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Abgesetzter Armeechef der UkraineDiese neue Front braucht keiner

Kommentar von Barbara Oertel

Die Gründe für den Rauswurf Walerij Saluschnyjs bleiben schleierhaft. Der neue Chef wird nichts an der prekären Gesamtsituation ändern können.

Die Gründe für den Rauswurf des beliebten Generals sind schleierhaft Foto: Gleb Garanich/reuters

D er ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj möge endlich zur Besinnung kommen. Mit diesen Worten kommentierte ein Nutzer in den sozialen Netzwerken sich verdichtende Gerüchte über eine bevorstehende Absetzung des Oberkommandierenden der Streitkräfte, Walerij Saluschnyj. Der Appell blieb ein frommer Wunsch, seit Donnerstag dieser Woche ist es amtlich und Saluschnyj gefeuert. Ein Dank für zwei Jahre Verteidigung der Ukraine nebst dem wenig konkreten Angebot, in Selenskyjs Mannschaft zu bleiben – das war’s.

Seien es mögliche politische Ambitionen und die hohen Beliebtheitswerte des Generals, dessen offene Kritik an der Regierung oder einfach der Umstand, dass ein Sündenbock für die gescheiterte Gegenoffensive im vergangenen Jahr hermusste – die Gründe für Selenkyjs Entscheidung bleiben schleierhaft. Auch seine Begründung, es gehe nicht um Personalia, sondern um eine Modernisierung und Neuaufstellung der Armee, überzeugt nicht.

Denn an diesen Anforderungen wird auch Oleksandr Syrskyj scheitern. Sa­lusch­nyjs Nachfolger ist vielleicht handzahmer gegenüber dem Präsidenten und weniger pfleglich im Umgang mit den unteren Diensträngen. Doch das ändert nichts an der Gesamtsituation. Diese ist prekär.

Militärisch befindet sich Kyjiw in der Defensive. Es mangelt an Waffen, Munition und Personal. Die länglichen Debatten über eine Reform des Mobilisierungsgesetzes könnten ein Indiz für die möglicherweise abnehmende Bereitschaft der Ukrai­ner*in­nen sein, im Kampf für die Heimat den Kopf hinzuhalten.

Es hängt am Geld

Demgegenüber scheint Russland, wie massive Angriffswellen immer wieder zeigen, noch Ressourcen zu haben. Für Präsident Wladimir Putin, dessen Wiederwahl im März sicher ist, spielt es ohnehin keine Rolle, wie viel Menschenmaterial in der Ukraine verheizt wird.

Nach wie vor gilt: Über den Ausgang dieses Krieges und damit das Schicksal der Ukraine wird vor allem in Washington und Brüssel entschieden. Auch da läuft es, wie auf dem Schlachtfeld, zäh. Die Einigung in der EU auf ein Hilfspaket von 50 Milliarden Euro war kein Selbstläufer. Das Gezerre um Finanzhilfen für die Ukraine im US-Kongress gibt einen Vorgeschmack darauf, was noch kommen könnte, sollte Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen.

Angesichts dieser Unwägbarkeiten, verbunden mit wachsender Unsicherheit, Kriegsmüdigkeit und einem drohenden Rechtsruck bei den diesjährigen EU-Wahlen, hat Selenskyj offensichtlich nichts Besseres zu tun, als eine weitere Front zu eröffnen. Das braucht keiner, vor allem nicht in der Ukraine.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

32 Kommentare

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  • Eine desaströse Entscheidung. Saluschnij gab den Soldaten an der Front immer das Gefühl nicht verheizt zu werden, anders als die russischen "Muschiks" auf der Gegenseite. Jetzt soll es also ein Mann richten, der von den Frontsoldaten als "Schlächter" bezeichnet wird.

    Angesichts der mangelnden westlichen Hilfe kommt es für die Ukraine auf eine intellegente, technologiebasierte und ressourcenschonende Verteidigung an, die den Gegner ausbluten lässt (das Jahr 1917 läßt grüßen) ohne andererseit die Zukunft der Ukraine, die sich auch ohne den Krieg in einer demographischen Krise befinden würde, zu gefährden. Saluschnij hat man die intelektuelle Befähigung dafür zuerkannt. Bei Syrskij bestehen Zweifel.

    Im Krieg ist das Vertrauen in die militärische Führung aber bereits eine Währung an sich. Insofern weiss der Teufel was Selensky geritten hat, in einer solch heiklen Situation, einen Mann wie Saluschnij zu feuern.

  • "... und soll wohl über Leichen gehen."



    Das ist doch Teil der Stellenbeschreibung!



    Es ist manchmal schon wirklich erschütternd, mit welcher menschenfreundlichen Naivität dieses Krieg aus dem sicheren und gemütlich warmen Wohnzimmer kommentiert wird.

  • Hier mal Kritik an der taz:



    Es wird hier eine desolate Frontlage beschrieben.



    Warum wurde das von der taz nicht schon früher thematisiert?

    • @Kartöfellchen:

      Interessanter Punkt. Vielleicht weil Journalismus in Kriegzeiten selten unabhängig ist? Und Selenski und Co sind im Medienkrieg Russland ja auch deutlich überlegen.



      Fairerweise muss man auch sagen, dass es vereinzelt in der TAZ immer Stimmen gab die auch kritisch auf Entwicklungen im Krieg in der Ukraine hingewiesen haben.

  • Die innenpolitisch, oder machtpolitische Entscheidung Selenkys den Oberkommandeur der Streitkräfte abzulösen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die militärische Lage der Ukraine nicht eine Frage der Strategie ist, sondern ausschließlich von den verfügbaren Ressourcen abhängt. Um territoriale Rückgewinnung zu ermöglichen, gilt nach wie vor die Doktri



    der Überlegenheit der Land- und Luftstreitkräfte im Verhältnis von 3 : 1.



    Bisher hat die Ukraine Militärunterstützung im Wert von knapp 100 Mrd. € erhalten. Um die russischen Invasoren auf die Grenzen von 2014 zurückzudrängen, ist kurzfristige Militärhilfe in Höhe von 500 Mrd. € erforderlich. Unterstützung in der Höhe können und wollen EU Staaten und die USA nicht leisten. Russland stellt auf Kriegswirtschaft um, entschlossen die Schwächen der Unterstützerstaaten der Ukraine konsequent zu nutzen. Beide Parteien führen z. Zt. einen Abnutzungskrieg, den die Ukraine ohne intensivste Unterstützung nicht gewinnen kann.

  • Dieser Artikel in Politico stellt die Hintergründe IMO ziemlich plausibel dar.



    www.politico.eu/ar...d-kyiv-washington/



    Alle die großes Drama lieben, werden enttäuscht. Es kommt kein Menschenschlächter Syrskij darin vor, kein erfolgsgeiler Selensky und kein genialer Feldherr Saluschnyj.



    Demnach geht die Konzeption der Sommeroffensive 2023 komplett auf Saluschnyj zurück, der sich dabei gegen die Empfehlungen der Militärberater aus dem Pentagon durchgesetzt hat, und dabei von Selensky unterstützt wurde. (Die US- Berater hatten empfohlen, sich auf einen einzigen Frontabschnitt im Süden zu konzentrieren). Saluschnyj ist also kein „Sündenbock“, er trägt als Armeechef für diese seine Fehlplanung die Verantwortung. Selenskys Job ist es nun mal, dafür zu sorgen, dass die USA & Co die Ukraine trotz dieses militärischen Rückschlags weiter unterstützen, Deshalb hat er sich einen neuen Armeechef gesucht, der nicht so wild drauf ist, selbst im Rampenlicht zu stehen und auch eher bereit, guten Rat anzunehmen.



    Der Artikel ist auch sonst interessant, z.B. was den geplanten Strategiewechsel angeht, weg von Abnutzung hin zu einer stärker asymmetrischen Kriegsführung. Es scheint eher, dass Saluschnyj das nicht mittragen wollte. Also das Gegenteil von dem, was seine Hagiografen von ihm sagen.

    • @Barbara Falk:

      Ich bin ja kein Militärexperte - aber angenommen, die Ukraine wäre den US-Empfehlungen gefolgt und hätte sich auf einen einzigen Frontabschnitt konzentriert. Meinetwegen im Süden, weil dort die Aussicht, über Tokmak und/oder Melitopol zum Asowschen Meer vorzustoßen, als weitaus größer einzuschätzen war - und weil man dort die Versorgungswege der Russen zur Krim hätte abschneiden oder zumindest empfindlich stören können.



      Im Prinzip war es aber genau diese Strategie, die im letzten Sommer hierzulande in den öffentlichen Medien stets kolportiert wurde. Jedenfalls habe ich persönlich nie etwas anderes gehört.



      Wie dem auch sei: würden Sie vermuten, die Russen hätten ihrerseits nicht auf diese Strategie reagieren können, indem sie die Ukrainer hilflos zusehend hätten „durchbrechen“ lassen bzw. nicht in der Lage gewesen wären, ihre eigene Strategie anzupassen?



      Nun, ich vermute, genau DAS hat die ukrainische Sommeroffensive scheitern lassen. Nicht nur, dass die Russen die Gelegenheit genutzt haben, sich auch an der Saporischschja-Front effektiv „einzugraben“, sie sind dann selbst (ab Oktober) weiter nördlich, im Donbass, wieder in die Gegenoffensive übergegangen. Darauf musste wiederum die Ukraine reagieren, um die sich neu auftuenden Löcher an diesen Frontabschnitten zu stopfen. Und in Awdikija wiederholen sich derzeit - auf beiden Seiten - die fatalen Fehler der Schlacht um Bachmut.



      Das ganze Bild deutet doch wohl eher darauf hin, dass es der Ukraine auch weiter an Ressourcen an Material und Menschen fehlt, um diesen Krieg zu seinen Gunsten beenden zu können.



      Die Entlassung Saluschnyis erinnert mich da eher an ein politisches Bauernopfer, um über das grundsätzliche Dilemma der ukrainischen Kriegsführung hinwegzutäuschen.

    • @Barbara Falk:

      Ja. Ein Artikel aus einem Springer Blatt, der sich damit beschäftigt, die Verantwortung für eine gescheiterte Offensive in die Ukraine abzuschieben, ist natürlich das Nonplusultra der Wahrheit 😁

      Interessant wird zu sehen sein, wie eine "asymmetrischen Kriegsführung" aussehen soll. Die Front aufmachen und hoffen, dass die russische Armee in den letzten zwei Jahren nichts gelernt hat? Man wird sehen...

      Übrigens. Den Begriff "Schlächter" habe ich als erstes im Spiegel gelesen. Den Begriff wird man da bestimmt nicht erfunden haben.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Der Begriff "Schlächter" - konkret "Schlächter des Donbass" - kommt von Russia Today. bzw von einer unspezifizierten Quelle im russischen Kriegsministerium...

        • @Ajuga:

          Und warum wird er dann in unseren Medien übernommen? Das ist nicht nachvollziehbar.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Der "Spitzname" kommt von seinen eigenen Soldaten.

            • @Alexander Schulz:

              Ich weiß nicht sicher, wo er herkommt, aber das ist die Version, die ich gehört habe.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Die Gründe für den Rauswurf Walerij Saluschnyjs bleiben schleierhaft." kann man aber nur sagen, wenn man ukrainische Medien komplett ignoriert.

        Soweit ich sagen kann, ist der Hintergrund einer der in Kriegszeiten üblichen Konflikte zwischen militärischen und zivilen Zielsetzungen, und zwar konkret: ob die Rekrutierung oder die Korruptionsbekämpfung Vorrang haben.

        Zu dem kommt - wenn man sich Saluschnis Fotos aus den letzten Tagen ansieht - dass der Mann einfach keinen Bock mehr auf den Job hatte. "Ich will mich um meine Gesundheit kümmern", das ist was man sagt, wenn man am Rand des Burnouts steht.

        Und was auch immer bei diesem russischen Angriff auf die ukrainische Kommandozentrale bei Posad-Pokrovsk'e passiert ist, es hat gereicht dass der "memeable" und medial omnipräsente Saluschniy 2 Monate lang auf Tauchstation ging.

        Ein weiterer Faktor - wie auch bei der ukrainischen de-facto-Aufgabe von 2/3 von Awdiiwka - ist das ukrainische Verlangen, mit ausreichend Abstand zur Präsidenten"wahl" in Russland Fakten zu schaffen, um eine propagandistsiche Ausschlachtung durch Putin zu verhindern.

        • @Ajuga:

          Ob Burnout, militärisches Versagen oder politische Hintergründe - es zeigt das Scheitern der bisherigen ukrainischen Kriegsführung. Ob Syrskyi das Zeug hat, als neuer Oberbefehlshaber das militärische Blatt noch zu wenden oder - vor Verhandlungen - lediglich retten kann, was noch zu retten ist, muss sich noch erweisen.

        • @Ajuga:

          "Zu dem kommt - wenn man sich Saluschnis Fotos aus den letzten Tagen ansieht - dass der Mann einfach keinen Bock mehr auf den Job hatte."

          Es lebe die Fotopsychologie!

          "Ein weiterer Faktor - wie auch bei der ukrainischen de-facto-Aufgabe von 2/3 von Awdiiwka..."

          Nach allen westlichen Quellen, die ich gelesen haben, war Saluschnyj für die rechtzeitige Aufgabe, um sinnlose Verluste zu vermeiden. Das Präsidialamt steht eher für eine Verteidigung jedes Ziegelsteines. Es ist eben schwer, Niederlagen zuzugeben. Besonders für Politiker, die 2023 zu Jahr des Sieges erklärt hatten.

          Und was Putin betrifft. Er wird einen Sieg in Awdiiwka natürlich ausschlachten. Egal wann er erfolgt. Seine "Wiederwahl" ist so sicher, wie das Amen in der Kirche. Awdiiwka hat darauf keinerlei Einfluss.

    • @Barbara Falk:

      Der Artikel spiegelt die explizit westliche, amerikanische Haltung wider, die von einer gehörigen Portion Arroganz gespeist wird. Im Westen wurde der Eindruck geschürt, man könne mit unter 100 Kampfpanzern aus deutscher, britischer (und amerikanischer, 8 Monate später) Produktion ohne jegliche Luftunterstützung und mit im Schnellkurs im Westen "trainierten" ukrainischen Soldaten mit begrenzten Englischkenntnissen einen Blitzkrieg gewinnen und integrierte Kampfführung durchführen, wie es in der NATO eigentlich nur US-Soldaten und einige wenige britische Spezialeinheiten können. Und dort natürlich auch nur mit massivster Luftunterstützung und mit Material, das sie seit zig Jahren kennen und das aufeinander abgestimmt ist, völlig anders als in der Ukraine. Die ach so schlauen NATO-Berater haben übersehen, dass die Russen 20 km breite Minenfelder angelegt haben, die so dicht sind wie nie zuvor in der Geschichte der Kriegsführung. Sie haben die Rolle der Drohnen und der Drohnenabwehr völlig unterschätzt. Letzendlich haben sie die Ukrainer überzeugen wollen, alles auf eine Karte zu setzen und an nur einer Stelle durchzubrechen und zum Glück sind die Ukrainer nicht darauf eingegangen. Sie haben erkannt, dass es ein Abnutzungskrieg geworden ist, auch deshalb, weil der Westen nicht die nötigen Waffen liefern kann oder will für einen schnelleren Sieg. Die Russen haben die gleichen Probleme, gegnerische Minenfelder, gegnerische Drohnenarmeen, marode Logistik, schlechtes Material, müde, unmotivierte Truppen und äußerst schwierige Mobilisierung neuer Truppen.

      • @Dorian Müller:

        Exakt auf den Punkt gebracht! Der Westen hat dazu ja noch die Lieferungen für die Gegenoffensive derart in die Länge gezogen, sodass Russland ganz viel Zeit hatte sich darauf vorzubereiten.

        • @schnarchnase:

          Also die deutsche Panzer kamen zum verabredeten Zeitpunkt.

          Was dazwischen kam, war die russische Offensive auf Bachmut. Scheinbar hatte man tatsächlich angenommen, die Russen drehen Däumchen, bis die Ukraine ihre Vorbereitungen abgeschlossen hat...

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Die Panzer und nichtnnur die hätten wesentlich früher geliefert werden können. Monatelang las man immer neue Ausreden a la "die Ukrainer können die nicht bedienen", "Ausbildung dauert zu lange", "es gibt eine Vereinbarung in der NAto das kampfoanzer nicht geliefert werden dürfen". Hätte die Ukraine schon im Herbst 22 vor der russischen Mobilisierung und dem Eingraben der Russen diese Waffenlieferungen erhalten wäre die russische Front wahrscheinlich in Teilen zusammengebrochen.

            • @schnarchnase:

              Hinterher sind alle besonders klug.

              Die Ukraine und ihre Unterstützer haben sich Ende 2022 in Ramstein getroffen, um die Strategie und den Materialbedarf für 2023 zu besprechen. Im Umfeld der Konferenz erfolgte die Lieferzusagen und die Ankündigung der Gegenoffensive.

              Heute wissen wir, dass alle diese Pläne auf einer sehr großen Unterschätzung Russlands beruhten. Zweifel waren ja schon fast Gotteslästerung. Und dafür tragen alle damaligen Entscheidungsträger die Verantwortung. Heute einzelne Leute dafür ans Kreuz zu schlagen ist billige Ablenkung.

              • @warum_denkt_keiner_nach?:

                Experten wie Gustav Gressel und Markus Reiser benennen ganz klar die mangelhafte und verzögerten Waffenlieferungen dafür dass die Situation ist wie sie ist. Russland hat die Ukraine zu Beginn des Krieges unterschätzt und der Westen die Russen überschätzt ("Kiev fällt in 3 Tagen, Waffenlieferungen sind sinnlos"). Dann ist man wieder im Herbst 22 der russischen Atom-Propaganda auf den Leim gegangen und hat durch inkonsequente und langsame Waffenlieferungen eine historische Chance vertan. Viele Waffengattungen wurden und werden erst nicht geliefert weil man fälschlicherweise von zu hohem Eskalationspotential ausging. Scholz hat sich auch ständig hinter den Usa versteckt obwohl ein Wahlsieg von Trump wahrscheinlich ist.

                • @schnarchnase:

                  Natürlich kommen die Experten, die damals auch falsch lagen, jetzt nachträglich mit neuen Weisheiten.

                  Völlig vergessen wird dabei, dass auch diese Leute sich gründlich verrechnet hatten.

                  Es gab im Bezug auf die Ukraine nie einen richtigen, realistischen Plan. Man ist von Situation zu Situation gestolpert. Und aktuell sieht es nach kompletter Ratlosigkeit aus.

                  Natürlich kann man im Nachhinein immer behaupten, das dieses oder jenes eher hätte kommen sollen.

                  Völlig vergessen wird dabei, dass man vieles erst zusammensuchen musste und dass der Effekt der westlichen Waffen auf dem Schlachtfeld nicht groß ist. Für die Kämpfe ist es offensichtlich ziemlich egal, ob die ukrainischen Soldaten in einem Leo oder in einem T-84 sitzen. Beides sind Panzer. Und keiner davon ist eine Wunderwaffe. Wenn ich daran denke, was voriges Jahr um diese Zeit in den Medien für Illusionen kursierten, wird mir heute noch übel.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Meine volle Zustimmung. Russland ist zwar skrupellos, aber nicht so dumm wie es vielfach dargestellt wird.



            Realistisch betrachtet bassierte die ganze Stratgie der Offensive auf dem Prinzip Hoffnung. Selbst ein Durchstoß zum assowischen Meer hätte vermutlich nicht dazugeführt, dass Russland die Krim aufgegeben hätte. Warum auch? Dann hätte Russland halt später eine Gegenoffensive gestartet.

            • @Alexander Schulz:

              Von wo denn? Wenn die Krim in Reichweite ukrainischer Artillerie und Kampflugzeugen gewesen wäre, wäre sie von Russland nur schwer zu verteidigen gewesen.

    • @Barbara Falk:

      Vielen Dank für diese wertvollen Zusatzinformationen, auch wenn ich einzelne Punkte aus den anderen Beiträgen (besonders der eins hier drunter) ebenfalls plausibel und nachdenkenswert finde.

    • @Barbara Falk:

      Ach, wie können Sie so reingrätschen in ein Gespräch von Militärstrategen, die darüber hinaus noch einen intimen Einblick in die uneinnehmbaren Bereiche der ukrainischen Innen- und Sicherheitspolitik haben? Es war so eine schöne Erzählung! Geniales Bärchen von einem Oberbefehlshaber wird von erfolgsgeilen Präsidenten durch einen Menschenschinder ersetzt. Und da kommen Sie mit vernünftigen Hintergründen und Plausibilitätserwägungen... Ich für meinen Teil will erstmal bei der fetzigen Erzählung bleiben.

  • Das Problem ist nicht Saluschnyj, sondern der Nachfolger Syrskyj, "Schlächter" genannt. Er ist unbeliebt bei den Truppen, weil er seine Leute bedenkenlos opfert. Putin kann sich das leisten, die Ukraine nicht. Außerdem ist Syrskyj ein Militär der alten sowjetischen Schule und damit sowohl berechenbarer für den Gegner als auch schlicht unprofessioneller als der eher westliche Stratege Saluschnyj, der ein extrem hohes Ansehen bei seinen Leuten genießt und viel näher an den Truppen dran ist als der distanzierte Schlächter. Selenskyj hat den größten Fehler seiner Amtszeit begangen.

  • Dem ist nichts hinzuzufügen. Man sollte nur nicht überrascht tun, die Entwicklung und jetzige Situation waren lange absehbar, sie sind weder Schuld der Ukraine noch liegen sie entscheidend in ihrer Macht. Es ist auch klar dass unter anderen Vorzeichen nichts mit Saluschnyj passiert wäre. Der Westen hat die Ukraine fallen gelassen. (Wie soll man da noch mobilisieren?) Nun kann Selenskyj eben keine westlichen Posten abräumen.

  • Danke für Ihren lesenswerten Kommentar!

    Kritisieren sollte man vielleicht auch noch die Auswahl der Nachfolgers. Der "Schlachter" Syrsky gilt ja als besonders skrupellos, rücksichtslos und soll wohl über Leichen gehen.

    www.spiegel.de/aus...-8e27-7ff239137ace

    • @Alexander Schulz:

      Das wird wohl bei der Auswahl eine Rolle gespielt haben.

  • Ukraine Armeechef Walerij Saluschnyjs hat offensichtlich auf Frontbegradigung durch Rückzug der Truppe gesetzt, mangels Waffen, Munition und taktischer Erfahrung, dass die Russen in diesem Krieg gegen die Ukraine seit 24.2.2024 sich verschanzt, eingegraben defensiv stark, aber in der Offensive aufgrund der mental desaströs eingebrochenen Einstellung der Truppe durch mangelnd menschliche Ansprache fehlender Versorgung mit Grundbedarfsmitteln der Truppe, ausgesetztem Kontakt nach Hause, Übergriffigkeit gepaart mit Korrumpierbarkeit der Armee Leitungskader schwach sind, während Ukraine Präsident Wolodomir Selenskji nach außen unvermindert auf Offensive setzt, Finanz-, Waffenhilfe weltweit zu akquiriere. Jetzt folgt der Präsident Walerij Saluschnyjs Strategie, will ihn aber als Offensiv General für kommende neue Lage in seinem Team halten?

  • Der übliche Reflex: Wenn's nicht so läuft, wie so mancher träumt, muss ein Sündenbock für den schlechten Traum seinen Kopf hinhalten.