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Naturschutz in DeutschlandKein Feiertag für Umweltschutz

Heike Holdinghausen
Kommentar von Heike Holdinghausen

Europa bekommt ein Naturschutzgesetz. Doch die besten Regeln nützen nichts, wenn sich keine Flächen für Nationalparks finden oder die Menschen dagegen sind.

Dieser Wald wird kein Nationalpark: Forstarbeiter im Eggegebirge Foto: Robert B. Fishman/ecomedia/imago

E s mangelt nicht an Wissen, Strategien oder Gesetzen. Das haben die Umweltminister der EU am Montag in Brüssel gezeigt, als sie nach einem fast einjährigen Tauziehen das Nature Restoration Law verabschiedeten. Mit diesem Gesetz soll die marode Natur Europas in den nächsten Jahrzehnten wieder in einen Zustand versetzt werden, der ein gutes Leben auch für künftige Generationen ermöglicht.

Das Gesetz wurde in den üblichen Lobby-Mühlen gemahlen, es wurde Teil eines politischen Machtkampfes, am Ende aber eben doch möglich. Das ist ein wichtiges Signal dafür, dass die EU-Institutionen den Schutz der Biodiversität und des Klimas nicht nachrangigen Interessen oder gar Machtspielchen opfern. In welcher Weise das Gesetz aber wirksam werden wird, ist allerdings fraglich.

Denn am Montag hat sich an einem Beispiel auch gezeigt: Dem Naturschutz mangelt es an Flächen, an Akzeptanz vor Ort. Das hat die Bevölkerung der Kreise Höxter und Paderborn eindrucksvoll mit der Ablehnung eines Nationalparks in ihren Kreisgebieten entschieden. Es ist einfach, sie als Opfer einer populistischen Kampagne zu sehen, die auch mit Falschinformationen gearbeitet hat – etwa, die Spazierwege im Nationalpark würden geschlossen, oder anliegende Landwirte dürften ihre Felder nicht mehr beackern wie bisher.

Doch es hatte auch den Befürwortern die Gelegenheit gegeben, ihre Argumente darzustellen; man muss den Bür­ge­r:in­nen schon zutrauen, eine informierte Entscheidung treffen zu können – wenn man nicht jede demokratische Teilhabe infrage stellen will.

Die bewusste Ablehnung der Mehrheit, einen kleinen Teil der Landesflächen – die sich auch noch im Besitz des Landes NRW befinden – nicht mehr forstwirtschaftlich zu nutzen und im Sinne der Natur sich selbst zu überlassen, ist umso dramatischer. Denn alle Gesetze und Strategien nützen nichts, wenn sich keine Flächen finden, auf denen sie sich umsetzen lassen. Und so macht der gestrige Montag, der eigentlich ein Feier-Tag für mehr Umweltschutz hätte werden können, vor allem ratlos.

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Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 72, schreibt über Rohstoffthemen, Chemie und gerne auch den Wald. (Mit-)Autorin verschiedener Bücher, zuletzt eine Stoffgeschichte über Seltene Erden.
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17 Kommentare

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  • Wenn die Betroffenen selber abstimmen können, ist das eben was Anderes als wenn man es anderen einfach aufzwingen kann.



    Es wird also darauf hinauslaufen, dass den Landwirten auf deren Flächen mehr Naturschutz aufgezwungen wird.



    Man kann aber auch ohne Nationalpark die Natur schützen. Man hat dann mehr Möglichkeiten in seinem Handeln und ist nicht in die engen Vorgaben gebunden, die teilweise auch nicht besser sind. Oft sind die nur theoretisch gut und/oder ideologisch und nicht logisch geprägt.

  • "There's no point for democracy where ignorance is celebrated"

    Demokratie funktioniert nicht in einem Umfeld, wo Vollidioten sich von Springer und anderen rechten Populisten aufhetzen lassen.



    Das geistige Niveau der deutschen Bevölkerung befindet sich im Sinkflug und dementsprechend fallen die demokratischen Entscheidungen aus.

    • @TeeTS:

      Das ist eine typische Argumentationslinie von rechten und anderen Demokratiegegnern.

      Sie müssen nur "rechte Populisten" ersetzen.

      Das meine mit "Nicht nur die Rechten , die ganze Gesellschaft ist einen Schritt nach rechts gerückt.

      Demokratisch sind Entscheidungen nur noch, wenn sie die eigene Meinung wiedergeben.

  • Kann man das Gesetz auch nutzen, wenn mal wieder uralte Waldbestände den "erneuerbaren Energien" geopfert werden sollen?

    Das wäre vllt. die letzte Rettung für Hohensaaten. Die Lindhorst-Gruppe dürfte toben.

    Gegen den Kahlschlag war übrigens exakt eine Partei. Welche? Googeln & wundern.

    • @DiDier:

      Das war in Grünheide auch so.

      Bei Veranstaltungen mit Bürgerbeteiligung kam das Thema Tesla gerne auf einen hinteren Tagesordnungspunkt.

      Kamen viele kritische Bürger, hat der Kommunenchef (SPD) gerne mal wegen des "Andrangs" die hinteren Tagesordnungspunkte weggelassen.

      Tesla fiel als Thema runter.

      Die Leute waren aber alle wegen Tesla gekommen.

      Kam es zu Diskussionen zu diesem Thema, gab es genau eine Frau, die gut vorbereitet war und kritisch nachfragte.

      Bei Abstimmungen war sie die Einzige,die dagegen votierte.

      Sie war aus eben jener Partei.

  • So zu tun, als brächte ein Nationalpark keine nennenswerten Einschränkungen für die Menschen vor Ort, ist auch falsch. Nationalpark bedeutet :es gibt Flächen die für Öffentlichkeit und Tourismus praktisch gesperrt werden. Und die Regel, Natur in den Nationalparkflächen ihren Lauf zu lassen, hat Auswirkungen auf die Nachbarn, die für Land- und Forstwirte existenzbedrohend sein können. Den kruden Hinweis, daß brächte doch Möglichkeiten (für andere) im Tourismus , bringen nur die, die es nicht betrifft. Tourismus gibt's im Eggegebirge auch ohne Nationalpark.

    • @Monomi:

      Dass Flächen (nicht Wege) für Öffentlichkeit unzugänglich werden, ist ja durchaus sinnvoll, das gibt es auch außerhalb von Nationalparks und als grundsätzliche Waldordnung.



      Existenzbedrohung durch NP oder NSG? Weil was genau passiert? Abgesehen von Verboten zum Einsatz von Pestiziden in einer Schutzzone fällt mir da wenig ein.



      Als Bewohnerin des waldreichsten Bundeslands samt diverser NSG, Naturparke und des Nationalparks (zwei Bundesländer) in der Nähe würde ich gern beruhigen in zweierlei Richtung: Schwarzstörche und Salamander leben hier auch außerhalb des NP, Forst- und Landwirtschaft wird hier weiterhin betrieben, der NP bringt aber zusätzlich Tourismus der angenehmen Art und zusätzlichen Schutz für einen Kernbereich.



      Wandern, Radeln, Reiten dürfen wir hier weiterhin im Wald, querbeetlatschen muss außer Förster und Jägerin keiner.

  • Höxter und Paderborn zeigen, dass direkte Demokratie Murks ist. Ich wette, dass ein sehr großer Teil derjenigen, die "Nein" gewählt haben, keinen blassen Dunst von der Dringlichkeit des Projektes Nationalpark hatte.

    • @Axel Donning:

      "Ich wette, dass ein sehr großer Teil derjenigen, die "Nein" gewählt haben, keinen blassen Dunst von der Dringlichkeit des Projektes Nationalpark hatte."

      Und ich wette, dass diejenigen, die solche Ergebnisse betrauern, keinen blassen Dunst haben vom Widerstand gegen solche Projekte innerhalb der Grünen vor Ort. Da kommen die vorbehaltlosen Befürworter auch nur aus den weiter entfernten Städten. Wenn dann noch - wie seinerzeit beim Nationalpark Nordschwarzwald - wegen der Skepsis von Wirtschaft und IHK Mitarbeiter- und Kundenparkplätze von Reifenschlitzern "besucht" werden, kann eine Abstimmung fast nur noch scheitern.

      • @FriedrichHecker:

        Die Wette haben Sie zumindest was meine Person anbelangt verloren.

    • @Axel Donning:

      Im Gegenteil. Beide (CDU-dominierten) Kreistage hatten bereits zuvor den Nationalpark abgelehnt. Nur der Bürgerentscheid bot überhaupt die Möglichkeit, noch einzugreifen.

      • @Viktor Turnow:

        Ja, das stimmt, aber tatsächlich wurde von einigen CDU - Vertretern das Wahlergebnis als Sieg der lebendigen Demokratie dargestellt, was ich für eine Farce halte.

  • Weshalb Ratlosigkeit und Dramatik?

    Es nützt nichts, nur gute Ideen zu haben.

    In einer Demokratie muss man die anderen auch noch davon überzeugen.

    So läuft das nun mal.

    Beim nächsten Mal besser machen.

    Heizen dort eventuell viele mit Holz?

    Dann kommt man mit dem Zauber unberührter Natur nicht weiter.

    Die Leute wollen es im Winter warm haben.

    • @rero:

      Es geht beim Nationalpark im wesentlichen darum: Existiert er, werden die Regeln dafür in Düsseldorf, Berlin und Brüssel gemacht. Also ziemlich weit weg. Von Leuten die von den Folgen nicht betroffen sind. Das mag man in Ostwestfalen gar nicht.

      • @Monomi:

        Nachvollziehbar.

        Ich persönlich mag ja solche Leute.

        Sie sind für mich das Salz in der Demokratiesuppe. :-)

      • @Monomi:

        Ja, so wie alle übergeordneten Regeln nun einmal nicht in Pusemuckel gemacht werden. Die Straßenverkehrsordnung und andere Rechtsgrundlagen werden auch nicht in Ostwestfalen gestaltet. Dafür dürfen ja auch die Ostwestfalen bei Wahlen ihr Kreuz machen und ggf. gegen die Regierung demonstrieren gehen. Ich wünsche mir nun anderen Ortes einen NP, auf den die Gegner dann in Zukunft furchtbar neidisch sein werden.

  • Diese Entwicklung zeigt überdeutlich wie sehr die Politik von der Lobby interessiertr Unternehmen beeinflusst wird. Wenn wir in unseren Gesellschaften von "Werten" schwafeln und uns als korruptionsresistent feiern, dann übersehen wir das nur allzu leicht - und gern. Der simple Spruch "Geld regiert die Welt" ist leider kaum zu widerlegen. Aus purem Eigennutz und Machtgier lassen sich die meisten Parteien darauf hemmungslos ein. Und sollte doch mal eine Partei geringfügig von dieser Linie abweichen, dann wird -mit allem was zur Verfügung steht legal oder auch nicht- gegen die gestänkert bis sie entweder in der Versenkung verschwindet oder mitmacht.