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Schutz des BundesverfassungsgerichtsResilienz für Karlsruhe

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Ja, ein besserer Schutz des höchsten Gerichts tut not. Aber nicht wegen der derzeitigen Diskussion über die AfD.

Roben der Rich­te­r:in­nen am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Foto: Fabian von Poser/imagebroker/imago

W ohl noch in diesem Jahr werden Bundestag und Bundesrat Regelungen beschließen, die das Bundesverfassungsgericht schützen sollen. Es soll als Kontrollorgan nicht einfach ausgeschaltet oder lahmgelegt werden können. Vermutlich wird es Grundgesetzänderungen geben. Die Bemühungen sind zu begrüßen.

Es ist allerdings ein Missverständnis, diese Diskussion allzu sehr mit der AfD zu verknüpfen. Der Schutz des Bundesverfassungsgerichts ist nicht Teil eines Anti-AfD-Pakets, gemeinsam mit Parteiverbot und Grundrechtsverwirkung für Björn Höcke. Die Diskussion ist vielmehr älter. Sie entstand, als in Ungarn und Polen Regierungen die Macht übernahmen, die das jeweilige Verfassungsgericht als Kontrollorgan ausgeschaltet haben. Seitdem stellt sich die Frage, ob der Schutz gegen solche Entwicklungen in Deutschland besser wäre. Er ist es nicht.

Wie das Bundesverfassungsgericht als Kontrollorgan besser geschützt werden kann, muss allerdings gut überlegt werden. Denn manche gut gemeinte Regel kann auch nach hinten losgehen und die Arbeit des Gerichts behindern.

So werden derzeit die Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag oder Bundesrat gewählt, was eine pluralistische Besetzung des Verfassungsgerichts sichert. Das Zweidrittelerfordernis ist aber nur in einem einfachen Gesetz geregelt. Es gibt nun den Vorschlag, dies künftig im Grundgesetz zu verankern, sodass zum Beispiel die AfD – falls sie im Bundestag eine Mehrheit hätte – diese Regel nicht einfach ändern könnte.

Das Zweidrittelerfordernis führt aber auch dazu, dass die AfD die Neubesetzung von Richterstellen blockieren kann, sobald sie im Bundestag mehr als ein Drittel der Mandate innehat. Wichtig ist daher auch ein Mechanismus, mit dem solche Blockaden im Notfall aufgelöst werden können, etwa indem ein Gremium aus den Rich­te­r:in­nen der anderen Bundesgerichte gebildet wird, das im Falle einer langen Blockade im Bundestag oder im Bundesrat neue Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen wählen kann.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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10 Kommentare

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  • Den größten Schaden hat das BVG durch die Ernennung des Abgeordneten und Wirtschaftsanwalt Stephan Harbarth erlitten. Sein Abgeordnetensessel war noch nicht kalt, da saß er schon in Karlsruhe um über die Dinge zu entscheiden an denen er als MdB und Wirtschaftslobbyist gearbeitet hat.Es sollte Karenzzeiten geben für neue Verfassungsrichter.

    • @Arion Rufus:

      Liggers. Die Berliner VerkehrsBetriebe;)



      Interessieren mich eher weniger! Woll.

      Die Unpersonalie Stephan Herbarth - anschließe mich! Gell.

      “& Däh - (Lovando =>)

      “…Herbert Wehner oder Horst Ehmke (?) “…man lasse sich seine Politik nicht durch die „acht Arschlöcher in Karlsruhe“ kaputtmachen.



      Ceterum Censeo: Dementsprechend zur demokratischen Stärkung Karlsruher Entscheidungen: Verfassungsrechtlich abgesicherte Hearings der vorgeschlagenen KandidatInnen in Bundestag und Bundesrat • “



      taz.de/Schutz-vor-...ngriffen/!5985721/

  • Interessant an der ganzen Diskussion finde ich, daß sowohl die Ampel-Parteien als auch die CDU nicht mehr ausschließen, daß die AfD bei einer demokratischen Wahl eine absolute Mehrheit gewinnen könnte.

    Jetzt versuchen diese Parteien, ihre bisherige Macht über die Zusammensetzung des Bundesverfassungsgerichtes dauerhaft abzusichern, ohne auf so etwas lästiges wie Wahlen Rücksicht nehmen zu müssen.

    In ihrer Machtversessenheit vergessen sie sogar die einfachsten Grundregeln der Mathematik.



    Denn wenn die Pläne so wie öffentlich geäußert umgesetzt werden, würde die AfD gar nicht mehr die absolute Mehrheit für einen Einfluß auf das Bundesverfassungsgericht benötigen.



    Dann könnte sie es schon mit einem Drittel der Bundestagssitze dauerhaft blockieren.

  • Das mit der Zweidrittel-Mehrheit kann auch nach hinten losgehen. Sollten extreme Parteien wie die AfD, BSW und wer weiß was sonst noch kommt wie DAVA über ein Drittel Bundestagssitze erreichen, dann können sie jede Grundgesetzänderung blockieren.

  • Die Demokratie ist ein empfindliches Kind

    Wir könnten mal damit beginnen, dass wir Bürger den Bundespräsidenten selbst wählen, statt der Bundestag und Delegierte von Bundesländern.

    Kommt es bei der Besetzung des BVG zu keiner 2/3 Einigung im Bundestag, sollte der Bundespräsident eine Volksabstimmung veranlassen dürfen, bei der dann die einfache Mehrheit des Volkes reicht.

    Und sollte mal eine radikale Partei mehr als 50% erlangen , ist Deutschland eh verloren, dann wollte des die Mehrheit der Deutschen leider so.

  • die afd ist der Grund für die aktuellen Befürchtungen einer Zweckentfremdung des BVG`s. Wieso kann man das nicht einfach benennen ? Gäbe es die afd nicht, wäre das alles ein theoretische Diskussion, im Prinzip richtig, aber eigentlich nicht nötig.



    Wieso legt der Autor so viel Wert darauf, den Grund nicht bei der afd zu sehen?

    • @nutzer:

      Letzteres. Sorry. Macht Christian Rath doch gar nicht.

      “ Es ist allerdings ein Missverständnis, diese Diskussion allzu sehr mit der AfD zu verknüpfen. Der Schutz des Bundesverfassungsgerichts ist nicht Teil eines Anti-AfD-Pakets, gemeinsam mit Parteiverbot und Grundrechtsverwirkung für Björn Höcke. Die Diskussion ist vielmehr älter. Sie entstand, als in Ungarn und Polen Regierungen die Macht übernahmen, die das jeweilige Verfassungsgericht als Kontrollorgan ausgeschaltet haben. Seitdem stellt sich die Frage, ob der Schutz gegen solche Entwicklungen in Deutschland besser wäre. Er ist es nicht.“

      Stellt historisch lediglich zu recht klar - die Diskussion ist schon was älter.



      Get it. Fein - always at your servíce

      • @Lowandorder:

        wie wäre es damit, der Grund für den dt Atomausstieg war nicht Fukushima, die Diskussion fing schob viel früher an, in Gorleben, in Brokdorf....



        Was ist Ursache? Ohne Fukushima wäre es eine linke Diskussion geblieben, ohne affde eine staatsrechtliche theoretische Überlegung, die erst in Jahren mehrheitsfähig geworden wäre..

        • @nutzer:

          Gewiß Gewiß - sei sünn n bannig fixen Dutt bi de Klütenpann in kunn Kattenshiit in Düstern rüüken! But



          “Wieso legt der Autor so viel Wert darauf, den Grund nicht bei der afd zu sehen?“ - Liggers - das lassen der Autor und ich ganz ehna!



          Get it? Fein



          always at your servíce

  • Man kann nur noch staunen, wie seltendämlich die Alt-Parteien gegenüber der AfD agieren. Gerade diese Verknüpfung '2/3 wegen der AfD' wird ihnen juristisch noch mächtig auf die Füße fallen. Wenn am Ende das Ganze vor dem EUGH landet. Dieser wird auch fragen: Warum kommt das jetzt erst? Zum Zeitpunkt wo die AfD so stark ist? Und wie groß ist eigentlich der Einfluss der Alt-Parteien auf das BVferG? Stichwort: Vorschlagsrecht der Richter und Drehtür-Besetzung wie z.B. Harbarth. Ich prognostiziere: Das Ganze wird noch zum Bumerang für die Alt-Parteien.