Verzögerungstaktik im Völkermordprozess

GUATEMALA Das erste Urteil gegen Exdiktator Ríos Montt wurde wegen angeblicher Verfahrensfehler kassiert. Auch die Neuauflage des Jahrhundertprozesses gerät am Montag gleich zu Beginn ins Stocken

GUATEMALA-STADT dpa | Der neue Völkermordprozess gegen den früheren guatemaltekischen Machthaber Efraín Ríos Montt ist bereits am ersten Tag ins Stocken geraten. Das Gericht billigte am Montag den Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen die Vorsitzende Richterin Jeaneth Valdez. Sie sei nicht unabhängig, weil sie ihre Doktorarbeit über den Völkermord in Guatemala geschrieben habe, argumentierten die Anwälte. Bis ein neuer Tribunalchef bestellt wird, ruht der Prozess.

Ríos Montt war im Mai 2013 wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 80 Jahren Haft verurteilt worden. Er soll während seiner Herrschaft von März 1982 bis August 1983 für Mord, Folter und die Zwangsumsiedlung Tausender Indigener verantwortlich gewesen sein.

Menschenrechtsaktivisten und Juristen werteten das Urteil damals als historisch: Nie zuvor war ein De-facto-Staatschef von einem einheimischen Gericht wegen Völkermordes verurteilt worden. Aufgrund angeblicher Verfahrensfehler wurde der Schuldspruch wenige Tage später wieder aufgehoben. Ríos Montt steht derzeit unter Hausarrest.

Prozessbeobachter zeigten sich am Montag schockiert über die Suspendierung der Verhandlung. „Die Verteidigung von Ríos Montt weiß, dass sie wieder verlieren wird. Deshalb konzentriert sie sich auf technische Verfahrensdetails“, sagte die Professorin für Politikwissenschaft an der George Mason University, Jo-Marie Burt, der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für die Opfer, die mehr als eineinhalb Jahre auf einen neuen Prozess warten mussten.“

Ríos Montt wurde am Montag auf einer Krankenliege in den Gerichtssaal gebracht. Richterin Valdez hatte seine Vorführung angeordnet, nachdem er aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Prozessauftakt erschienen war. Begleitet wurde er von seiner Tochter Zury Ríos, die offenbar eine Präsidentschaftskandidatur bei den Wahlen im September anstrebt.

In dem Prozess muss sich auch der ehemalige Geheimdienstchef José Mauricio Rodríguez Sánchez erneut verantworten. Er war in dem ersten Verfahren überraschend freigesprochen worden, weil ihm keine direkte Beteiligung an den Verbrechen nachgewiesen werden konnte.