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Judenhass in der UniversitätAuf dem Weg in die Unfreiheit

Studierende an der Columbia-Universität in den USA lassen ihrem Hass auf Juden freien Lauf. Die Uni schützt eher die Täter als die jüdischen Studierenden.

Spuren des Protests: Viele jüdische Studierende bleiben mittlerweile dem Campus fern Foto: Andrea Renault/imago

A ch, es muss schon schwer sein in diesen Tagen, ein antiisraelischer Demonstrant an einer US-Eliteuniversität zu sein. Da will man doch nur gegen den Krieg in Gaza, gegen Israel und die Politik von US-Präsident Joe Biden demons­trieren – und, oops, hat man noch ein paar Juden beleidigt, ihnen den Tod gewünscht und sich als Freund der Hamas und anderer Terrorgruppen präsentiert.

Als friedlicher Demonstrant kann einem schon mal so etwas wie Folgendes herausrutschen: „Legt Tel Aviv in Schutt und Asche!“, „Geht zurück nach Polen!“, „Ihr habt keine Kultur; alles, was ihr tut, ist kolonisieren!“, „Al-Qassam [Brigaden], macht uns stolz, schaltet einen weiteren Soldaten aus!“ Oder: „Wir sagen Gerechtigkeit – ihr sagt wie? Brennt Tel Aviv nieder. Los, Hamas, wir lieben dich. Wir befürworten auch deine Raketen.“

Dies sind Sätze, die propalästinensische Studierende und andere Teilnehmende in den vergangenen Tagen rund um das Protestcamp an der Columbia University in New York laut Berichten von sich gegeben haben. Sie bedrängten „Zionisten“, formten Menschenketten und beschimpften Juden.

In den Augen der hasserfüllten De­mons­trant:in­nen und ihrer Un­ter­stüt­zer:in­nen sind die genannten Ausrufe wie auch die Forderung an die Universität, Firmen zu boykottieren, die aus ihrer Sicht „von der israelischen Apartheid“ profitieren, legitime Israelkritik. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, argumentieren mit Meinungsfreiheit. Eine Demokratie müsse so etwas schon aushalten können, oder? Dabei vergessen diese Menschen wie so oft, dass Meinungsfreiheit nicht bedeutet, seine Meinung unwidersprochen kundtun zu können. Meinungsfreiheit gilt auch nicht grenzenlos. Es ist gibt keine Freiheit, andere zu bedrohen. Der Aufruf zu Gewalt und Terror ist nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Keine Hemmungen mehr

Viele jüdische Studierende bleiben in der Folge dem Campus fern. An der Lehre sollen sie digital teilnehmen, weil sie schließlich bedroht sind. Mal wieder sind es die Juden selbst, die Betroffenen, die gehen müssen. Man lagert sie aus. Oder anders ausgedrückt: Es ist das Einknicken vor der Gewalt, vor dem Antisemitismus der Schreihälse. Täterschutz statt Opferschutz. Wenn es an einer Eliteuniversität weniger gefährlich ist, Judenhass über den Campus zu schreien und Terror zu beklatschen, als erkennbar als Jude auf diesem Campus zu existieren, dann läuft etwas falsch, verschiebt sich eine Grenze.

Die Protestierenden empfinden nicht einmal mehr Angst oder Hemmungen, ihre Faszination und Sympathie für Terror zu zeigen. Sie zeigen ihren Judenhass offen. Obsessiv wirken die Protestierenden, wenn sie ihren Hass jüdischen Studierenden entgegenbrüllen. Wahnhaft, wenn sie ihren Jubel der Hamas gegenüber kundtun. Sie schreien ihre Parolen mit einer existenziellen Verve in die Welt, als hinge ihr eigenes Leben daran. Ihren eigenen Hass projizieren sie auf die Figur des Zionisten (gemeint sind Juden), dem sie wiederum selbst Hass gegen Palästinenser vorwerfen. Solche antisemitischen Bezüge finden sich schon bei Voltaire oder Hegel – sie wirken fort. Letzterer überlieferte, dass „im Begriffe der Juden der Hass gegen andere Völker verankert“ sei.

Hass ist eine starke Emotion. Gegen sie rational zu argumentieren hat wenig Aussicht auf Erfolg. Denn wie erreicht man jemanden, der nur in seiner subjektiven Realität steckt, in einem Glaubenssystem, in dem Gefühle zum Maßstab und als Fakten umgedeutet werden?

Im Geiste des jüdischen Fests Pessach, das gerade gefeiert wird und an den Auszug der Juden aus der ägyptischen Sklaverei erinnert, passiert zynischerweise ein langsamer Exodus. Keiner der Befreiung, sondern einer, der den Juden die Freiheit nimmt: die Freiheit der Unversehrtheit und die Freiheit, ohne Angst studieren zu können.

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Erica Zingher
Autorin und Kolumnistin
Beschäftigt sich mit Antisemitismus, jüdischem Leben, postsowjetischer Migration sowie Osteuropa und Israel. Kolumnistin der "Grauzone" bei tazzwei. Beobachtet antidemokratische Bewegungen beim Verein democ. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.
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8 Kommentare

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  • Gerade in der Jungle World gelesen:

    Katar hat 2001 5 Milliarden Dollar an Universitäten in den USA gespendet. Mehr als jede andere ausländische Regierung.

    "And it’s not just tuition money that schools are milking. Foreign governments also write big checks to ensure that their students—and their politics—are given red-carpet treatment at big-name universities. According to the National Association of Scholars, since 2001 Qatar has given around $5 billion to American universities, more than any other foreign government. Between 2014 and 2019, American colleges and universities received $2.7 billion in Qatari funding without any public acknowledgment of the source of those funds. Given that Qatar hosts the leadership of Hamas, one can see how cracking down on Hamas-sympathizing students might seem like a bad idea for university presidents who cash Qatari checks."

    jungle.world/blog/...anischen-eliteunis

  • Für viele dürfte nicht Hass der Antrieb sein, sondern das Gefühl, dass Gerechtigkeit mit Füßen gerteten wird. Gerechtigkeit ist für viele Menschen einer der höchsten Antriebe - aber auch kein ganz einfacher. Das Leid der Menschen in Gaza ist offensichtlich, ihre Hilflosigkeit gegen ein lokal übermächtiges Israel auch. Nun scheint es aber auch nicht so, dass sich alle nichts lieber als einfach nur Frieden wünschten. Glaubt man Berichten, gibt es keinen tiefen Groll auf die Hamas, aber viel Zustimmung dazu, dass man sein Land verteidigt, auch wenn es Opfer kostet. Geht man über Gaza hinaus, steht eher das kleine Israel gegen eine übergroße und mächtige arabische, muslimische, "global-südliche" Weltgemeinschaft mit viel Rückhalt in den UN und zunehmend auch im Westen. In vielen muslimischen Ländern sind Juden/Israelis(eher jüdische Israelis) unerwünscht oder mussten das Land verlassen, sicher nicht gleich repräsentiert an Unis, Professuren und anderen wichtigen Jobs. Da kann man fragen, wie es das kleine Israel schafft, fast die ganze Welt so im Griff zu haben, wenn es um Gaza und andere Fragen geht. Das stilisiert Juden schon fast zu Übermenschen? Die Antwort auf diese rethorische Frage scheint mir natürlich, dass die Situation viel komplexer ist. Viele arabische Regierungen mögen die Hamas nicht (die Bevölkerung eher), Iran-SaudiArabien und vieles mehr. Ein Hauptgrund ist aber sicher auch, dass es mit tiefen Vorwürfen gegen den (alten) Westen verbunden ist. Dann müssten die Demonstranten an den Eliteunis aber auch so offen sein, dass sie gegen die (alte) USA demonstrieren. Das wäre ehrlicher, würde aber auch die sehr schwierige Situation ohne ganz klare Wahrheiten besser aufzeigen. Man spricht dann auf der anderen Seite auch sehr vielen Menschen ihre Grundlagen ab.

  • Die antisemitische, identitätspolitische, postkoloniale Saat geht auf.

    Man steht fassungslos daneben.

  • Danke, Frau Zingher, für diesen Beitrag.



    "„Legt Tel Aviv in Schutt und Asche!“, „Geht zurück nach Polen!“, „Ihr habt keine Kultur; alles, was ihr tut, ist kolonisieren!“, „Al-Qassam [Brigaden], macht uns stolz, schaltet einen weiteren Soldaten aus!“ Oder: „Wir sagen Gerechtigkeit – ihr sagt wie? Brennt Tel Aviv nieder. Los, Hamas, wir lieben dich. Wir befürworten auch deine Raketen.“"



    Man braucht nur bestimmte Worte zu ersetzen, dann weiß man was Menschen seit 2000 Jahren über Juden denken, reden, schreien. Aus diesem Denken, diesem Un-Denken, entstanden Judenpogome, Judenvertreibungen, der Holocaust etc pp.



    1948 wurde Israel aufgrund des UN-Teilungsplanes gegründet, als "sichere Heimstatt der Juden" auf dieser Welt.



    Derzeit kämpfen der Staat Israel und seine jüdischen Bewohner um ihr Leben, um nichts weniger.



    Wer das anders sieht, frage (vor reflexhafter eigener Erregung) die oben zitierten Demonstranten (oder andere z.B. in Deutschland), was sie tun würden, wenn man sie nur ließe.

  • Die AfD trägt den Entschließungsantrag zur Solidarität mit Israel mit. Saudi-Arabien und Jordanien schützen das Existenzrecht Israels.

    Währenddessen werden die Rechten von Linken rechts überholt.

    Da erklären queere Philosphinnen ein islamistisches Massaker zu einem linken Freiheitskampf, die deutsche Kunstszene solidarisiert sich mit den Terroristen und us-amerikanische Eliteunis drücken ihre Sympathie für die Mördert mit modernen Versionen von "Juda verrecke!" und "Juden raus!" aus.

    Krass.

    Hätte mir das jemand am 8. Oktober erzählt, ich hätte es im Leben nicht geglaubt.

    Dieses Elite wird in 10 oder 20 Jahren an den Schaltstellen der Macht sitzen.

  • Dieser tiefe Menschenhass, der Akteure unterschiedlicher (sonst gegensätzlicher) politischer Lager zusammenbringt und sich nun im Westen wieder Bahn bricht ist erschreckend und entsetzlich. Frau Zingher gehört zu denen, die beharrlich versuchen diesen Hass, der hier und da bereits in eine Hatz umschlägt, entgegen zu treten. Ich unterstütze dieses wichtige und richtige Anliegen aus voller Überzeugung. Leider bin ich aber gar nicht mehr davon überzeugt, dass die westlichen Gesellschaften langfristig in der Lage sein werden, diesem ausufernden und kontrolllosen Hass die Stirn zu bieten und die Sicherheit von jüdischen Menschen überhaupt zu gewährleisten. Vermeidungsverhalten bis hin zu Auswanderungen jüdischer Menschen aus europäischen Lebenskontexten sind seit Jahren bereits wieder bittere Realität. Ich frage mich bereits, ob ich als Nichtjude in einer Gesellschaft leben möchte/kann, in der Jüdinnen und Juden in Angst leben müssen und keine wirksamen Gegenmechanismen mehr vorhanden sind. Ich denke nicht, dass dies auf Dauer möglich sein kann. Und ich glaube, dass diese Problematik nicht nur mich bewegt, sondern relevante Teile der Gesellschaft spaltet. Eine positive Vision, im Sinne einer progressiven und aufklärerischen Entwicklung lässt sich innerhalb der westlichen Gesellschaften bei ehrlicher Betrachtung nicht mehr feststellen. In Teilen scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Protestbewegungen, wie nach dem Bekannt werden des Potsdamer Treffens, zielen zwar nach "rechts", richten sich aber überhaupt nicht gegen das gewaltige Lager der offenen Antisemiten, bzw. das Lager derjenigen, die ihren Antisemitismus als "Israelkritik" verschleiern. Insofern sehe ich auch kein echtes und ernsthaftes Engagement innerhalb der Zivilgesellschaft, welches zahlenmäßig von relevanter Bedeutung sein könnte.

  • Hier www.instagram.com/...I1Y2t4c293aGtpag== die Beschreibung konkreter antisemitischer Vorfälle an der Columbia von einer jüdischen Studentin mit iranischen Wurzeln (die im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Kennzeichnung jüdischer Geschäfte mit dem Davidstern zu Recht die Frage aufwirft, welches Jahr gerade geschrieben werde - 2024 oder doch 1938)

    Und u.a. ihren geplanten Abschluss (Middle East Studies Major) verschieben muss, da der notwendige Kurs über Israel von eine*m Professor*in gegeben wird, der*die die Verbrechen vom 7. Oktober u.a. als ein "stunning, astonishing, awesome, jubilant achievement" bezeichnet hat.

    Also nicht nur Student*innen

  • Die Demonstranten und Gegendemonstranten in Columbia sind die absolute Minderheit der Studentenschaft. Unter diesen sind Radikale dann nochmals die krasse Minderheit (Quelle: podsaveamerica) und sie sollten nicht überhöht werden. Die allermeisten Studis in der teuren Uni Columbia sind mit Lernen beschäftigt. Bei zehntausenden Dollar Studiengebühren pro Semester ist das nicht verwunderlich.

    Der Artikel gilt übrigens beinahe 1:1 für die Gegenposition, die Palästinensern im Wesentlichen das Recht auf selbstbestimmtes Leben abspricht und in den USA über AIPAC bestens politisch vernetzt ist. Wer mit hunderten Millionen in Wahlkämpfe eingreifen kann, muss nicht auf dem Campus demonstrieren, sondern ruft bei den Senatoren direkt an (so geschehen im Vorwahlkampf von John Fetterman).