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Zugeständnisse der EU an BauernMist für die Umwelt

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Eigentlich sollten EU-Bauern 4 Prozent der Ackerfläche für Natur bereitstellen, doch die EU-Kommission knickte ein. Das geht auf Kosten der Umwelt.

Blühstreifen, eher ungern Foto: Hady Khandani/Joker/imago

D ie Bauernproteste in mehreren EU-Ländern entpuppen sich zusehends als Angriff auf den Umweltschutz. Bauernverbände in Deutschland und Frankreich fordern, auf neue Natur- und Tierschutzvorschriften zu verzichten. Die Agrarlobby greift sogar bestehende Regeln an, etwa gegen Überdüngung, die das Grundwasser verschmutzt.

Jetzt haben die Landwirte einen ersten Erfolg erzielt und es ist zu befürchten, dass weitere folgen werden: Die EU-Kommission knickt bereits ein und schlägt vor, eine neue Bedingung für die wichtigste Agrarsubvention weiterhin nicht in Kraft zu setzen. Eigentlich müssen Empfänger von „Direktzahlungen“ mindestens 4 Prozent ihrer Ackerflächen der Natur überlassen – etwa für Brachen, Blühstreifen oder Bäume. Nun will die Kommission den EU-Staaten erlauben, diese Bedingung zu ignorieren.

Dabei zeigen Studien, wie wichtig Ackerbrachen und Landschaftselemente sind. Sie bieten Rückzugsräume zum Beispiel für das vom Aussterben bedrohte Rebhuhn, sie sind Puffer, die Abdrift von Pestiziden von den Feldern verhindern, und sie wirken sich positiv auf die Bodenfruchtbarkeit aus.

All das ist bitter nötig, denn die Landwirtschaft trägt maßgeblich dazu bei, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben. Sie hat ungefähr die Hälfte der deutschen Landfläche unter Beschlag. Auf dieser hat sie immer mehr Hecken beseitigt, den Boden umgebrochen und mit zu viel Chemikalien der Artenvielfalt geschadet.

Der ökonomische Preis der Brachen und Landschaftselemente ist gering. Es gibt sie schon jetzt auf 2 Prozent der deutschen Ackerfläche. Die Bauern müssten also nur 2 Prozentpunkte zusätzlich bereitstellen. Die Ernte dort wäre minimal.

Deshalb muss Bundesagrarminister Cem Özdemir in Brüssel gegen die Vorlage der EU-Kommission stimmen. Falls sie doch durchkommt, darf er sie nicht in Deutschland umsetzen. Für ein Mitglied der Grünen sollte das selbstverständlich sein.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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7 Kommentare

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  • EU-subventionierter Raubbau an der Natur, trotz Artensterben, Umweltverschmutzung und Klimakatastrophe. Weil "Agrarterroristen" den Forderungen der Agrarlobbyisten mit schwerem Gerät so richtig Nachdruck verschaffen. Niederschmetternd.

  • Die meisten Bauern sind eben ganz normale Konservative, denen gesellschaftlicher Status und Machterhalt über alles geht.



    Es gibt immer einen anderen Bauern, der einen dickeren Trecker fährt. Und den möchte man auch gern haben.



    (Das beschränkt sich natürlich nicht nur auf Bauern)



    Deshalb könnten noch so viele Subventionen ausgeschüttet werden. Am Ende wären die meisten doch nicht zufrieden.



    Status und Macht zu erreichen, funktioniert am Einfachsten mit möglichst großen Feldern und Maschinen, dem Einsatz von Pestiziden und Gülle.



    Es ist wohl normal, dass Menschen ihren Lebensunterhalt möglichst effektiv verdienen wollen.



    Statusdenken macht aber das Hirn träge.



    Beste Voraussetzungen für Unterwanderung von rechts und Geschichten darüber, dass die anderen und allen voran die Grünen an allem Schuld sind.



    Ich habe nichts gegen große Trecker. Aber viel dagegen, die Realität zu verleugnen, das eigene Handeln nicht anzupassen und dadurch alles andere in die Scheiße zu reiten.



    Anders als mit Blick auf Statusdenken kann ich mir nicht erklären, warum Bauern Höfesterben beklagen, aber gleichzeitig selbst verhindern, dass sich die dafür verantwortlichen Strukturen ändern.

  • Die Behörden, die per Luftbild alles überprüfen, was Landwirte so auf ihren Feldern treiben, müssten einfach mal konsequent gegen jeden vorgehen, der Wegränder und Waldränder, die gar nicht mehr zum Flurstück gehören, mitbeackert. Das wären schon die fehlenden 2 %.

  • Solange Klima und Naturschutz mit ein paar Cent, na gut Euros, zu haben war, waren viele doch dafür, zumindest nicht dagegen.



    Aber das reicht ja nicht.



    Nun sehen wir, dass, wenn es mehr an die Substanz geht, die Zustimmung stark sinkt. Sei es für den Heizungskeller, sei es für Flächenreduktion. Im Bereich Mobilität ist es durch die zur Zeit niedrigen Benzinpreise ruhig. Aber wenn die CO2 Bepreisung stark ansteigt und das Verbrenneraus näher rückt, wird es auch da starken Gegenwind geben.

    Landwirtschaft ist aber nicht der allein schuldige. ZB wurden Hecken im Zuge der Flurbereinigungen durch Verwaltungsvorschriften entfernt. Sie jetzt wieder einführen, geht halt zu Lasten der Fläche. Hier ein paar Prozent, da ein paar Prozent Verlust können dann schon was ausmachen.

    PS Laut BBC reichen die Hecken in GB aneinandergereiht 10x um die Erde.

  • Die Landwirtschaftspolitik in der EU und auch in Deutschland läuft seit Jahren in die falsche Richtung. Grosse und meist wenig umweltfreundliche Betriebe werden gefördert, während kleine und mittelgrosse Betriebe auf der Strecke bleiben. Für diese sind die Auflagen nur schwer zu erfüllen, ohne dass es ans Lebendige geht. Dass sich diese jetzt zur Wehr setzen, ist nachvollziehbar, leider leitet mal wieder einmal mehr die Umwelt.



    Die EU ist einfach unfähig hier eine Lösung zu finden, bei der sowohl die Landwirtschaft als auch die Umwelt profitieren könnten. Zu viele Sesselpupser und zu wenig Praktiker...

  • Erstaunlich, wie unterschiedlich die Politik reagieren kann.

    Wird bei den sog. "Klimaklebern" mit massiver Repression und Kriminalisierung reagiert, kläffen die einschlägigen Medien auch noch was von Klimaterroristen (hallo?) -- wenn ein paar Leute (auch noch für die falschen Ziele) mit Treckern auf die Strasse gehen, dann knicken sie ein, bevor es überhaupt richtig losgeht.

    Dabei haben Bäuerinnen und Bauern durchaus berechtigte Sorgen -- die liegen aber eher im Preisdruck, in der falschen Verteilung der Subventionen, etc. etc.

    Das wissen wir schon längst.

    Tipp an die deutschen Bauern: wenn Ihr was gegen Höfesterben habt (ich, als Nichtbauer habe das!), dann ist der Bauernverband nicht Euer Freund. Die, die dort das sagen haben sind Grossbauern. Die profitieren vom Höfesterben.

    So ähnlich dürfte es in den anderen Ländern aussehen.

    Also: liebe Bäuerinnen, liebe Bauern: Ihr seid wütend, zu Recht. Setzt Eure Wut dort an, wo sie hingehört.

    • @tomás zerolo:

      Sehr exakt die richtige Einschätzung. Danke. Hinzu kommt, dass die EU Politik und auch die der nationalen Regierungen stramm von der Lobby der Konzerne (Agrar, Chemie und Maschinenbau) kontrolliert wird. Die LG hat solch eine Lobby nicht. All das führt zu immer mehr Politikverdrossenheit, gar Wut der Menschen und - zur Bereitschaft auf Rattenfänger von Rechts hereinzufallen.