Studie zu jungen Medien-Formaten: Der neue Journalismus

Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung verteidigt teilinvestigative junge Formate. Sie wirft aber auch Fragen über die thematische Ausrichtung auf.

Die Journalistin Mariam Noori trägt ein Kopftuch und spricht mit ihrem Großvater auf einem Sofa

„STRG_F bei den Taliban“:Journalistin Mariam Noori mit ihrem Großvater Foto: STRG_F

Die Otto-Brenner-Stiftung (OBS) versteht sich ja als so eine Art „STRG_F“ des Medienbetriebs. Ihre Studien zu Redaktionen, medialen Spielarten und der Welt der Öffentlichkeit sind eintauchend und aufdeckend. Nah und journalistisch. Ehrlich und empathisch. Von daher ist es eine lustige Quadratur des Kreises, dass sich die gewerkschaftsnahe Truppe jetzt mit „STRG_F“ beschäftigt hat.

Genauer gesagt geht es um die teilinvestigativen Reporter*innen- und Presenterformate bei funk, also auch um „reporter“, „follow me.reports“ und „Die Frage“. Sie haben Erfolg, heimsen Grimme- und andere Preise ein und sind – schlimm. Das suggeriert jedenfalls der schön zugespitzte Studientitel „Journalistische Grenzgänger. Wie die Reportage-Formate von funk Wirklichkeit konstruieren“. Wie immer im Leben muss aber nichts so heiß gegessen werden, wie es gekocht oder gepressemeldet wird. Denn in Wirklichkeit ist die Studie des Journalistikprofessors Janis Brinkmann von der für innovativ-praxisnahe Ansätze bekannten Hochschule Mittweida (Offenlegung: Wir kennen uns und ich find die gut) eine Verteidigung der funk-Formate.

Denn funk wird ja vorgeworfen, es verschmutze „die mentale Psyche und Gesundheit“ (Wolfgang M. Schmitt) bzw. dort würde „Vielfalt zur Einfalt“ verdichtet (Neue Zürcher Zeitung). Das ist allerdings das gleiche Missverständnis, das schon ein gewisser Sokratoteles mit der Jugend hatte. funk hat eine andere Zielgruppe, genauer gesagt junge Menschen. Und funk, bzw. die von Brinkmann akribisch untersuchten Formate, sind junger Journalismus bzw. „New Journalism“, wie es in der Studie heißt.

Enge Themenauswahl und kaum Osten

Der bricht nun „mit vielen klassischen journalistischen Normen und setzt statt auf nüchterne Information radikal auf Subjektivität, Personalisierung und Emotionen“, so Brinkmann. „Den neuen heißen Scheiß verteidigen, weil die Formate eigentlich durch das Prüfregister gefallen sind“, meint die Mitbewohnerin. „Aber auch nur, weil das Prüfregister veraltet klassisch journalistisch, das Neue aber leider geil ist; und einer muss die Brücke wohl schlagen.“ Erfunden haben „New Journalism“ in den 1970ern Gestalten wie Hunter S. Thompson und Norman Mailer. Aber bevor jetzt jemand „Gonzo“ schreit, gemach! Wir sind mit funk immer noch bei ARD und ZDF.

Subjektivität, Personalisierung und Emotion sind Teil des Konzepts und gehen voll in Ordnung. Zu diesem Schluss kommt letztlich auch die OBS-Studie. Sie wirft aber auch berechtigte Fragen auf. Denn sie belegt z. B. eine ziemlich enge Themenauswahl bei „STRG_F“ & Co und moniert, dass der ländliche Raum kaum und der Osten so gut wie gar nicht vorkommen. Vielleicht sollte Janis Brinkmann die Ergebnisse einfach mal als Presenter-Reportage inszenieren und „STRG_F“ anbieten.

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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