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MinisterpräsidentenkonferenzHase und Igel

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Bundeskanzler und Ministerpräsidenten üben sich in trauter Einigkeit. Dennoch ist die Migrationspolitik in Deutschland ein Armutszeugnis.

Rhein, Scholz, Weil am 6. März 2024 in Berlin. Alles driftet nach rechts Foto: dpa

B odo Ramelow hat recht: Deutschland braucht Zuwanderung. Tapfer hielt Thüringens linker Ministerpräsident am Mittwochabend im ZDF gegen die Angstmache der AfD und mahnte zu Pragmatismus. Ohne ausländische Ärzte und Pflegerinnen ginge es schon heute nicht, sagte er. Bis 2040 werde in Thüringen ein Viertel der erwerbstätigen Bevölkerung in Rente und Pension gehen: Es drohe die Überalterung und ein Mangel an Arbeitskräften.

Das sind seltene Töne der Vernunft in einer Debatte, in der sich die meisten im Wettbewerb um die krassesten Forderungen zur „Begrenzung der Migration“ überbieten. Die Union heizt mit Panikvokabeln wie „Migrationsdruck“ und „Migrationskrise“ die Stimmung an, die Ampel beugt sich diesem Druck: Die schikanöse Bezahlkarte kommt, die Kontrollen an den Grenzen zu den Nachbarstaaten bleiben, es soll mehr Abschiebungen geben, und über Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU – die fragwürdige Ruanda-Fantasie – will sie bis Juni weiter nachdenken. Die Ampel setzt in der Asylpolitik auf Abschottung und Abschreckung.

Die Zweiklassengesellschaft unter Geflüchteten in Deutschland wird damit zementiert. Zwar denken manche inzwischen laut darüber nach, neu einreisenden Flüchtlingen aus der Ukraine statt Bürgergeld künftig nur noch Asylleistungen auszuzahlen. Doch das sind nur Gedankenspiele. Die über eine Million Geflüchteten aus der Ukraine bleiben in vielerlei Hinsicht privilegiert und von neu beschlossenen Schikanen wie der Bezahlkarte ausgenommen.

An den Problemen der Kommunen, Flüchtlinge unterzubringen, wird sich wenig ändern, denn auf mehr Geld vom Bund können sie nicht hoffen: Auch das kam bei der Ministerpräsidentenkonferenz heraus. Doch solange der Krieg in der Ukraine tobt, werden auch weiter Menschen von dort nach Deutschland flüchten und hier bleiben. Die Flüchtlinge aus anderen Ländern aber werden zum Sündenbock gemacht.

Die Union wird die Ampel weiter vor sich hertreiben

Nach ihrem Treffen demonstrierten Bundeskanzler Scholz und Hessens CDU-Ministerpräsident Boris Rhein als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz traute Einigkeit. Doch die anderen Unions-Länderchefs Markus Söder, Hendrik Wüst und Daniel Günther machen schon deutlich, dass ihnen die bisherigen Verschärfungen längst nicht reichen. Kurz: Die Union wird die SPD und die Ampel bei diesem Thema weiter vor sich hertreiben, so viel ist klar. Das ist ihr Wahlkampfkalkül. Die AfD kann sich zurücklehnen und diesem Wettlauf der Schäbigkeiten entspannt zuschauen.

Die anderen Parteien betreiben ihr Geschäft, indem sie die Fluchtmigration zum Hauptproblem erklären – statt zu einer Herausforderung, die es pragmatisch zu gestalten gilt und die auch Chancen bietet. Es ist wie in der Geschichte von Hase und Igel: Da, wo die anderen sich hinbewegen, da steht die rechtsextreme Partei schon lange. Es wäre Zeit, die Richtung der Debatte zu ändern.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”
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6 Kommentare

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  • Deutschland braucht Zuwanderung, Fachkräfte, Ärzte usw... ja das stimmt zu 100%, aber ich finde es ehrlich gesagt nicht gut, wenn man unsere Humanität an dem bemisst was wir brauchen. Humanität kann sich immer nur daran messen, was die Hilfesuchenden von uns brauchen.

    Ansonsten kann ich dem Artikel in fast allem nur zustimmen!

  • Fluchtmigration und Arbeitsmigration sind zwei große Themenfelder, die miteinander zwar überlappen, aber nicht identisch sind. Die ständige Vermengung beider Themen tut in dieser Debatte nichts gutes. Die Ressourcen, die der Staat aufbringen muss, um Geflüchtete vernünftig auszubilden und zu integrieren, sind sehr viel umfangreicher als bei Arbeitsimmigranten. Eine ausgebildete Pflegekraft, die "nur" noch die Sprache lernen muss, ist sehr viel leichter zu einer brauchbaren Pflegekraft zu machen, als jemand, der schon die Grundlagen nicht mitbringt.

    Ich halte es zudem für ziemlich naiv, immer die Debatte so darzustellen, als würde die AfD alle vor sich hertreiben, weil dies impliziert, ohne die AfD hätten die meisten Menschen keinerlei Probleme mit unbegrenzter Migration (denn nichts anderes impliziert man, wenn man gegen die Begrenzung von Migration ist). Dies entspricht aber weder meiner Wahrnehmung noch den empirisch über Umfragen etc. ermittelten Meinungsbildern in der Bevölkerungen. Ich glaube, dass eine tatsächlich effektive Begrenzung der Migration am Ende allen - auch den Migranten, für die dann nämlich tatsächlich genügend Personal vorhanden ist, um eine vernünftige Integration sicherzustellen - nützt. Ich glaube, wenn man diese pauschal verweigert, dann rennen die Leute am Ende zu den tumben "Ausländer raus"-Rufern der AfD, die in einer vernünftigen Debatte eigentlich keinen Platz hätten.

  • Eine "christliche" Partei müsste die Bibelstellen zu Nächstenliebe und Fremdenfreundschaft eintätowiert bekommen.



    Ja, etwas Stabilisierung darf auch sein, aber wo ist die Tugend der caritas eigentlich da geblieben?

    • @Janix:

      Im Allerwertesten!

      Im Übrigen ist die Maximalposition der Rechten nicht weniger unrealistisch als "jeder darf kommen und hierbleiben". Es wird halt immer nur so geframed als wären alleine links orientierte Menschen blauäugig und weltfremd.

  • Sehr guter Kommentar. Anstatt einen "populistischen" Überbietungswettbewerb an "Schikanen" zu betreiben, empfehle ich besonders den Herren von CDU und SPD einmal Selbstreflexion zu betreiben und sich mit dem Grundwerten der Demokratie auseinanderzusetzen. Menschenwürde und Menschenrechte! Wird allmählich Zeit für ein Wechsel der Perspektive.

  • Die deutsche Migrationspolitik zeichnet sich vor allem durch ihren selektiven Charakter aus. Es geht nicht um Menschenrechte Flüchtender, sondern um ökonomische oder politische Verwertbarkeit. Deswegen werden Flüchtende, deren Qualifikationen nachgefragt werden ebenso bevorzugt wie Ukrainische Flüchtende, denen aus politischen Gründen ein besonderer Grund des Fluchtstatus zuerkannt wird.

    Das ist Diskriminierung, das ist selektiver Humanismus, der bei näherem Hinsehen gar kein Humanismus ist und man sieht daran, dass Antihumanismus keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal der AfD ist.

    Ich bin sehr enttäuscht von Scholz, während ich von der sogenannten Opposition CDU/CSU ohnehin nichts anderes erwartet hatte.