„Malina“ und „hildensaga“ in Berlin: Gefangen in Erwartungsmustern
Frauen werden zum Verschwinden gebracht. Davon erzählen zwei Theater-Inszenierungen, „Malina“ und „hildensaga. ein königinnendrama“.
Mehr Regisseurinnen im Spielplan, mehr Heldinnen auf der Bühne, mehr Befragungen von Genderklischees im klassischen Kanon: Daran arbeiten viele Theater. Im Berliner Ensemble und am Deutschen Theater in Berlin kamen zuletzt zwei Premieren heraus, die unter anderem den Versuch bezeugen, mehr Gendergerechtigkeit in den Inhalten voranzubringen und in der Vergabe von Positionen.
Fritzi Wartenberg gehört zu einer Reihe junger Regisseurinnen, die das Berliner Ensemble mit einer einjährigen Residency im Werkraum des Theaters gefördert hat. „Malina“ nach dem Roman von Ingeborg Bachmann ist dort ihre dritte Produktion. Ihr gelingt die Umsetzung des 1971 erschienenen Romans, der mit verwirrenden Fiktionen arbeitet, um von der Auslöschung und Selbstauslöschung einer Frau zu erzählen, in eine verständliche Geschichte, von leiser Ironie und Verzweiflung grundiert, doch ohne schrille Töne.
„hildensaga. ein königinnendrama“ ist eine Neudichtung der Nibelungengeschichte, von Ferdinand Schmalz 2020 für die Nibelungen Festspiele in Worms geschrieben, in der sich die beiden Königinnen Kriemhild und Brünhild gegen ihre Instrumentalisierung zum Erhalt der Macht der Männer zu wehren beginnen. Das Drama wird inzwischen viel nachgespielt: Sicher auch, weil es dem klassischen Kanon der Theaterliteratur an solch rebellischen, sich mit anderen Betrogenen solidarisierenden Frauenrollen mangelt.
Frauen zum Verschwinden bringen, zurückdrängen ins Dekor, in eine Rolle der Bestätigung der Verhältnisse: Darum geht es in beiden Stücken. Das machen sie zum Mitschreiben deutlich. Einübung in eine feministische Analyse patriarchaler Verhältnisse: Vielleicht ist diese Botschaft etwas zu fett geschrieben, besonders in der „hildensaga“, die Markus Bothe am Deutschen Theater inszeniert hat.
Spöttischer Blick auf Männer
Julischka Eichel als Kriemhild und Svenja Liesau als Brünhild: Sie blicken von Anfang an voll Spott auf die Männerwelt, die auf ihre Eroberung drängt. Kein Wunder, denn erstens treten der Burgunderkönig und seine Brüder und Recken als eine lächerliche Bande auf, voll Angebergesten, Selbstüberschätzung, kaum versteckten Schwächen und von großer Eitelkeit, hervorgehoben von Justina Klimczyks papageienbunten Kostümen.
Zweitens, so argumentieren die Recken selbst, sind die Frauen stark und ihre Unterwerfung soll so als Symbol seiner Macht den Unterwerfenden schmücken. Nur, was tun, wenn dieser eher ängstlich ist?
Natürlich lacht das Publikum über die schwachen Männer, ja das unterhält. Hm. Was ja nun leider, aber damit beschäftigt sich die Inszenierung kaum, hinterrücks bestätigt, dass man sie anders sehen wollen würde. Da ist Bothes Inszenierung wenig differenziert.
Dass die Unterwerfung der starken Frauen nur durch Betrug gelingt – Siegfried, Tarnkappe, usw. –, ist die altbekannte Geschichte. Sie geht immer schief, am Ende alle tot. In der „hildensaga“ mit tatkräftiger Hilfe der sich rächenden Königinnen. In Friedrich Hebbels Drama von 1861 durch die Hybris der Helden in ihrer Selbstvermessenheit.
Immer wieder die gleichen Fehler
Eine Norne führt durch die Geschichte bei Ferdinand Schmalz, der Schauspieler Ulrich Matthes im langen roten Samtkleid. Er greift nach den Schicksalsfäden, bringt Reflexion in das Geschehen, markiert die Knotenpunkte, an denen die Frage, wie anders hätte die Geschichte hier auch weitergehen können, gestellt werden kann. Dass immer wieder die gleichen Fehler gemacht werden, besserem Wissen zum Trotz, ist hier der tragische Punkt.
Die Frau im männlichen Blick: Brünhild und Kriemhild erzählen das als witzige Kabinettstückchen, längst stehen sie über den Fremdzuschreibungen. Nicht so die Erzählerin in „Malina“, die in der Inszenierung von Fritzi Wartenberg von drei Schauspielerinnen verkörpert wird, Constanze Becker, Maeve Metelka, Josefin Platt.
Ihr Drama ist, sein zu wollen, wie Ivan sie sieht und zugleich vieles mehr zu sein, als was er sehen will. Ein altmodischer Telefonhörer, groß wie ein Sofa, dominiert die kleine Bühne im Neuen Haus. Wie sie darauf wartet, dass er sie anruft; wie er nicht merken soll, dass sie gewartet hat: Die drei Darstellerinnen turnen und wippen auf dem Telefonhörer herum, die seelischen Verrenkungen in körperliche übersetzend.
Der Roman ist an keiner Stelle in direkte Dialoge aufgelöst, alles bleibt indirekte Rede, aus der Erinnerung der Erzählerin, die nicht nur hadert mit dem, was von ihr erwartet wird, sondern auch damit, wie sie darauf eingeht. Anpassungsfähigkeit und Selbsthass, das macht einen Teil ihres Unglücks aus. Ihrer Selbstzurichtung gilt ihre Verzweiflung und ihr Spott.
Die Mühen der Schriftstellerin
Aber es gibt auch die Erfahrung der Herabwürdigung durch die Außenwelt, wie etwa Ivan über ihre Liebe zur Literatur herzieht, nichts anerkennt von dem, womit sie, die Schriftstellerin, sich müht. Und diese Erfahrung fällt auf einen Boden, der mit Alpträumen gedüngt ist vom Versagen. Schon der Vater hat der Erzählerin das eingesagt. Die Abgründe in ihr stehen weit offen, bereit, gefüllt zu werden mit weiteren Bildern des Scheiterns.
Ingeborg Bachmanns Ton ist in vielen Passagen der Bühnenfassung, die Fritzi Wartenberg geschrieben hat, gegenwärtig. Das grünblaue Hahnentrittmuster der Kostüme nimmt im Farbklang schon vorweg, dass die Erzählerin am Ende in den grünblauen Wänden der Kulisse verschwinden wird. Dass die drei Schauspielerinnen drei Generationen angehören, weist darauf hin, wie anhaltend schwer es bleibt, Projektionen und Zuschreibungen zu entkommen, wenn zugleich Anerkennung existenziell notwendig ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!