75 Jahre Grundgesetz: Lücke in Sachen Asyl

Keine Feier ohne Wermutstropfen: Geflüchteten bietet das Grundgesetz kaum Schutz. Aber es ermöglicht Abschiebungen in „sichere Herkunftsländer“.

Geflüchtete vor einem Aufnahmezentrum auf Zypern

Geflüchtete im Februar vor einem Aufnahmezentrum in der Gemeinde Kofinou auf Zypern Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Ein Staatsakt vor dem Bundestag, ein Demokratiefest übers Wochenende: Deutschland gratuliert sich zum Grundgesetz. Dabei ist diese deutsche Ersatz-Verfassung nur teilweise eine Erfolgsgeschichte, wie nicht zuletzt die Zahlen zu Abschiebungen zeigen, die am Donnerstag bekannt wurden. Einen Anstieg um 34 Prozent bei der Zahl der Abschiebungen im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum teilt das Bundesinnenministerium auf Anfrage der Linken mit.

Mit dem Grundgesetz hat das insofern zu tun, als es diesen Umgang mit Geflüchteten zulässt. Hieß es einst in Artikel 16 ganz schlicht „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, wurde dieser Paragraf in den 1990er Jahren mit zahlreichen Einschränkungen versehen. Beschlossen wurde das von Union und FDP, die SPD unterstützte das Vorhaben. Seitdem spielt das im Grundgesetz vorgesehene Asylrecht keine große Rolle mehr. In Fällen, in denen Geflüchtete Schutz erhalten, geschieht das fast immer auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention.

Sehr wohl bedeutsam ist dagegen das seit den 1990ern im Grundgesetz festgehaltene Prinzip der sicheren Herkunftsländer. Nur eben nicht zugunsten der Geflüchteten. Ein Hauptziel der Abschiebungen 2024 war bisher Georgien, das die Bundesregierung 2023 zum sicheren Herkunftsland erklärt hat. Die Einstufung senkt die Chancen auf einen Schutzstatus für Menschen von dort dramatisch. Dabei gibt es in Georgien – genauso wie in vielen anderen der vermeintlich sicheren Herkunftsländer – weiterhin Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen.

Wie schwach das Grundgesetz beim Schutz für Geflüchtete ist, zeigt sich auch daran, dass einige der jüngsten Abschiebungen Je­zi­d*in­nen betreffen, die vor dem Genozid durch den IS im Irak geflohen waren. Die Bundesregierung zwingt also Überlebende eines Völkermords zurück in ihr Herkunftsland, wo ihnen weiterhin Gefahr droht. Es fällt schwer, sich einen größeren Bruch mit dem vorzustellen, was das Grundgesetz einst garantieren sollte.

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