Radikal rechter Sender Auf1: Ein Heimatsender für die AfD
Um die AfD ist ein Biotop rechter Medien entstanden, etwa der Fernsehsender Auf1 aus Österreich. Der will 2024 in Deutschland groß angreifen.
D as „Weitblick“ im Münchner Norden ist eine edle Eventlocation: eine Bar aus Glaswänden mit lichtgefluteten Veranstaltungsräumen. Hier kommen an einem Sonntag Mitte Januar die Größen der deutschsprachigen Verschwörungsszene zusammen: Querdenkerinnen, Impfgegner, Politikerinnen der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und deutsche Rechtsextreme.
Der österreichische Fernsehsender Auf1 hat zum Neujahrsempfang geladen. Man trifft sich in München, weil 2024 das Jahr sein soll, in dem Auf1 auch in Deutschland Fuß fasst. Die Zeichen dafür stehen nicht schlecht: Ostdeutschland, auf dessen Publikum Auf1 ganz offensichtlich zielt, wählt im Herbst drei neue Landesparlamente. Und die AfD, die der Sender hofiert, erreicht in Umfragen Spitzenwerte.
Wenn es nach Chefredakteur Stefan Magnet geht, dann vollzieht sich an diesem Tag im Januar im Münchner Weitblick die „Medienrevolution“.
Magnet ist 39 Jahre alt und langjähriger Akteur in der rechtsextremen Szene Österreichs. Lässig steht er in München auf der Bühne, die Krawatte fest gebunden, das Jackett trägt er offen. Er spricht frei und pointiert, wirkt schmeichelnd, gleichzeitig zupackend. Magnet beherrscht das Handwerk der Unterhaltung – und der Bissigkeit. Er versteht es, in ironisch-überheblicher Attitüde zu hetzen und Tatsachen zu verdrehen.
Im Sekundentakt feuert er Parolen in Richtung Publikum. „Es gibt keine freien Medien in Deutschland“, ruft er – und warnt vor den Eliten in Politik, Wirtschaft und Medien. „Gegen diese Bande werden wir gewinnen“, ruft Magnet. Seine Zuhörer klatschen begeistert, Jubelrufe ertönen im Saal.
Der Neujahrsempfang ist ausverkauft. 300 Menschen haben je 179 Euro für das Ticket bezahlt, um bei Weißwein und Häppchen der Untergangserzählung von Magnet und seinen Mitstreitern zuzuhören. In einem professionell gemachten Video werden schlaglichtartig die Highlights des Fernsehprogramms von Auf1 auf eine Leinwand geworfen. Eine Sängerin schmettert Tina Turners „The Best“ ins Mikrofon.
Auf1, das steht für „Alternatives Unabhängiges Fernsehen, Kanal 1“. Stefan Magnet hat den Sender zur Zeit der Pandemie gegründet, zunächst nur für das Internet. Allein über den Messengerdienst Telegram erreicht Auf1 mehr als 267.000 Abonnent*innen. Mittlerweile hat der Kanal es auch ins Satellitenfernsehen geschafft.
Berichtet wird aus einer rechtsextremen Wahnwelt: Da müssen alte Leute aus Altersheimen raus und Platz machen für Migranten, die WHO errichtet die „Weltdiktatur“ und Deutschland ist besetzt von den USA.
Seit Sommer sendet Auf1 auch aus Deutschland, und wenn sich seitdem ein Thema durch das Programm zieht, dann ist es das angebliche Versagen der Ampelregierung und der Triumph ihrer Kritiker: der AfD.
Auf1 könnte bald zu dem Heimatsender werden, den die AfD immer wollte.
Eine rechte Gegenöffentlichkeit
Die AfD verfolgt seit jeher eine ganz spezielle Medienstrategie: Sie kanzelt die etablierten Medien als „Systemmedien“ ab und baut gleichzeitig eigene, reichweitenstarke Kanäle auf. Eine rechte Gegenöffentlichkeit.
In den sozialen Medien ist die AfD damit so erfolgreich wie keine andere Partei: Allein bei Tiktok, der Videoplattform für ein junges Publikum, erreicht die AfD-Bundestagsfraktion 396.000 Follower. Die SPD erreicht 126.000, die Grünen-Bundestagsfraktion hat erst seit wenigen Tagen überhaupt einen offiziellen Account bei Tiktok. Ähnlich sieht das Kräfteverhältnis bei Youtube aus.
Mit dem Versuch, eigene Medien auch im Analogen aufzubauen, ist die AfD hingegen weniger erfolgreich. Der Newsroom etwa samt investigativer Rechercheeinheit, den die Partei 2018 angekündigt hatte – der Claim: „AfD statt ARD“ –, ist in dieser Form nie zustande gekommen. Die Idee aber, Geld in den Aufbau von Medien zu stecken, blieb. So sollen Parteimitglieder auf einem ähnlichen Treffen wie dem mittlerweile berüchtigten im November bei Potsdam etwa überlegt haben, einen Berliner Sender aufzukaufen.
Dabei hat sich rund um die AfD längst ein florierendes Netzwerk von rechten Medien angesiedelt. Es besteht aus Zeitungen und Magazinen, aus Radio- und Fernsehsendern. Einige sind über Jahrzehnte gewachsen, andere mit viel Geld und professionellem Know-how erst in den vergangenen Jahren gestartet. Die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit etwa gehört zu den etablierten. Zwar beansprucht sie für sich eine Distanz zur AfD, lancierte aber jüngst eine Petition gegen ein AfD-Verbot. Gleichzeitig wächst die Auflage der Zeitung: 27.000 Exemplare verkauft sie mittlerweile wöchentlich.
Im Radio ist es der Sender kontrafunk, der den Sound der AfD abbildet. Der Sender wurde gegründet von dem früheren Deutschlandfunk- und SWR-Journalisten Burkhard Müller-Ullrich. Er hat dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk abgeschworen und 2022 in der Schweiz kontrafunk gegründet. Er sendet übers Internet. Die aktuellen Demos gegen die AfD sind für Müller-Ullrich ein „kultureller Bürgerkrieg zwischen Ja-Sagern und Widerständigen“, die Hunderttausenden Demonstrierenden für ihn die „Fußtruppen der Herrschenden“.
Das wohl meist diskutierte unter den rechten Medienportalen dürfte allerdings Nius sein. Es ist auf Julian Reichelt zugeschnitten, dem früheren Chefredakteur der Bild-Zeitung. Reichelt zeichnet darin regelmäßig ein Bild von Deutschland, wie es der AfD gefallen dürfte: Frauen trauten sich demnach nachts kaum noch auf die Straße, junge arabische und afrikanische Männer dominierten die Städte, und die „Klima-Ideologie“ der Ampelregierung richte das Land zugrunde. Zwar spricht Reichelt auch von den „furchterregenden Ansichten“ in Teilen der AfD. Gleichzeitig plädiert er dafür, dass die CDU in Ostdeutschland die viel beschworene Brandmauer lieber zur AfD als zur Linken einreißt. Das Volk wolle es so.
Im Vergleich zu Julian Reichelt bei Nius drehen Stefan Magnet und sein Berlin-Korrespondent Michael Müller-Mertens bei Auf1 noch ein bisschen mehr auf. Ihren großen Moment hatten die Programmmacher während der Bauerndemos in Berlin Anfang des Jahres. Eine ganze Sondersendung hoben sie kurzfristig ins Programm: Zehn Kamerateams begleiteten die Demos in Deutschland. Darunter waren zwei west- und vier ostdeutsche Städte.
Michael Müller-Mertens meldete sich beinahe täglich live von einem anderen Traktor. Während Auf1 die Bauernproteste als eine Art Erweckungsmoment für Deutschland inszenierten, finden die großen Anti-AfD-Proteste der vergangenen Wochen kaum Erwähnung. In der Lesart von Stefan Magnet sind sie inszeniert, um davon abzulenken, wie die Ampelregierung gerade Deutschland „abreißt“.
Dafür immer wieder im Programm: die AfD. Im September interviewt Stefan Magnet AfD-Chefin Alice Weidel und den rechtsextremen FPÖ-Kanzlerkandidaten Herbert Kickl gemeinsam. Kurz darauf empfängt er Weidel zum einstündigen Einzelinterview. Magnet fungiert dabei mehr als Stichwortgeber denn als Interviewer. Und der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke durfte im Auf1-Interview das „Parlamentstheater“ im Landtag geißeln, und die „Kollaborateurselite, die uns beherrscht“.
Aber die AfD wird nicht nur interviewt bei Auf1, sie interviewt auch selbst im Auftrag von Auf1.
Vom Bundesparteitag der AfD im Juni 2022 in Riesa berichtete Marie-Thérèse Kaiser. Kaiser ist Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Rotenburg, Niedersachsen, sie sitzt für die Partei im dortigen Kreistag. Für Auf1 war sie in Riesa als Reporterin unterwegs – ohne Hinweis auf ihre Parteiämter.
Kaiser hält das blau-gelbe Mikrofon fest in der Hand und strahlt in die Kamera. „Dies ist ein richtungsweisender Parteitag“, sagt sie. Tino Chrupalla, den in Riesa frisch gewählten neuen Parteichef, beglückwünscht sie zu seiner Wahl. Dann interviewt sie handzahm Björn Höcke. Auf taz-Anfrage reagiert Kaiser nicht.
Für Kaiser ist es nicht das erste Mal, dass sie vor einer Kamera steht. Sie moderierte ein Videoformat der neurechten Initiative „Ein Prozent“, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, und tritt in Videos des rechtsextremen Compact-Magazins auf. Kaiser wurde im Sommer 2023 wegen Volksverhetzung verurteilt.
Sender wie Auf1 bekommen immer wieder privilegierten Zugang zu Höcke und anderen AfD-Politiker*innen: Hatte Höckes Thüringen-AfD etwa ein Team des ZDF 2023 vom Landesparteitag noch rechtswidrig ausgeschlossen, wurden Compact und Auf1-TV auf dem Bundesparteitag von Riesa 2022 sogar nachträglich akkreditiert. Auf dem Parteitag in Riesa erschien dann neben besagter Kaiser auch Simon Kaupert aus der rechtsextremen Identitären Bewegung für Auf1. Kaupert, der mit White-Power-Geste auf Twitter posiert, drehte unter anderem mit dem Chef-Identitären Martin Sellner Videobeiträge für die AfD Sachsen-Anhalt.
Wurzeln in Neonazistrukturen
Das Café Traxlmayr in der Linzer Innenstadt ist ein Etablissement vom alten Schlag. Kronleuchter hängen von den hohen Decken, die Sitzbänke sind rot-golden gepolstert. Ein Kaffeehaus im Wiener Stil. An einem Mittwochmorgen im November sucht sich Uwe Sailer einen Tisch mitten im Café. Dass man ihm hier von rundherum gut zuhören kann, scheint ihn nicht zu stören.
Uwe Sailer, silbernes Haar, war fünfunddreißig Jahre lang Polizist in Linz. Jetzt ist er im Ruhestand, aber seinen Kampf gegen Österreichs Rechtsextreme führt er weiter. Als einer der ersten Polizisten in Österreich hat sich Sailer auf Datenforensik spezialisiert – auf Spurensuche im Internet und auf Rechnern. „Terabytes“ an Material über die extreme Rechte habe er gesammelt. Vieles aber hat er im Kopf: Namen, Daten, Verbindungen. Sailer war nicht nur Polizist, er ist auch Mitglied des Oberösterreichischen Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus.
Mit dem Auf1-Gründer Stefan Magnet befasst sich Sailer seit fast 20 Jahren. Die beiden haben sich mehrmals getroffen. Einmal habe Magnet den Polizisten Sailer verklagt, wegen angeblicher Datenfälschung. Das Gericht gab Sailer recht.
Magnet sei, erzählt Sailer, „extrem rechtsextrem und antisemitisch“. Ihn treibe „ein Rachegefühl“. Früher sei Magnet in Lederhosen und weißem Hemd herumgelaufen, wie einst die Hitler-Jugend. „Heute ist alles verklausuliert: Es geht um die ‚Ostküste‘, um die ‚Eliten‘.“ Die Botschaft aber sei dieselbe, sagt Sailer: „Andere Menschen sind minderwertig, Germanen die Herrenrasse. Magnet und seine Gefolgsleute wollen Remigration, Ausländer raus.“
Die Wurzeln von Auf1 reichen lange zurück und tief in die Neonazistrukturen Österreichs. Stefan Magnet begann seine Karriere in der rechtsextremen Szene Österreichs wohl im Bund Freier Jugend (BFJ). Der war die Jugendorganisation der Partei Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik. Der österreichische Verfassungsschutz nannte die Partei das „aktivste Sammelbecken der organisierten rechtsextremen Szene in Österreich“. Der BFJ entstand im Jahr 2003. Der damals erst 19-jährige Stefan Magnet wurde zu einem der faktischen Anführer. Unter den BFJ-Mitgliedern war damals auch der heutige Identitären-Chef Martin Sellner. Sellner ist auch bei Auf1 zu Gast.
Im Jahr 2008 werden Magnet und vier Mitstreiter vor dem Landesgericht Wels wegen des Verdachts auf NS-Wiederbetätigung angeklagt. Einer der Zeugen im Prozess war der Linzer Polizist Uwe Sailer. Er hat noch lebhafte Erinnerungen an den Prozess: „Magnets ganzer Fanclub“ habe vor dem Gericht Spalier gestanden, Sailer sei bedroht worden, auch die Geschworenen hätten sich bedroht gefühlt. Magnet wird schließlich freigesprochen und kommt nach einem halben Jahr Untersuchungshaft frei. Der Bund Freier Jugend löst sich nach dem Verfahren auf.
Formal war die Gruppe nie mit der FPÖ verbunden, die persönlichen Verbindungen aber waren eng. 2016 reiste Stefan Magnet mit einer Delegiertengruppe der FPÖ nach Russland, wo die Partei einen Freundschaftsvertrag mit Putins Partei Einiges Russland unterzeichnete. Der Vertrag schrieb eine Kooperation auf allen Ebenen fest, mit dem Ziel: „Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude“. Den Wortlaut des Vertrags hält die FPÖ unter Verschluss, nach Parteiangaben ist er angeblich ausgelaufen.
Auf1 hat heute ein „virtuelles Büro“ im Wiener „Goldenen Quartier“. Tatsächlich ist der Sender in Linz in einem schmucklosen Zweckbau untergebracht, einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt. Es ist das einstige TV-Studio der FPÖ-nahen Postille Wochenblick. Unten ist ein kleiner Supermarkt, oben Wohnungen, dazwischen, im ersten Stock, die Studios. „Media in res GmbH“ steht auf zwei Klingeln. Die Senderäume sind von außen mit einem schwarzen Tuch abgehängt.
Eine kleine Mannschaft macht hier das Programm, 15 Mitarbeiter:innen stellt der Sender selbst auf seiner Webseite vor, darunter eine Ex-Schauspielerin, eine Ex-Polizistin und eine Masseurin. Mit ihnen reden kann man nicht – Magnet lässt sämtliche Interviewanfragen unbeantwortet.
So ein kleiner Sender mit 15 Mitarbeiter:innen aus der österreichischen Provinz – kann hier tatsächlich Propaganda entstehen, die auf die Landtagswahlen in Ostdeutschland gefährlichen Einfluss nehmen kann?
Vielleicht nicht allein. In Österreich, sagt der Ex-Polizist Sailer, sei im Umfeld der FPÖ ein ganzes Ökosystem parteinaher Medien entstanden, die zusammen eine enorme Reichweite haben: russlandfreundlich, FPÖ-nah, voller rechtsextrem gefärbter Desinformation. Das in Linz ansässige selbsternannte „Magazin für Patrioten“, Info-Direkt, machte schon in seiner ersten Ausgabe klar: „Wir wollen einen wie Putin.“
Auf1 passt für Uwe Sailer hervorragend in dieses Netzwerk. „Das Ziel von Auf1 ist ausschließlich die Destabilisierung der Demokratie durch Desinformation“, sagt er. Und je mehr kleine Sendeanstalten wie Auf1 oder Blogs auftreten, „desto wahrer erscheinen deren Geschichten“.
Expansion nach Deutschland
Seit dem vergangenen Sommer zielt Auf1 auch auf Deutschland. Einen „Großangriff aufs Medienkartell“ versprach Magnet im August und verkündete den Coup: Über den kleinen Regionalsender SRGT werde Auf1 künftig auch im Satellitenfernsehen empfangbar sein – also zu Hause, auf dem Fernseher im Wohnzimmer.
SRGT steht für „SchwarzRotGoldTV“. Betrieben wird der Sender von dem Stuttgarter Arzt Wilfried Geissler, der während der Coronapandemie zum Aktivisten der örtlichen Querdenken-Szene wurde. Geissler trat auf Demos auf und kandidierte für die AfD. Unter dem Namen SRGT betrieb er erst einen Youtube-Kanal über Impfschäden und die angebliche Coronalüge. 2021 beantragte er eine Fernsehlizenz und bekam sie. Der Sender lag weitgehend brach – bis Auf1 übernahm.
Wilfried Geissler, der ehemalige Arzt und SRGT-Betreiber, antwortet schnell auf eine taz-Anfrage. Zu seinem Engagement für Auf1 schreibt er nur knapp, er wolle lieber über Corona sprechen. Er schlägt eine Diskussion über Videochat vor, über die Coronapolitik, die aktuellen Inzidenzen. Wir willigen ein, schreiben aber, dass wir auch über Auf1 sprechen wollen. Dann antwortet Geissler nicht mehr.
Seit September 2023 strahlte Geisslers Sender morgens und abends für einige Stunden das Programm von Auf1 aus. Im November schaltete sich die Landesmedienanstalt ein und untersagt die Ausstrahlung von Auf1 über Satellit. Nicht etwa wegen der Inhalte von Auf1, sondern weil Geissler mit seinem Deal gegen den Medienstaatsvertrag verstoßen hatte. Schließlich hatte er die Sendelizenz für seinen eigenen Sender erhalten, nicht für Auf1. Die Medienaufsicht sah einen „Verkauf von Sendezeit“.
SRGT stoppte daraufhin zunächst die Ausstrahlung von Auf1, mittlerweile läuft das österreichische Programm wieder bei dem Sender. Geissler schreibt, „wir“, also vermutlich Stefan Magnet und er, hätten „das Vertragswesen und die Finanzierung neu aufgesetzt“. Was das heißt, beantwortet er nicht. Die zuständige Landesmedienanstalt Baden-Württemberg prüft nun wieder. Voraussichtlich im Februar will sie entscheiden, wie sie mit Auf1 bei SRGT umgeht. Wilfried Geissler, der SRGT-Betreiber, könnte dann seine Lizenz verlieren.
In Österreich hatte sich Auf1 mit dem gleichen Trick einen Sendeplatz im linearen Fernsehen erschlichen – eingekauft in einen kleinen Regionalsender. Im November 2022 verbot die österreichische Medienaufsicht dem Sender, Auf1 auszustrahlen. Stefan Magnet hat dagegen Widerspruch beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt, das Verfahren läuft noch.
Woher das Geld kommt, mit dem Magnet seinen Sender finanziert, ist unklar. Auf der Webseite wirbt Auf1 um Spenden. Im Internetshop gibt es neben Esoterikbüchern und Biokräutertee auch alles für den Weltuntergang: Taschenlampe, Powerbank, Notfallkocher – alles im Auf1-Blau.
In der Münchner Eventlocation schreitet der Nachmittag voran. Am Büchertisch werden einschlägige Werke verkauft, viele aus dem rechten Kopp-Verlag. Sticker gibt es gratis, „Sei keine Marionette“ steht auf einem.
Das Publikum erinnert an großstädtische Theaterbesucher: Frauen in Kostüm, Parfümschwaden ziehen durch den Saal, Männer in Jackett oder Slim-Fit-Anzug. Ein paar alte Männer mit langen grauen Haaren und Strickpulli haben sich auch unters Publikum gemischt.
Auf der Bühne werfen Szenegrößen kurze Schlaglichter auf das kommende Jahr, ihr „Schicksalsjahr 2024“: Der Arzt und Coronaverschwörer Andreas Sönnichsen sagt, dass er nun auch gegen die Masern-Impfpflicht kämpfen will. Martin Kohlmann, Chef der Neonazi-Partei Freie Sachsen, will 2024 weitermachen wie bisher. Und Uwe Kranz, der frühere Präsident des Thüringer Landeskriminalamtes, warnt vor einer angeblichen frühen Sexualisierung von Kindern. Es könne nicht sein, dass man von „null bis vier Jahren“ schon „das Gefummel lernen“ müsse.
Stefan Magnet, der Mann hinter Auf1, fühlt sich offensichtlich beflügelt von diesem Nachmittag. Die „Medienrevolution“, sie ist in vollem Gange, wenn man ihm so zuhört. Tatsächlich zeigt der Neujahrsempfang in München aber auch, dass es Magnet um viel mehr geht. Auf der Bühne schimpft er auf das parallel tagende Weltwirtschaftsforum in Davos. Eine „Alternative zum Globalisten-Treffen“ wolle er ins Leben rufen. Und das am liebsten gleich hier und heute. Kompetenz sei an diesem Nachmittag im Münchner Publikum dafür ja ausreichend vorhanden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen