detailreicher Aufarbeitung der Fehler recht oberflächlich, befasst sich nur mit Vorwürfen, die Rezo ohnehin publik machte. Eine Aufarbeitung der Strukturen, die zu journalistischer Ungenauigkeit führten, fehlt. Eine Auseinandersetzung mit Zuspitzung und Skandalisierung, durch die Strg_F Reportagen häufig geprägt sind, ebenso.
In den drei neuen Reportagen geht es um den Rechtsstreit zwischen Bushido und Arafat, Pädokriminalität im Netz und die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Was auf den ersten Blick auffällt: Sie dauern mit jeweils rund 60 Minuten deutlich länger als zuvor. Zudem sind Recherchedokumente mit Quellenangaben verlinkt. Doch nicht alle, sondern nur „wichtige Quellen“ aufgelistet. Wie ausgewählt wird, welche Quelle im Dokument erscheint, bleibt unklar.
Sowohl in der Bushido-Arafat-Reportage, als auch im Frontex-Video wird mit Expert:innen gesprochen. Hier wird deutlich, dass sich Gedanken über Schnitt und Thesen gemacht wurde – auf Zuspitzungen wurde verzichtet. Ganz im Gegenteil zum Video, das sich mit Pädokriminalität befasst.
Boulevardeske Inhalte
Dort geben sich zwei Journalistinnen online als Kinder aus und lassen sich von erwachsenen Männern anschreiben. Die Reportage ist verstörend und reproduziert sexualisierte Gewalt. Der Schockfaktor nimmt unverhältnismäßig viel Raum ein, während Einordnung und Erklärung trotz Expert:innenstimmen zu kurz kommen.
Dass Strg_F ein halbes Jahr gebraucht hat, um Vorwürfe, die seit Monaten bekannt sind, aufzuschreiben, ohne Strukturen vollständig transparent zu machen, ist problematisch. Als öffentlich-rechtliches Format, das eine junge Zielgruppe anspricht, sollte die Redaktion sorgfältig arbeiten und auf Zuspitzungen verzichten.
Der Weg, den Output zu reduzieren, mag der richtige sein, wenn dafür mehr Zeit in einzelne Produktionen fließen kann. Doch das wird nicht reichen. Es fehlt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den eigenen boulevardesken Inhalten, die keine echten Antworten auf politische und gesellschaftliche Fragen liefern – sondern wo es nur um Skandale geht.
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