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Leipziger Musikclub IFZ schließtHypezig ist vorbei

Der Leipziger Club „Institut fuer Zukunft“ verkündet kurz nach seinem zehnten Geburtstag die Schließung – aus finanziellen und politischen Gründen.

Auch während der Coronoazeit geschlossen: Eingungstür des IfZ in leipzig Foto: Thomas Dietze/imago

Es sind drei Tage Begegnung, Ekstase, Ausgelassensein. Ein Wiedersehen mit alten Bekannten und Freun­d*in­nen und ein Aufeinandertreffen von Generationen: Noch im April feierte der Leipziger Club Institut fuer Zukunft (IfZ) zum zehnjährigen Bestehen mit Punkkonzert, Clubnacht und Day-Rave das, wofür der Club bei seiner Gründung antrat: „Another sound is possible“. Ein Sound, der die Leipziger Clublandschaft immens prägen sollte.

Doch Ende Mai, nur wenige Wochen nach dem zehnten Geburtstag, steht fest: Das Institut für Zukunft muss schließen. Bis Ende des Jahres wird der Club in seiner aktuell bestehenden Form noch Veranstaltungen machen, danach heißt es Goodbye Zukunft.

2014 eröffnete eine Gruppe Mittzwanziger den Club mit dem Ziel, etwas Neues zu schaffen: Nichtkommerziell, diskriminierungsfrei und basisdemokratisch – so weit das als Unternehmen eben möglich ist. Das IfZ war der erste Leipziger Club mit Safer Clubbing und Awarenesskonzept und leistete Pionierarbeit in Sachen Empowerment von FLINTA an den Decks. Vom Musikmagazin Groove wurde der Club unter die beliebtesten Deutschlands gevotet, vom Bundeskulturministerium mehrfach mit dem „Applaus Award“ für Livespielstätten ausgezeichnet – im Jahr 2018 sogar auf Platz 1.

Ein Raum der Selbstverwirklichung

Mit dem Institut fuer Zukunft verabschiedet sich ein Ort, der für Leipzig, Ostdeutschland und die internationale Clubkultur von großer Bedeutung war. Neben den Partys gab es zahlreiche Lesungen, Podiumsdiskussionen und Workshops, die vor allem vom inzwischen aufgelösten hauseigenen Verein „Kulturraum e. V.“ (KreV) umgesetzt wurden. In die Stadt wirkte der Club nicht nur als Magnet für Raver, sondern auch als kulturpolitischer Akteur:

So waren Ver­tre­te­r*in­nen des IfZ 2018 maßgeblich an der Abschaffung der Sperrstunde in Leipzig beteiligt. Und während der Coronapandemie beherbergte der Club kurzerhand Testzentrum und Impfstation.

Für viele wurde das IfZ zum Herzensort, der Potenzial zu Entfaltung und Empowerment bot. Auch für Luisa. Sie kam als Gästin in den Club, entwickelte sich zum DJ weiter und ist nun für die Öffentlichkeitsarbeit festangestellt. „Ich habe hier meine Leidenschaft für Clubkultur entdeckt“, sagt sie. Sie habe im IfZ Konzepte entwickeln und verwirklichen und so auch anderen Nach­wuchs­mu­si­ke­r*in­nen eine Bühne bieten können. „Dieser Raum der Selbstverwirklichung bricht mit der Schließung weg.“

Wie kann es sein, dass ein so erfolgreicher und kulturell reicher Ort schließen muss?

Es gibt viele Antworten auf diese Frage. Eine davon ist simpel: Das Geld fehlt. „Ob Corona, Inflation, interne Konflikte oder das Sterben der Clublandschaft – die letzten Jahre haben uns vor wahnsinnig viele Herausforderungen gestellt“, sagt Gründungsmitglied und Geschäftsführer Franz Thiem. „Am Ende stehen wir vor einer finanziellen Situation, die uns keine Wahl lässt.“

Von den Einbußen der Pandemie hat sich der Club nie richtig erholt, insbesondere die anstehenden Rückzahlungen der staatlichen Coronahilfen stellen eine große Herausforderung dar. Hinzu kommen Inflation und eine gesamtgesellschaftliche Krise, in der zwar die Preise für sämtliche Ausgaben steigen, die Einkommen der Gäs­t*in­nen aber nicht. „17 Euro Eintritt – das können sich viele schlichtweg nicht mehr regelmäßig leisten“, so Thiem. Die Utopie einer Clubkultur, die nach Freiheit, Antidiskriminierung und Kollektivität strebt, wird von der kapitalistischen Realität eingeholt.

Der Druck der Positionierung

Aber neben dem finanziellen Druck sind es auch politische Gründe, die das IfZ zunehmend in Bedrängnis gebracht haben. Insbesondere nach dem 7. Oktober stieg international der Druck auf Kulturinstitutionen, sich eindeutig zur Israel-Palästina-Debatte zu positionieren. Im Falle des IfZ stieß die Positionierungsfrage auf eine uralte linke Debatte: Positioniert man sich solidarisch mit Israel oder mit Palästina? Geht vielleicht sogar beides? Oder aber: Positioniert man sich gar nicht?

„Wir haben uns bemüht, einen Mittelweg zu finden und Raum für alle Menschen zu bieten – auch jene, die von Rassismus und/oder Antisemitismus betroffen sind“, sagt Thiem. „Aber wir können nicht auflösen, worüber sich andere seit Jahrzehnten streiten.“ Intern wurde immer wieder um eine Einigung gerungen. Es gab Stimmen, die sich für eine internationale Szene und damit pro-palästinensischen Positionen gegenüber öffnen wollten – und Stimmen, die das vehement ablehnten. Thiem sagt: „Der Versuch, Positionen zu verbinden und Widersprüche auszuhalten, ist gescheitert.“

Analog dazu veränderte sich auch die Leipziger Clubszene und mit ihr die Positionierungen: War Leipzigs Linke lange von israelsolidarischer Haltung dominiert, wurden zunehmend auch internationale und (post-)migrantische Stimmen laut, die sich palästinasolidarisch positionierten. Auch im Club: Die Ansprüche der Gäs­t*in­nen veränderten sich, immer mehr forderten auch BIPOC in der vormals von weißer Hegemonie geprägten Clubszene Leipzigs ihren Raum und ihre Positionen ein.

Lokal wie international wird in der Clubkultur mehr denn je über die Frage nach politischer Positionierung gesprochen, werden Kulturinstitutionen gecancelt oder Veranstaltungen boykottiert. Im Falle des Institut fuer Zukunft führte das dazu, dass sowohl pro-palästinensische als auch pro-israelische Akteure den Club hinaus boykottierten – mit Strahlkraft weit über Leipzig hinaus und Konsequenzen, die sich auf die Wirtschaftlichkeit des Clubs auswirkten. Die Folge: Mu­si­ke­r*in­nen sagten ihre Gigs ab, Gäs­t*in­nen blieben weg, der Laden geriet international in Verruf.

Der Hype ist vorbei

Die Schließung reiht sich ein in eine Gesamtentwicklung der Stadt: Die einstige Utopie des Leipzig, in dem alles möglich und mit wenig Geld umsetzbar ist, ist der Aufwertung zu einer gehypten Metropole gewichen, in der Mietpreise steigen, Flächen verbaut werden und Freiräume verschwinden. Allein in diesem Jahr mussten zwei weitere Leipziger Clubs ihre Türen schließen: Der traditionsreiche Techno-Club Distillery und das experimentell-elektronische Clubprojekt Mjut. Im Falle der Distillery wird es einen neuen Standort geben – im Falle des Mjut bespielen neue Betreiber den alten Ort.

Und beim Institut fuer Zukunft?

„Wir können dazu aktuell noch nichts sagen“, so Thiem. Erst einmal stehe im Vordergrund, mit den letzten Monaten einen guten Abschied mit den vielen Weg­be­glei­te­r*in­nen zu finden.

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2 Kommentare

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  • Die Szene ist, in der Regel, im prekären einkommensschwachen Partyvolk verankert.



    Wer sich schon am Eintritt von 17 € verhebt, steht den ganzen Abend mit einem ( mit Einem ) Wasser oder Cola rum, diese " Kunden" sind der finanzielle Gau.



    Ein weiteres Beispiel: Lesbensclubs in Berlin..dort ist die Regel ich halte mit einem Glas Cola den ganzen Abend, ach was, wenn nötig die ganze Nacht durch.



    Als Wirtin muss man dort Geld mitbringen, Verdienst eigentlich unmöglich.



    Ganz anderst in den Homoclubs ....dort klingelt die Kasse.



    Im Berghain...auch dort wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel.

    Sylt da geht die Post ab, Eintritt Pony Club am Wochenende in der Hochsaison 150 €...die 0,7 Flasche Dom Perignon? ich verkneifs mir nur soviel...dafür kann man in der taz Kantine einen vollen Monat speisen ( übrigens die ist öffentlich)

  • Schade.