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Bezahlkarte für GeflüchteteOhne Bargeld bist Du aufgeschmissen

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Es ist üble Symbolpolitik, wenn Hamburg Geflüchteten das Bargeld kürzt. Im Alltag der Menschen wird für viele Dinge noch reales Geld benötigt.

Geflüchtete sollen künftig in Hamburg nur noch über 50 Euro Bargeld im Monat verfügen Foto: Hendrik Schmidt/dpa

D ie Bezahlkarte für Geflüchtete ist ein zweischneidiges Instrument. Nutzt man sie wie das grün regierte Hannover nur als Übergangslösung, bis die neu hier Angekommenen ihr eignes Konto haben, ist sie sinnvoll. Schränkt man aber die Bargeld-Auszahlung ein, wie Hamburg es jetzt mit seiner „SocialCard“ tut, ist das diskriminierend.

Denn wir leben in einer Gesellschaft, in der vieles mit Münzen und Scheinen bezahlt wird. Man stelle sich vor eine Alleinerziehende mit drei Kindern vor: Die müsste nach dem Hamburger Modell mit 80 Euro Barem über den Monat kommen – nämlich 50 Euro für sich und je zehn für jedes Kind. Damit käme sie nicht mal vor die Tür.

Andere Politiker wollen zudem einschränken, was mit der Karte gekauft werden darf oder wo. All das ist üble Symbolpolitik zu Lasten der Schwächsten. Dabei steht laut Grundgesetz allen Menschen ein würdiges Existenzminimum zu.

Die Behauptung, die Geflüchteten würden Bargeld nutzen, um Schlepper zu bezahlen, ist nicht belegt. Migrationsforscher sprechen von aufgebauschten Anekdoten ohne belegbare Zahlen. Bekannt ist indes, dass die Menschen Geld in die Heimat schicken, wenn sie hier arbeiten und Geld verdienen. Daran ist nichts verkehrt.

Schleswig-Holstein macht es anders

Hamburg ist nicht gezwungen, die Bargeldauszahlung dieser Karte zu beschränken. Die Ministerpräsidentenkonferenz ist kein Gremien, das hierzu verbindliche Vorgaben machen kann. Andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein wollen davon absehen. Und auch in Hamburg forderte die Grünen-Fraktion noch vor kurzem eine Karte „ohne jede Diskriminierung“. Der Zugang zu Bargeld müsse „uneingeschränkt möglich sein“.

Nun ziehen dies zwei SPD-geführte Ressorts am Parlament vorbei ungerührt durch. Nach dem Motto: Was stört uns das bisschen Theaterdonner. Am Ende knicken die Grünen doch eh wieder ein.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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10 Kommentare

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  • Es gab solche Systeme bereits, sie haben vor allem eins nicht bewirkt: Die Abnahme der Zugangszahlen in den Erstaufnahmen.



    Es gibt keinerlei Zusammenhang zwischen Bargerldauszahlungen an Asylbewerber und dem Wunsch, ein Land zu verlassen.

    Dass in allen Bundesländern fast und in der gesamten Bundespolitik genau dieser Zusammenhang hergestellt wird, zeigt, wie wenig sich unsere Politiker mit dem Thema Migration und Asylantragsstellung befassen.

    Und da bildet Hamburg keine Ausnahme: hier hat man sie jetzt €50 und dann der Rest muss per Karte bezahlt werden, der Beitrag für eine Schulangelegenheit? Nun gut, dass Schulbüro müsste wohl ein Kartenlesegerät anschaffen, zumindest wenn die Schule IVK-Klassen hat. Alles andere wäre doch echt unfair?



    Nein, genau da sind wir nämlich, Entscheidungen ohne Sinn und Verstand.

    Genau da sind wir angekommen: Dass Problem der Zuwanderung ist definitiv nicht die Auszahlungstechnik der deutschen Behörden, sondern es sind tief liegende Gründe in den Heimatländern. Die größte verdeckte Flüchtlingsgruppe sind momentan Kurden, sie kommen als Syrer, als Türken, als Iraner und als Iraker. Gerade in der Türkei und in Syrien randaliert sich unser lieber NATO-Partner Türkei durch die Landschaft. Nordost-Syrien ist nur dazu geeignet,von dort wegzugehen. Das ist ein politisch-militärisches Ziel der Türkei. Die Türkei will Kurden vertreiben - egal wohin.

    Und das verstehen die Menschen vor Ort, sie gehen dorthin, wohin sie gehen können, das ist die EU. Und die lassen sich mit einer Bezahlkarte nicht abschrecken.

    Auf solche Gedankengänge hätte man kommen können?

    Ja, aber nicht wenn Friedrich Merz die Regierung und das Land als überrannt von geldgeilden Flüchtlingen abbildet.

    Dann muss irgendetwas her, damit der Bürger denkt, die machen doch was. Nur was eben?



    Das hier wird nichts bringen. Außer viele kleine Probleme.

  • In den Niederlanden nehmen sehr viele Supermärkte und andere Geschäfte überhaupt kein Bargeld mehr an. In Skandinavien wird seit Jahren fast ausschließlich nur per Karte oder Handy bezahlt.

    Nur in Deutschland - nicht zufällig DAS Geldwäscheparadies Europas - scheint es unmöglich, ohne Münzen zu überleben.

    • @Suryo:

      OK und deswegen sollen Geflüchtete jetzt den Anfang mit einer Bezahlkarte machen, weil wir ein Paradies für Geldwäscher sind? Müssen wir demänchst auch mit der Karte bezahlen, damit alles einfacher und besser wird?



      Ich verstehe diese Logik nicht.

      • @Andreas_2020:

        Es sind ja nicht alles Geflüchtete. Denen, die wegen des Bargeldes kommen, soll mit der Karte ein Anreiz genommen werden. Und ja, es gibt solche Leute.

        Der Zweck der Flucht nach Deutschland - in Sicherheit zu sein - wird durch die Karte nicht tangiert.

        Und ansonsten müssen sich Läden, Restaurants, Märkte und Co eben mal bewegen. Es kann doch nicht sein, dass hier mal wieder unmöglich sein soll, was woanders seit Jahren funktioniert.

  • Und da ist die wieder, die Alleinerziehende mit 3 Kindern.



    Wieso sie mir 80,-€ Bargeld nicht vor die Tür kommt wird nicht erklärt. Die meisten Geschäfte, bis hin zum Kiosk und Bäcker akzeptieren Kartenzahlung und im Internet kann man mit Bargeld auch nicht viel anfangen.



    Die große Menge an Bargeld, die bisher monatlich ausgezahlt wurde, sehe ich eher als problematisch.



    Wie bewahre ich das sicher vor Verlust, Diebstahl usw auf?



    Wie teuer ist es Bargeld auszuzahlen?



    Das letzte Mal dass ich Bargeld genutzt habe war im Waschcenter und selbst da kann ich inzwischen mit Karte bezahlen.



    Bei der Ausgabe von Karte statt Bargeld kann ich keine Diskriminierung erkennen, ich sehe das nur viele Vorteile.

    • @Zwackelmann:

      Ihr Beitrag geht an der Reallität vorbei, weil sie garantiert noch nicht pro Erwachsenen 150 oder 170 EURO für einen Monat erhalten haben. Und wenn davon nur 50 EUR in Bar sind und sie das aufbrauchen müssen, haben sie den Rest des Monats ein Problem. Es gibt genug Orte, wo sie nicht mit einer Karte zahlen können. Und dann erhalten Kinder von Geflüchteten €50 alle sechs Monate, davon soll Schulbedarf gekauft werden, kommt das Geld jetzt in Bar oder auf die Karte? Wenn es Bar kommt und die Eltern benötigen Cash, nehmen sie sich das dann vielleicht? Und was ist mit der Tafel?

    • @Zwackelmann:

      Unabhängig davon, dass das ganze Narrativ, weiches den Kartenzwang rechtfertigen soll erlogen ist und keinen Sinn ergibt, da auf diese Weise Fluchtmigration verstärkt wird - Du würdest Dich also nicht diskriminiert fühlen, wenn Du bei jedem Bezahlvorgang Deine Flüchtlingskarte vorzeigen müsstest ... Äußerst unglaubhaft das ist ...

    • @Zwackelmann:

      nur mal so als erstes:



      Busfahrkarte.



      Buchungsgebühren bei jeder Zahlung

      • @Friderike Graebert:

        Habe von meinen letzten 30 Busfahrkarten keine einzige bar bezahlt, und von Buchungsgebühren habe ich nirgends was gelesen, fallen bei meinen Karten auch nicht an.

        • @Normalo:

          Grossstadtbewohner?

          Und der einzige Automat an unsererem Hauptbahnhof muss erst Basiskonten kosten Buchungsbebühren. 30 CEnt für jede Buchung, wenn man zu Schalter geht kostet es jedes Mal einen Euro.



          (als Beispiele sind mir zwei Konten, eines bei der Kreisparkasse Köln/Bonn und eines bei der VR-Bank Mittelhaardt, also bei zwei grossen Systemen in verschiedenen Regionen, bekannt.