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Cannabisgesetz im BundestagIn zwei Schritten zum legalen Gras

Die teilweise Freigabe von Cannabis könnte gegen EU-Recht verstoßen. Gesundheitsminister Lauterbach hat das Vorhaben deshalb geschickt aufgesplittet.

Diese Cannabis-Pflanze im Hanf-Museum in Berlin befindet sich in einem gesicherten Raum Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Freiburg taz | Wird das geplante Cannabisgesetz juristisch Bestand haben oder droht eine Aufhebung durch Gerichte? Probleme könnte es am ehesten mit dem EU-Recht und dem Völkerrecht geben. Die Ampelkoalition hat ihr Vorhaben jedoch geschickt aufgesplittet: Die teilweise Freigabe von Cannabis soll in zwei Schritten verlaufen.

Zunächst findet im Cannabisgesetz, über das an diesem Freitag der Bundestag abstimmt, eine weitgehende Entkriminalisierung des Besitzes von Cannabis statt. Jeder darf 25 Gramm Gras für den Eigenkonsum sowie drei Pflanzen zum Eigenanbau besitzen. Cannabis-Anbauvereinigungen mit bis zu 500 Mitgliedern dürfen den Anbau auch kollektiv, aber nicht-kommerziell betreiben.

In einem zweiten Schritt – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von einer zweiten „Säule“ – soll dann in Modellregionen eine weitgehende Legalisierung von Cannabis ausprobiert werden. Dann soll Hanf auch in lizenzierten Geschäften wie Apotheken gekauft werden können. Interesse an den versprochenen Modellversuchen äußerten bereits viele Städte, etwa Berlin, Bremen, Hamburg und Köln. Eine offizielle Bewerbung ist aber noch nicht möglich.

Zwar verbietet ein EU-Rahmenbeschluss von 2004 den Anbau und Verkauf von Drogen, inklusive Cannabis. Dort gibt es aber eine ausdrückliche Ausnahme für den „persönlichen Konsum“, wenn dies im nationalen Recht vorgesehen ist. Deshalb konzentriert sich der erste Schritt der Cannabislegalisierung gänzlich auf den Eigengebrauch.

Fehler der Niederlande vermeiden

Schwieriger wird es im zweiten Schritt, wenn auch der kommerzielle Anbau und Verkauf legalisiert werden sollen. Deshalb sind hier zunächst nur fünfjährige regionale Modellversuche geplant. Hierbei soll wissenschaftlich untersucht werden, ob eine Legalisierung letztlich dem Gesundheitsschutz mehr dient, da in den lizenzierten Geschäften Ware von geprüfter und gleichbleibender Qualität verkauft wird.

Die Hoffnung besteht auch, dass so die organisierte Kriminalität aus dem Cannabishandel zurückgedrängt werden kann. Man will den Fehler der Niederlande vermeiden, wo der Verkauf von Cannabisprodukten in Coffee-Shops zwar geduldet ist, die Lieferkette dorthin aber illegal blieb, wovon im Nachbarland vor allem die Organisierte Kriminalität profitierte.

Erst wenn das nun vorliegende Cannabisgesetz beschlossen ist, will Lauterbach Eckpunkte und einen Gesetzentwurf für die zweite Säule vorlegen. Erst dann will der Minister auch die EU-Kommission förmlich einbinden, indem er den Gesetzentwurf in Brüssel notifiziert, das heißt zur Prüfung vorlegt. Durch die enge Absprache soll eine Klage der EU-Kommission beim Europäischen Gerichtshof vermieden werden. Parallel will die Bundesregierung mit anderen EU-Staaten wie Portugal auch eine Lockerung des EU-Rahmenbeschlusses erreichen.

Neben dem EU-Recht verweisen Kritiker der Cannabis-Legalisierung auch auf das Völkerrecht. Deutschland hat mehrere Verträge unterzeichnet und ratifiziert, die auch Cannabis als illegale Droge einstufen, zuletzt das Suchtstoff-Übereinkommen von 1988. Danach ist auch der Besitz von Drogen „für den persönlichen Gebrauch“ zu bestrafen – es sei denn, die „Rechtsordnung“ des jeweiligen Staates spricht dagegen.

Die vorausschauende damalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte allerdings 1993 dafür gesorgt, dass Deutschland bei der Ratifizierung des Suchtstoff-Übereinkommens eine Interpretationserklärung abgibt, wonach die deutsche Rechtsordnung „einem Wandel unterliegen“ kann. Auf diese Erklärung von 1993 beruft sich nun auch die Bundesregierung, wenn sie feststellt, dass das Cannabisgesetz mit dem Völkerrecht „vereinbar“ sei.

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19 Kommentare

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  • Volle Zustimmung. Aber die Verankerung /Thematisierung weniger schädlicher Konsumptionsformen von Cannabis wäre für einen Teil der "0815-Bevölkerung" mehr als beunruhigend gewesen. --- Als Initialschritt einer menschlicheren Drogenpolitik in Deutschland nicht vermittelbar.

  • ...warum hier nicht härtere und vorallem konsequentere Gesetze an den Tag legen, wie zum Beispiel mit der GEZ - Gebühr - jeder Haushalt wird verpflichtet 5 Pflanzen pro volljährigen Mitbewohner zu ziehen. Ansonsten drohen empfindliche Ordnungsstrafen...

  • Dann kann man sich die verkorkste Politik schön rauchen.

    • @Stoffel:

      Nötig gewesen wäre das aber schon seit Jahrzehnten.

  • Bitte nicht immer Kiffen = Joint rauchen gleichsetzen. Rauchen tötet. Kiffen geht auch anders.

  • Diese angebliche "geschickte Aufteilung" dient am Ende nur der Täuschung. Die Abgabe von Cannabis durch Vereine bleibt am Ende ein Handel im Sinne der EU-Gesetzgebung, selbst wenn die Vereine keine Gewinne machen dürfen. "Handel" setzt halt keine Gewinnerzielungsabsicht voraus. Hier gilt lediglich die Hoffnung, dass die EU die Pille schluckt und niemand klagt.

    Gegen die internationalen Verträge wird einfach so verstoßen. Ist ja nur Völkerrecht. Kann man ja machen.

    Im Anbetracht der Performance der Ampel ist das Ganze ohne Drogenkonsum eh nicht mehr weiter auszuhalten.

    • @DiMa:

      Die Beschlüsse bzgl. Völkerrecht vor mehr als 50 Jahren sind genauso überholt wie die bisherige Drogenpolitik selbst. Der Kampf gegen die Drogen war schon verloren, als er vor rund 100 Jahren begann.

      • @EDL:

        Die Tatsache, dass man Beschlüsse für überholt halten mag, macht diese noch lange nicht ungültig, genau so wenig wie die im Bericht genannte "Interpretationserklärung". Die Bundesregierung müsste die bestehenden Verträge aufkündigen (und die EU ebenfalls darum bitten) und könnte dann nach Ablauf der Kündigungsfrist tätig werden.

  • Was auf die einen "geschickt" wirkt, mögen andere verkrampft, unnötig kompliziert und mutlos finden. Von den Problemen, die eine jetzt schon viel zu oft freidrehende Polizei in der Praxis verursachen wird, ganz zu schweigen. Ich sage mal voraus, dass wir eine massive Zunahme von Personenkontrollen erleben werden und eine Praxis, in der routinemäßig Gründe konstruiert werden, Handel zu unterstellen, wenn was gefunden wird. Für Menschen, die durch ihr Äußeres eh schon einem Generalverdacht durch unsere Vollstreckungsbeamt*innen ausgesetzt sind, werden das schwere Zeiten werden. Ähnliche Probleme werden wir mit Verkehrskontrollen erleben, insbesondere, da auch eine realistische Setzung von Grenzwerten für Abbauprodukte im Blut versäumt wurde. Die MPU-Industrie wird es freuen.

    Auf ganzer Linie den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht.

    • @Mit Keas Sachen kaputtmachen:

      Die Polizei kann viel unterstellen, aber der alleinige Besitz ist nun mal kein Indiz und schon lange kein Beweis und die Polizei darf in Deutschland keine grundlosen Kontrollen durchführen. Welches Interesse sollte die Polizei an solch einer Mehrarbeit haben? Macht der Gewohnheit? In den Reihen der Polizei sind nicht wenige, die froh über das Gesetz sein dürften - schon allein, weil sie nach Feierabend auch gern mal "einen durchziehen"!

      Die Führerscheinsache ist von der Regierung ferner nicht vergessen - man arbeitet wohl daran.

      • @EDL:

        keine grundlosen Kontrollen?



        Ich lach mich scheckig.



        Schwarze Haare/Dunklerer Teint?



        Check.



        Lange Haare beim Mann?



        Check.



        Gammeliges Auto mit Aufklebern?



        Check.



        "Komische" Klamotten?



        Check.



        ==> Realitätscheck?

        • @So,so:

          (Racial) Profiling ist kein Grund, sondern eine mind. fragwürdige Maßnahme ...

  • " Jeder darf 25 Gramm Gras für den Eigenkonsum sowie drei Pflanzen zum Eigenanbau besitzen. Cannabis-Anbauvereinigungen mit bis zu 500 Mitgliedern dürfen den Anbau auch kollektiv, aber nicht-kommerziell betreiben."

    Man ersetze Cannabis mit Hopfen und Bier. Hopfenfreunde dürfen ab jetzt gemeinsam Bier brauen, aber nur max. 500 Freunde und die müssen sich alle unentgeldlich um die Brauerei kümmern und dürfen keinen Gewinn machen.

    • @Sabine Dettmann:

      Und der Konsum darf weder an der Abgabestelle noch in der Nähe von Kindereinrichtungen stattfinden ;-)

  • "Probleme könnte es am ehesten mit dem EU-Recht und dem Völkerrecht geben"

    Wieso? Die Holländer haben da doch auch keine Probleme mit.

    • @Sabine Dettmann:

      In den Niederlanden ist Marihuana illegal, die coffeehouse werden nur geduldet.



      Wie auch im Artikel steht hilft das vor allem der organisierten Kriminalität, also kein gutes Vorbild sondern eher eine Mahnung wie man es nicht machen sollte.

  • Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist eine der wenigen Politiker*innen, vor denen ich meinen Hut heben würde, wenn ich einen hätte.

  • Komisch. Immer wenn die politisch Handelnden etwas "nicht wollen" oder "nicht wünschen" und das nicht zugeben wollen, ziehen sie hinten aus der Tasche die EU-Karte.

    Bei Themen wie z.B. Autobahnmaut und Zwangspfand auf Einweg war den politisch Handelnden die EU so ziemlich egal. Trotz anderslautender Expertiesen.



    Die Folgen sind bekannt ...

    • @Bolzkopf:

      Wer etwas will, sucht Wege, wer etwas nicht will, sucht Gründe. ;)