piwik no script img

Harte Strafen für Cannabis-VerstößeKeine liberale Großstadt

André Zuschlag
Kommentar von André Zuschlag

Wie in Bayern: Hamburgs SPD will drastische Bußgelder gegen das Kiffen einführen. Es kommt nun auf die mitregierenden Grünen an, das zu verhindern.

Cannabis-Konsum: Kommt in Hamburg wirklich eine „ganz andere Herangehensweise als bisher“? Foto: Sebastian Willnow/dpa

D er staatliche Verfolgungseifer gegen das Kiffen ist in Hamburg mit der Legalisierung nicht durch. Viel eher droht nun der schnelle Rollback: Die zuständige Innenbehörde unter Senator Andy Grote (SPD) will dem Senat zum Abnicken einen Bußgeldkatalog vorgelegen, der es in sich hat. Orientiert am Pendant der rechtskonservativen bayerischen Landesregierung aus CSU und Freiern Wählern sollen Kif­fe­r:in­nen bei Verstößen gegen Auflagen drastische Strafen aufgedrückt bekommen.

Noch ist das nicht entschieden, zum Glück herrscht die SPD ja nicht allein. Wenn sich aber die in Hamburg mitregierenden Grünen dem Vorhaben nicht entgegenstellen, müssen sie sich mal wieder zu Recht vorwerfen lassen, für ihre angeblichen Überzeugungen nicht ernsthaft einzustehen.

Den öffentlichen Jubel-Mitteilungen zufolge war die Freude bei Hamburgs Grünen, als die bundesweite Cannabis-Legalisierung vergangenen Monat schlussendlich den Bundesrat passiert hatte, jedenfalls groß. „Es ist gut und richtig, dass sich Erwachsene nun nicht mehr strafbar machen, wenn sie einen Joint rauchen“, freute sich etwa Hamburgs zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank.

Auch die Bürgerschaftsfraktion fand große Worte der Freude: „Mit dem neuen Gesetz setzen wir nun in Hamburg schon in wenigen Tagen auf eine ganz andere Herangehensweise als bisher.“ Doch ist die Hamburgische Herangehensweise nun tatsächlich eine ganz andere?

1.000 Euro Bußgeld

Kiffen in Gegenwart von Minderjährigen könnte nach dem Willen des Innensenators satte 1.000 Euro Strafe kosten, die Unterschreitung von Mindestabständen zu Schulen und Kitas 500 Euro. Wer etwas mehr als die zulässige Cannabis-Menge bei sich hat, soll bis zu 1.000 Euro berappen müssen. Zum Vergleich: Wer im Auto vor einem Kindergarten entlang rast, kann mit milderen Bußgeldern rechnen. Es ist die reinste Gängelung in aus Bayern abgekupferter Manier!

Doch Hamburgs SPD bleibt sich damit immerhin treu, machte ihre tief sitzende Ablehnung ja seit Monaten schon deutlich. Deshalb ist der von ihrem Innensenator vorbereitete Bußgeldkatalog wenig verwunderlich. Dass derlei Strafen mittels hoher Bußgelder auch noch zutiefst unsozial sind, scheint der Hamburger SPD egal zu sein: Wer genug verdient, kann so ein Knöllchen schließlich lockerer bezahlen als arme Menschen.

Viel wichtiger ist ihr die politische Botschaft: Wir zeigen, da wo wir es nur können, richtig Härte. Dass diese Haltung in der sonst auch von So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen gern beschworenen liberalen Großstadt Hamburg genau der Forderung der zuletzt wieder konservativ gewordenen Hamburger CDU entspricht, sagt viel über die aktuelle Positionierung der SPD aus.

Es sagt aber auch viel über die Grünen aus, sollten sie den Bußgeldkatalog ihres Koalitionspartners einfach abnicken. Sie müssen nun beweisen, dass sie nicht nur hübsche Versprechen formulieren, sondern auch für deren Umsetzung einstehen. Oder wollen die Grünen wirklich gemeinsam mit der SPD auf das Niveau eines lächerlichen Populisten wie Markus Söder hinabsinken?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

André Zuschlag
Redakteur taz nord
Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.
Mehr zum Thema

27 Kommentare

 / 
  • Ok dann das Ganze bitte auch für Zigaretten und Alkohol. Spätestens beim Publich Viewing gibts dann nicht genug Papier, um die ganzen Bußgeldbescheide zu verschicken.

  • Auf die Grünen ist nicht zu hoffen. Auf dem gesamten Stuttgarter Volksfest ist Kiffen nicht erlaubt.



    Ein generelles Verbot in Parks und auf Festen wird auf Drängen der CDU geprüft. Als Begründung dient der Jugendschutz. Na dan...

  • Harte Strafen für Cannabis-Verstöße?



    ----



    Ich kann das auch "positiv" sehen! :-)



    Wenn die HH SPD diese Richtung & ihre "Phobie" weiter denkt, werden dort dann endlich genügend Spielplätze, Kitas, Schulen gebaut, vielleicht auch Radwege,....



    Die Verkehrsüberwachung nicht nur vor Kitas & Schulen massiv ausgebaut.



    "Wir könnten ja "Cannabiskonsumenten" dabei erwischen!"... Und vieles Anderes mehr!



    Einfach unter der Prämisse_



    "Kampf gegen Drogen & wir schützen Kinder!"



    Sehe schon in der Zukunft die 1. Bürgerinitiativen:



    "Spielplatz, Sportplatz, Kitas, usw. MUSS in unser Viertel, Straße usw. !" mit dem stillen Nachsatz: "Damit die Kiffer endlich verdrängt werden!" :-)



    Eine 180° Wende, wenn wir die "Klagen" gegen solche Einrichtungen noch nicht vergessen haben! :-(

    Fazit: Das wäre dann eine Facette mehr im "politischen Kindesmissbrauch" der ja in anderen Zusammenhängen schon fast zum "Argumentations-Standard" geworden ist. :-(



    Siehe dazu: Überwachungsphantasien, Versuch von Einschränkung von Freiheits- & Bürgerrechten, in der Politik, uvam. :-(

  • Nun ja, es heißt ja nicht umsonst: SPD Hamburg= CSU des Nordens.

    P.s. Wenn ich recht verstehe, ist der Minister, der das Thema in der Bundesregierung bearbeitet hat, auch in der SPD. Unsolidarisch sind die HH Sozen also auch noch.

    • @Senza Parole:

      Stimmte zu.



      Das "S" in Namen der SPD in Hamburg, hat ähnlich dekoraktiven Charakter wie das "C" bei der der CDU.

  • Passt doch zur Phobokratie Deutschlands.

  • Die Hamburger SPD torpediert die Politik von Lauterbach und die Ampel! Wird spannend sein zu sehen, ob die Hamburger Grünen bei dem Thema Rückgrat zeigen. Garantiert einigt sich die Koaltion in Hamburg auf einen faulen Kompromiss: 500 Euro statt 1000 Euro Strafe usw.

    Warum plädiert die SPD nicht für Prävention in Schulen, Jugendclubs usw. und lässt sich das richtig Geld kosten? Weil, wie taz zurecht schreibt, die Hamburger SPD sich immer weiter rechts positioniert und garantiert auch eine Kampagne gegen vom Staat verfolgte Autofahrer wie die Hamburger CDU fahren würde, wenn sie nicht mit den Grünen an der Macht wäre.



    Aber das kann sich schnell ändern, mahnt die SPD die Grünen im kleinen Kämmerlein.

    Höchste Zeit, dass sich die Hamburger Grünen von der Hamburger SPD emanzipieren und nicht jede Kröte schlucken, die ihnen die Hamburger SPD hinhält!

  • Ehrlich gesagt verstehe ich sowieso nicht, warum das öffentliche Kiffen erlaubt sein soll. Ich finde es großartig, daß es nun legal ist. Aber wenn man das Kiffen nur im privaten Bereich erlaubt hätte, hätte man sich viel weniger Feinde bei konservativen und ewiggestrigen Menschen gemacht.

    • @Nobodys Hero:

      Sehe ich genauso. Mir ist die Erhöhung des Grenzwertes beim Auto wichtiger - noch ist es nicht soweit. Wenn ich kiffen will, mache ich das zuhause oder durchaus auch unterwegs, aber dann so unauffällig, dass es niemand mitbekommt.

    • @Nobodys Hero:

      und wenn man dass öffentliche rauchen und Alkolhol trinken verboten hätte, hätte man was gegen die heuchelei der ewig getrigen und konservativen Menschen getan

    • @Nobodys Hero:

      Weil es eine Grundrechtsabwägung ist?

      Ist das Grundrecht der Alkoholkonsument innen wichtiger als der Kifferinnen?

      1: nicht jeder hat ein stilles Kämmrlein und die werden schon genug kriminalisiert.

      2: Cannabisverbot wo kein Tabakverbot herrscht ist eigentlich BS

      3: nicht und jeder Butze darf geraucht werden... Nut ist reines Cannabis tatsächlich anders als Tabak nicht schädlich für die Wohnung, der Geruzverfliegt und es gibt weder Ablagerung noch Verfärbung. Wir haben Kilos geraucht. Aber vapen jetzt nur noch.

      4; .... Einfach weil es geil ist eine Tüte bei gutem Ausblick zu schmökern?

  • Alkohol sollte dann aber entsprechend reguliert werden. Also Bannmeilen um Schulen, Kindergärten usw.



    Kein Drogenkonsum in der Öffentlichkeit.



    Fragt sich nur, wie das durch gesetzt werden soll. Auf jeden Fall mit wesentlich mehr Polizei. Aber wir haben ja dank Schuldenbremse ein Finanzierungsproblem. DANKE Union!

  • Es war klar, dass jetzt sowohl in die eine wie andere Richtung übertrieben wird.



    Für mich als Nichtraucher und Nichtkiffer ist das letztlich eine Frage des guten Miteinanders.



    Es ist einfach störend und nervend wenn du egal wo sitzt im Freien und du dann lieber aufstehen musst und gehen musst, weil der Geruch nervt. Kann man wohl schwer erwarten, denn "wieso, ist doch legal", darum geht's ja gar nicht. Schwer vermittelbar im Detail... liegt nicht am Thema selbst sonder der Krakelerei. Auf beide Seiten der Diskutanten.

  • Die Grünen in Hamburg haben bisher noch nie wirklich etwas verhindert, das die SPD wollte. Warum sollte es diesmal anders sein?

  • Da es ja jetzt legale Möglichkeiten zum kiffen ist, können die Bußgelder für Verstöße doch auch hoch ausfallen. Niemand ist mehr gezwungen, das Recht zu brechen.

    • @Dr. McSchreck:

      Booey. Das - “brechen“ - Schill - ert - ja sowas von! Woll

      Der steinalte Berliner Spruch -



      “Wer in Berlin in der SPD ist -



      Wär in Bayern in der CSU!“



      Mutabor 🚬 in HH - NRW usw usf - too!

      kurz - Schön . Dasse nix zu verbergen haben! Gellewelle&Wollnichtwoll



      Reaktionärer geht’s wohl kaum! Newahr



      Normal

  • "Oder wollen die Grünen wirklich gemeinsam mit der SPD auf das Niveau eines lächerlichen Populisten wie Markus Söder hinabsinken?"



    Wieso denn hinabsinken? Man schaue sich mal das Hamburger Modell der Bezahlkarte an... - da ist der rot-grüne Senat Söder weit voraus in Sachen rechtskonservativer Haltung 😉



    taz.de/Bezahlkarte...-Hamburg/!5989217/



    Andererseits ist es kein "staatlicher Verfolgungseifer" wenn "Kiffen in Gegenwart von Minderjährigen" und "die Unterschreitung von Mindestabständen zu Schulen und Kitas" geahndet wird - auch in der geplanten Bußgeldhöhe nicht. Auch wenn "Wer im Auto vor einem Kindergarten entlang rast (...) mit milderen Bußgeldern rechnen (kann)" - ein Unrecht hebt das andere nicht auf 🤷‍♂️



    Ganz im Gegenteil, das ist sinnvoller Jugendschutz und dürfte gerne auch auf Alkohol und reinen Tabak ausgeweitet werden - und aufs Rasen sowieso.

  • Es hätte gar nicht sein müssen, dass man überall in der Öffentlichkeit kiffen darf. Das kann man zu Hause tun oder unterwegs o, dass es keiner merkt. Ein absoluter Schwachsinn ist es aber, dass man selbst angebautes Gras nicht weiter geben darf. Und dass man in Clubs nicht kiffen darf. Reine Schikane und zu gar nichts gut. Vor Kindern kiffen tun sowieso nur Prolls.

  • 4G
    47439 (Profil gelöscht)

    Hier noch ein Link zu Bayern:



    www.der-postillon....-spielplaetze.html



    Es gibt nichts, was es nicht gibt ....

  • Ich verstehe die Verwunderung in diesem Kommentar nicht: Die Partei der Tauben- und Kaninchenzüchter steht doch schon seit vielen Jahren für Spießigkeit, Gängelung und Überwachung.

    • @B. Iotox:

      Die Partei der Tauben- und Kaninchenzüchter steht doch schon seit vielen Jahren für Spießigkeit, Gängelung und Überwachung.



      ----



      Der Satz ist gut, darf ich den weiter nutzen?



      Bei uns im Pott haben wir nur den Satz:



      "Die SPD ist so "ROT, Progressiv, Sozialistisch, usw", die wirft sogar noch Schatten im dunklen Kohlenkeller, wenn das Licht aus ist!"

      • @Sikasuu:

        Natürlich dürfen Sie diesen Satz gerne weiter nutzen!



        Aber auf eigene Gefahr: Tauben- und Kaninchenzüchter (rote oder andersfarbige) reagieren manchmal sehr allergisch darauf.

  • "Mindestabständen zu Schulen und Kitas "....auch für Alkohol und Zigaretten? Also wenn schon, denn schon. *ironie aus*

    • @Rudi Hamm:

      Das ist das Absurde. Cannabis ist eine Droge, ja, aber weniger gefährlich als Alkohol und Tabak, vielleicht auch als Zucker.

      • @Ciro:

        Jetzt wo sie es sagen: Deutschland hat 8.7 Millionen durch Zucker an Typ-2-Diabetes mellitus Erkrankte, Zucker ist also mit die schädlichste Droge Deutschlands.



        Also: Mindestabstände von Bäckereien und Eisdielen zur Schule 😂



        Danke für den Hinweis.

      • @Ciro:

        Soweit ich weiß, gehen die Expertenmeinungen da weit auseinander. Jeder kann sich dann die zur eigenen Befindlichkeit/Notdürftigkeit passende wählen.



        "Gefährlich" ist zudem eine sehr unscharfe Kategorie, allein schon um die möglichen Folgen des Konsums von Alkohol und Nikotin miteinander zu vergleichen.

  • Herr Wachtmeister, Herr Wachtmeister ! Nehm'se bitte schnell mein' Joint, da vorn kommten Kind !