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Anerkennung von palästinensischem StaatGegenwind für die Hamas

Kommentar von Susanne Knaul

Die Anerkennung Palästinas ist ein wichtiges Signal an die Palästinensische Autonomiebehörde. Mit ihr steht und fällt jede Lösung des Konflikts.

Am israelischen Militärkontrollpunkt Qalandia in der Nähe von Ramallah im Westjordanland Foto: Nasser Nasser/ap

I m Unisono kommentieren Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und die Hamas die Anerkennung des Staats Palästina durch drei europäische Staaten. Sie sei eine Belohnung für die Islamisten. Was für ein Unsinn! Die politische Geste richtet sich an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im West­jor­dan­land. Wenn überhaupt irgendjemand belohnt wird, dann ist es die Regierung der Fatah und damit der innenpolitische Gegner der Hamas.

Eigentlich hätte man denken können, dass die Ansage Irlands, Norwegens und Spaniens kaum Auswirkungen auf die Entwicklungen im Nahen Osten haben würde. Schließlich hat die bisherige Anerkennung des unabhängigen palästinensischen Staates durch über 140 UN-Mitgliedstaaten die Region einer Konfliktlösung auch schon nicht näher gebracht.

Nun hat der diplomatische Rückenwind aus Europa aber ganz offensichtlich eine erfrischende Wirkung auf die PA. So stimmt der palästinensische Regierungschef Mohammad Mustafa ganz neue Töne an, wenn er sagt: „Die PA bereitet sich auf die Regierung in Gaza vor.“ Die offizielle Haltung zu möglichen Nachkriegsszenarien lautete bislang, dass man nicht auf den Panzern Israels in den Gazastreifen zurückkehren wolle. Ein Bild, das sich in den Augen der palästinensischen Öffentlichkeit zweifellos nicht gut macht.

Nach den vergangenen acht Monaten weniger denn je. Tatsächlich aber besteht längst eine Allianz aus der PA und ihren Sicherheitsdiensten mit Israels Armee. Die Hamas hat 2007 nach bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen und hält sie bekanntermaßen mit Gewalt und Strenge gegen alle Oppositionellen bis heute.

Wahlen sind unabdingbar

Um eine Wiederholung dieser militärischen Niederlage im West­jor­dan­land zu verhindern, ließen damals die ­Fatah-nahen Al-Aksa-­Brigaden die Waffen fallen und den Kampf gegen die israelische Besatzung sein. Die Sicherheitskräfte der PA kooperieren seither mit dem israelischen Militär im Kampf gegen den gemeinsamen Feind Hamas. Die PA würde also keineswegs Neuland betreten, wenn sie nach von Israels Armee getaner Arbeit in den Gazastreifen zurückkehrte.

Auch wenn die Hamas nicht komplett ausgelöscht ist – ein Ziel, das BeobachterInnen zunehmend als utopisch betrachten –, stellt sie auf absehbare Zeit kaum eine Bedrohung für die PA dar. Problematisch bleibt die Legitimität der Führung. PA-Präsident Mahmud Abbas gilt zu Recht als überholt. Über kurz oder lang werden Wahlen abgehalten werden müssen. Einer aktuellen Umfrage im Westjordanland zufolge sind die PalästinenserInnen allerdings blöd genug, ihre Fehler von einst zu wiederholen.

Neben gut 30 Prozent, die eine Regierung der nationalen Einheit bevorzugen, wünschen sich 21 Prozent eine Regierung der Hamas, und nur noch 9,7 Prozent unterstützen die Fatah. Absurderweise hat der Krieg im Gazastreifen der Hamas im Westjordanland zu mehr Popularität verholfen. Knapp 40 Prozent der Befragten glauben, dass das Massaker am 7. Oktober und der Krieg im „nationalen palästinensischen Interesse“ sei.

Palästinas Außenpolitik geht Israel nichts an

Die Erkenntnis, dass der bewaffnete Widerstand gegen Israel Krieg und Verderben bringt, dass sich Frieden hingegen lohnen könnte, ist noch immer nicht ins Bewusstsein breiter Bevölkerungskreise gedrungen. Dabei hätte es so anders laufen können nach der Befreiung von der israelischen Besatzung im Sommer 2005, als Israel SiedlerInnen und Truppen aus dem Ga­za­strei­fen – und auch von der Grenze nach Ägypten – abgezogen hat.

Mit großen Gasvorkommen im Mittelmeer und mit kilometerlangen Sandstränden, die TouristInnen aus dem gesamten Nahen Osten locken könnten, hat der Gazastreifen ein enormes wirtschaftliches Potenzial. Stattdessen stecken die Islamisten, die nur Monate nach dem Abzug an die Macht gewählt wurden, die Gelder aus Katar in den Bau von Terrortunneln und Waffen, und die Hamas bleibt bis heute beliebteste politische Bewegung. Es ist nicht zu fassen.

Einen Versuch, durch interna­tio­nale Unterstützung der PA deren innenpolitisches Ansehen aufzupolieren, wäre es allemal wert. Ein konzertiertes Handeln von USA, EU- und arabischen Staaten, wie Meron Mendel es im taz-Interview anspricht, hätte zweifellos mehr Aussicht auf Erfolg als ein dahinplätscherndes Anerkennen Palästinas durch einzelne Länder. Bei den Menschen in Ramallah hat Letzteres jedenfalls kaum Euphorie ausgelöst.

Es bräuchte viel mehr Rückenwind für die PalästinenserInnen, mit denen eine Konfliktlösung möglich ist. Seltsamerweise hält sich auch Deutschland noch immer an Netanjahus Mantra, dass eine Anerkennung Palästinas nur Folge von Verhandlungen sein kann. Für die palästinensische Außenpolitik ist allerdings nicht Israel zuständig, sondern Ramallah.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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16 Kommentare

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  • "Absurderweise hat der Krieg im Gazastreifen der Hamas im Westjordanland zu mehr Popularität verholfen."

    Das ist auch meiner Meinung nach nicht absurd. Ich gehe davon aus, dass die arabischstämmigen Menschen dort in der Region andere Werte teilen und ich meine ebenso, dass uns hier im Westen mittlerweile eine Vorstellung davon fehlt, wie religiöse Menschen denken, fühlen und handeln.

    Ein eindrucksvolles Zitat von Herrn Ismail Haniyeh, nachdem er vom Tod seiner Kinder und Enkel erfuhr:



    "„Ich danke Gott für diese Ehre, die er uns mit dem Märtyrertod meiner drei Söhne und einiger Enkelkinder erwiesen hat.“"

    Für viele religiöse Menschen ist das Nachleben wichtiger als das Leben im Hier und Jetzt und entsprechend wenig kompromissbereit und entgegenkommed sind sie.

  • Es ist wirklich nicht zu fassen. Anscheinend sind es nicht nur ein paar, die Gewalt wollen und dann die Friedlichen schikanieren und in den Hintergrund drängen.

    Wie oft nach dem Arabischen Frühling - es gab freie Wahlen und wer wird gewählt? Islamisten.

  • In Ost-Jerusalem und im Westjordanland haben sich mittlerweile über 700.000 jüdische Siedler*innen niedergelassen. Damit hat Israel einer Zweistaatenlösung die endgültige Absage erteilt, ohne eine Alternative zu nennen ("zwei Nationen, ein Staat" bspw oder Vollendung der Nakba). Wie können wir - alle die über eine Lösung zu reden vorgeben - das ausblenden und ernstgenommen werden wollen?

  • 6G
    600539 (Profil gelöscht)

    Mit welchen PalästinenserInnen wäre denn im Momentum eine friedliche und ernstgemeinte Konfliktlösung möglich , das wüsste ich gerne.



    Und wie Sie hier schon so treffend beschreiben im Status Quo ist es tatsächlich immer noch so das die radikalsten Islamischen Kräfte , in der Bevölkerung ( egal ob in Gaza oder im WJ- Land ) den meisten Zuspruch haben . Es wird unglaublich aber wahr immer noch eher auf Hass und Terror gesetzt als auf Dialog und Frieden .



    Daher sind die Anerkennung Allüren der Eu Staaten ; das hofieren und glorifizieren der Hamas im Moment definitiv das falsche Signal .

  • "Absurderweise hat der Krieg im Gazastreifen der Hamas im Westjordanland zu mehr Popularität verholfen."

    Wieso "absurderweise"? Der Judenhass und der Wunsch, Israel auszulöschen ist in der Region doch weit verbreitet.

  • Danke. Vllt mal auch dem AA & Baerböckchen auf die Treppe legen.



    Den tazis too.

  • Ja zu Palästina, NEIN zu Hamas! Ja zu Israel, NEIN zu radikalen Siedlern (und manchen orthodoxen Juden).

  • Die Vorstellung, dass der Gazastreifen sich in Frieden wirtschaftlich entwickeln hätte können, ohne dass es eine Friedenslösung für das Westjordanland gibt, scheint mir wenig glaubwürdig. Die Mehrheit der Palästinenser sieht sich als eine Nation - wenn Israel seine Siedlungs- und Annexionspolitik im Westjordanland und in Ostjerusalem fortführt, dann wird es keinen Frieden geben. Die amerikanischen und europäischen Verbündeten Israels müssten die israelische Regierung zwingen, die Siedlungstätigkeit einzufrieren, um Verhandlungen über einen Friedensschluss zu ermöglichen. Weder die USA noch Deutschland scheinen dazu bereit zu sein.

    • @Kölner Norden:

      Es gibt da diesen Uralten diplomatischen Trick: wenn einer etwas nicht tun will, dies aber nicht zugeben, werden Bedingungen und Forderungen formuliert, von denen man weiß, dass die Anderen sie nicht akzeptieren würden. Die meisten Leute fallen darauf rein, weil sie gar nicht darauf kommen die Frage zu stellen, warum die jeweilige Bedingung erforderlich sein sollte?

      Warum sollte man nicht über ein Friedensabkommen verhandeln können, auch wenn der Siedlungsbau fortschreitet? Vielmehr sollte dies ein Grund sein, so schnell wie möglich zu einer Einigung zu kommen, bevor noch mehr Land durch die Siedlungen besetzt ist!

      Mein Eindruck ist, dass die Pal. Seite z. Z. nicht verhandeln will. Ich vermute als Grund, dass die Führung in einer Sackgasse steckt: Isr. wird realistisch gesehen weder einer „Rückkehr“ der Flüchtlingsnachkommen n. Isr. zustimmen, noch wird es zu einer Teilung Jerusalems bereit sein. Eine pal. Führung die so einem Abkommen zustimmen würde, würde von radikaleren Teilen der Bevölkerung als Verräter angesehen, und wohl nicht lange zu leben haben.

  • 2G
    2422 (Profil gelöscht)

    “Einer aktuellen Umfrage im Westjordanland zufolge sind die PalästinenserInnen allerdings blöd genug, ihre Fehler von einst zu wiederholen.“ Von der Blödheit der Mehrheit der israelischen Bevölkerung, sich einen mit faschistoiden Siedlerpolitikern verbündenden und die Hamas hochpäppelnden Ministerpräsidenten an den Hals zu wählen, wollen wir lieber erst gar nicht reden, oder?

  • Wäre ja auch zu schön, wenn man sich auf die palästinensische Demokratie verlassen könnte. Ist leider nicht in Sicht - und damit bleibt das beste Argument für weiteren Druck aus israelischer Sicht nachvollziehbar.

  • Erfrischend ehrlicher Artikel.

    Es hätte wirklich besser für die Palästinenser laufen können wären sie nicht durch die arabischen Staaten, die Muslimbrüder und Mohammed Amin al-Husseini dermaßen sabotiert worden.

    Die Ablehnung der von der UNO 1948 mit Zweidrittelmehrheit vorgeschlagenen Zwei-StaatenLösung.

    Und Arafat bekam von Israel spätestens 1993 die Chance durch das Oslo-Abkommen sowie 2000 und 2001, Camp David und Taba, einen Palästinensischen Staat zu bekommen, mit 97 Prozent des Westjordanlandes plus Ost-Jerusalem plus Gaza. Abbas bekam 2005 mit Israels Rückzug aus Gaza die Chance und 2008 unter Olmert. Alles verpasst. Unverdrossen wird aber behauptet: Israel hätte sich seit jeher geweigert. Nein, die PLO ist gescheitert. Und erst recht Hamas. Die Tragödie des palästinensischen Volkes besteht darin, dass es von seinen eigenen Führungen als Kanonenfutter missbraucht wurde.

  • Barghouti endlich freilassen. Er könnte der nötige Mandela sein. Seine Verurteilung galt als rein politisch motiviert, um genau das zu verhindern.

    Jede palästinensische Regierung braucht dann Fairness und universale Gleichberechtigung (allein damit nicht die nächste Hamas auftritt). Was Israel selbst möchte: Souveränität, Selbstbestimmung, Entwicklungschancen, sollte es selbst auch beim andern fördern.

    • @Janix:

      Den Anführer der al-Aqsa-Brigaden und Architekten der zweiten Intifada freilassen? Was komnt als nächstes? Sinwar den Friedensnobelpreis verleihen?

  • Hat sich die Fatah nicht 2017 mit der Hamas vereint und damit selbst ihre indirekte Anerkennung des Existenzrechts Israels ad-absurdum geführt?

  • "Die Erkenntnis, dass der bewaffnete Widerstand gegen Israel Krieg und Verderben bringt, dass sich Frieden hingegen lohnen könnte, ist noch immer nicht ins Bewusstsein breiter Bevölkerungskreise gedrungen."

    Auf diese Erkenntnis wartet Israel seit 1948. In Wahlen würde die Hamas gewinnen. Wie stellt sich die Verfasserin das Vorgehen in dem Staat Palästina konkret vor? Wann gibt es Wahlen? Wer entscheidet darüber, wer zu den Wahlen zugelassen wird? Wer arbeitet die Verfassung aus? 72% der Palästinenser in der Westbank wünschen sich mehr bewaffnete Gruppen wie die Hamas.

    www.timesofisrael....oups-in-west-bank/

    Der Verweis darauf, dass die Außenpolitik in Ramallah gemacht würde, ist wohlfeil. Erstens wird sie momentan in Gaza gemacht und zweitens: wer garantiert, dass diese Außenpolitik zukünftig weniger von Terror und Antisemtismus geprägt ist? Und wer wird etwas gegen solche Außenpolitik unternehmen? Spanien, Irland, Norwegen, Nicaragua und Südafrika? Oder überlässt man das wieder Israel, nur um sich dann wieder Übungen in "Israelkritik" hingeben zu können.