Menschenrechtsverbrechen in Guatemala: Die blutigen Jahre vor Gericht
Wegen Massakern an der indigenen Bevölkerung Anfang der 1980er Jahren steht seit Montag ein 91jähriger Ex-Generalstabschef vor Gericht.
Konkret wird dem heute 91-Jährigen die Verantwortung für 34 blutige Massaker in den Jahren 1981 und 1982 in der Region Ixil im Departamento Quiché im Norden Guatemalas vorgeworfen. Die Anklage lautet auf Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, erzwungenes Verschwinden und sexualisierte Gewalt. Bei den Massakern sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mindestens 1.771 Personen umgebracht worden – von denen 1.072 namentlich bekannt sind.
Eigentlich sollten in diesem Verfahren drei Angeklagte vor Gericht stehen: Neben Lucas García auch noch Manuel Antonio Callejas y Callejas, damals Chef des Geheimdienstes des Generalstabs, und César Octavio Noguera Argueta, Operationsleiter des Generalstabs. Octavio Noguera starb 2020, Callejas wurde 2023 wegen seines geistigen Zustandes aus dem Prozess genommen.
Die blutigen Militäraktionen im Rahmen des Jahrzehnte dauernden Bürgerkriegs richteten sich besonders gegen indigene Dörfer in den Bergen des Quiché. Der Bruder des jetzt Angeklagten, Fernando Romeo Lucas García, regierte Guatemala von 1978 bis 1982, bis er von Efraín Rios Montt abgelöst wurde. Auch gegen Rios Montt waren verschiedene Prozesse geführt worden, eine Verurteilung wegen Völkermordes wurde jedoch wegen Verfahrensfehlern wieder aufgehoben. Letztlich starb er 2018, ohne eine Strafe angetreten zu haben.
Strafrechtliche Aufarbeitung hat nie richtig geklappt
Seit über drei Jahrzehnten schon versuchen Menschenrechtsorganisationen und indigene Gruppen aus den besonders betroffenen Gebieten, die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Auch Manuel Benedicto Lucas García wurde schon einmal verurteilt – 2018 wegen des Verschwindenlassens eines oppositionellen Geschwisterpaars 1981 wurden er und andere zu bis zu 58 Jahren Haft verurteilt. Nach einer Berufungsverhandlung kamen jedoch alle wieder frei.
Während die genozidale Verfolgung indigener Gemeinschaften unter der Militärherrschaft Anfang der 1980er Jahre inzwischen wissenschaftlich und von Menschenrechtsorganisationen gut dokumentiert ist, hat die strafrechtliche Aufarbeitung nie wirklich geklappt. Der Prozess, der zunächst mit einer zweitägigen Anhörung beginnen sollte, ist die vielleicht letzte Chance, die Verantwortlichen noch zu bestrafen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Übergriffe durch Hertha-BSC-Fans im Zug
Fan fatal