IS-Terrorattentat von Moskau: Blutbad im Konzertsaal

Bei einem Anschlag in Krasnogorsk nahe Moskau sind bislang mindestens 130 Menschen ums Leben gekommen. Derweil rechnet man mit einer verstärkten russischen Mobilisierung.

Zwei Männer in Feuerwehruniformen stehen in der Ruine der Crocus City Hall

Von der Crocus City Hall ist nicht mehr viel übriggeblieben als eine rauchende Ruine Foto: dpa

KYJIW taz | Fast 24 Stunden brauchte Russlands Präsident Wladimir Putin, um sich nach dem Massaker in der Konzerthalle „Crocus City Hall“ im russischen Krasnogorsk unweit von Moskau in einer Fernsehansprache an das russische Volk zu wenden. „Wir werden jeden, der hinter den Terroristen steht, bestrafen“, sagte Putin.

Bei dem Terroranschlag am Freitagabend waren unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 115 und 150 Menschen brutal von Terroristen ermordet worden. Diese waren kurz vor Beginn des Konzerts der Rockgruppe „Picnic“ in den Veranstaltungssaal eingedrungen und hatten wahllos das Feuer auf die Konzertbesucher aus Sturmgewehren eröffnet.

Putin, der seine Rede mit Beileidsbekundungen für die Angehörigen des schrecklichen Terroranschlages und seinem Respekt vor den Ärzten, den Besatzungen von Rettungswagen- Spezialeinheiten, Feuerwehrleute und allen anderen, die geholfen hatten, begonnen hatte, ging schnell auf die Terroristen und ihre Hintermänner ein.

Man habe vier Täter rechtzeitig dingfest machen können, als sie die russisch-ukrainische Grenze hätten überqueren wollen. Denn dort hätte die Ukraine schon ein „Fenster“ für deren Grenzübergang vorbereitet. Insgesamt habe man elf Personen festgenommen.

Sechs Namen mutmaßlicher Täter in Medien

„Wir haben es hier mit einem vorbereiteten und organisierten Massenmord an friedlichen, wehrlosen Menschen zu tun“ so Putin. „Die Verbrecher sind kaltblütig und gezielt vorgegangen. … Wie einst die Nazis, die in den besetzten Gebieten Massaker verübten, planten sie eine demonstrative Hinrichtung, eine blutige Einschüchterungsaktion.“

Alle Beteiligten dieses Verbrechens werden ihrer gerechten und unvermeidlichen Strafe zugeführt, so der Kremlchef. „So wird es sein, denn niemand und nichts kann unseren Zusammenhalt und unseren Willen, unsere Entschlossenheit und unseren Mut, die Kraft des geeinten Volkes Russlands erschüttern.“ Kurz nach Bekanntwerden des Verbrechens hatten US-amerikanische Medien, darunter abcnews.go.com berichtet, die Terrororganisation IS habe die Verantwortung für das Massaker übernommen.

Sechs Namen mutmaßlicher Täter, alle Tadschiken, waren durch die russischen Medien gegangen. Zwei dieser Verdächtigen, so berichtet der oppositionelle russische Telegram-Kanal Astra unter Berufung auf das tadschikische Innenministerium, hätten sich allerdings zur Tatzeit in Tadschikistan aufgehalten. Und ein dritter, der Taxifahrer Rustam Nasarow, habe sich sofort bei den Behörden gemeldet, als er erfahren hatte, dass er als Verdächtiger geführt werde.

Innenpolitische Konsequenzen

Doch die russische Führung sieht die Hintermänner nicht in Zentralasien. Die Spur führe vielmehr in die Ukraine. Bereits am frühen Nachmittag war bekannt geworden, dass Angehörige des tschetschenischen Regiments „Achmat-Russland“, das auch für den Schutz der Grenze zwischen Russland und der Ukraine verantwortlich ist, die Verdächtigen vor einem geplanten Grenzübergang in die Ukraine festgenommen hatten.

Als „Unsinn“ bezeichnet Andrii Jusow, Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes, den Vorwurf, die Ukraine stehe hinter dem Massaker. Wie sollte es überhaupt möglich sein, so Jusow, dass Terroristen nach zwei Jahren Krieg in eine Grenzregion, in der es vor Sicherheitskräften, Geheimdiensten und Militärs nur so wimmele, unerkannt gelangen könnten.

Das Portal strana.news sieht in erster Linie innenpolitische Konsequenzen des Anschlages. So seien in Russland wohl strengere Aufenthaltsbestimmungen für Migranten und weitere Einschränkungen der Meinungsfreiheit und hier insbesondere des Messaging–Dienstes Telegram und der Nutzung von VPN-Programmen zu befürchten.

Besonders auffallend sei, so strana.news, dass die Festgenommenen immer wieder gesagt hatten, sie hätten sich über Telegram organisiert. Ebenso, so strana.news, sei wohl zu befürchten, dass die „Silowiki“, die Sicherheitsstrukturen, ihre Macht weiter ausbauen, sich die russische Gesellschaft noch mehr militarisieren werde und die Strafen für regierungskritisches Verhalten verschärft würden.

Verstärkte Mobilisierung

Der Programmierer Andri sagte der taz, er glaube nicht, dass der Krieg nun sofort eskalieren werde. Bombenteppiche wie in Vietnam seien wohl dank der ukrainischen Luftabwehr auch in nächster Zeit nicht zu erwarten. Allerdings werde nun die Mobilisierung in Russland verstärkt durchgeführt und das habe langfristig negative Auswirkungen auf die Ukraine.

Am Samstagmorgen berichtete der Gouverneur des russischen Gebietes Belgorod Wjatscheslaw Gladkow auf seinem Telegram-Kanal von erneuten ukrainischen Luftangriffen.

So sei es infolge eines Angriffs in einem Mehrfamilienhaus zu einem Einsturz von drei Balkonen gekommen. Dabei sei ein Mann schwer verletzt worden und wenig später seinen Verletzungen erlegen. Seine Frau, die ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte, habe gerettet werden können. Derzeit habe man bereits 2.200 Menschen in Notunterkünften untergebracht. Eine Evakuierung aller Kinder aus dem Gebiet Belgorod sei geplant, so Gladkow.

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