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Nazi-Netzwerk um Peter KurthDer Konservative in der Braunzone

Immer mehr Details zu rechten Kontakten des Berliner Ex-CDU-Senators Kurth kommen ans Licht. Er unterstützte schon 2019 die Identitäre Bewegung.

Als die konservative Welt noch in Ordnung war: Peter Kurth 2005 als Nachwuchshoffnung in der CDU-Zentrale Foto: Mike Schmidt

BERLIN taz | Peter Kurths ehemalige CDU-Parteifreunde hätten es wohl schon länger ahnen können – allein wenn sie auf seine Freundesliste auf Facebook geklickt hätten. Denn dort findet sich eine breite Auswahl an AfD-Politikern und Rechtsextremen, mit denen der eigentlich bis vor Kurzem als liberal geltende und offen schwul lebende Ex-CDU-Finanzsenator befreundet ist: AfD-Chef Tino Chrupalla ist dabei, ebenso der Schatzmeister aus dem Vorstand der extrem rechten Partei, Carsten Hütter, sowie der ehemalige AfD-Sprecher Christian Lüth, der fristlos entlassen wurde, nachdem dessen menschenverachtende Äußerungen über die „Vergasung“ von Migranten bekannt geworden waren.

Kurth war bis zum letzten Herbst CDU-Mitglied

Doch Kurth ist nicht nur befreundet mit Rechtsextremen, er hat die rechte Szene auch finanziell unterstützt: Am Donnerstag enthüllte die antifaschistische Recherche-Plattform Exif zusammen mit dem ARD-Magazin „Monitor“, dass der Politiker bereits 2019 noch als CDU-Mitglied einem Tarnverein der Identitären Bewegung 120.000 Euro überwies. Diese habe Steve H., ein Aktivist der Identitären Bewegung, anschließend für einen Hauskauf verwendet, wie aus Kontoauszügen hervorgeht.

Das damit finanzierte „patriotische Hausprojekt“ im österreichischen Steyregg, einem Vorort von Linz, dient mittlerweile unter dem Namen „Castell Aurora“ als Treffpunkt für den internationalen Rechtsextremismus – auch AfD-Mandatsträger waren bereits zu Gast. Gerade am Mittwoch sprach der neofaschistische Vordenker Götz Kubitschek dort. Bereits Mitte Januar war bekannt geworden, dass Kurth auch in ein Identitären-Projekt in Chemnitz investiert haben soll.

Kubitschek war auch im Juli 2023 bei einer Party von Peter Kurth in dessen Privatwohnung zu Gast, über die zuerst der Spiegel berichtete und auf deren Gästeliste kaum ein prominenter Neonazi fehlen durfte: Der Posterboy der Identitären, Martin Sellner, spätestens seit den Correctiv-Recherchen bekannt für seine massenhaften Vertreibungspläne auch gegenüber Deutschen mit Migrationshintergrund, war dort – ebenso der extrem rechte AfD-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Maximilian Krah, der an dem Abend sein Buch „Politik von rechts“ vorstellte. Auch Höckes parlamentarischer Geschäftsführer, Torben Braga, und die Berliner AfD-Chefin Kristin Brinker waren dabei.

Alter Herr der rechtsextremen Burschenschaft Gothia

Interessant ist auch die Anwesenheit von Mathilda Martina Huss, der das „Gästehaus am Lehnitzsee“ in Potsdam gehört, in der der Identitäre Sellner im November um Unterstützung für seine Deportations­fantasien warb. Auch dort waren CDU-Mitglieder vor Ort.

Kurth war bis zum letzten Herbst CDU-Mitglied und ist aber offenkundig schon länger bestens in der rechtsextremen Szene vernetzt. Eine Scharnierfunktion kommt dabei offenbar der extrem rechten Berliner Burschenschaft Gothia zu. Dort ist Kurth erster Vorsitzender der „Alten Herren“.

Bei Burschenschaftsabenden traten in Vergangenheit sowohl hochrangige Politiker von CDU und SPD auf als auch Neonazis. Der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen sprach bei Gothia ebenso wie Egon Bahr und Rechtsextreme wie der Holocaust-Leugner Horst Mahler, der Geschäftsführer des Institut für Staatspolitik, Erik Lehnert, aber auch AfD-Politiker wie Hans-Thomas Tillschneider. Im Garten des Verbindungshauses in Berlin-Zehlendorf grillten schon 2017 Identitäre zusammen mit dem AfD-Nachwuchs aus der „Jungen Alternative“.

Nach dem Bekanntwerden seiner rechtsextremem Umtriebe wurde Kurth als Chef des Entsorgungswirtschaftsverbands BDE entlassen. Ebenso dis­tanzierte sich die CDU von ihm, es sei „erschreckend und traurig zugleich“, welchen Pfad Kurth eingeschlagen habe, schrieb Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner nach dem Bekanntwerden auf X (vormals Twitter): „Wer mit Neonazis, Rechtsextremisten und anderen Menschenfeinden paktiert, hat in der CDU nichts zu suchen.“ Kurth räumte das Treffen im Juli sowie die Freundschaft zu Rechtsextremen ein, äußerte sich aber bislang nicht zur finanziellen Unterstützung der Identitären Bewegung.

Die liberale Nachwuchshoffnung der CDU

Kurth war unter Diepgen zunächst Staatssekretär für Finanzen, von 1999 bis 2001 auch Finanzsenator. Danach wechselte er in die Wirtschaft, 2009 scheiterte er mit einer Kandidatur als Kölner Oberbürgermeister. In den 1990ern galt er noch als liberale Nachwuchshoffnung innerhalb der CDU. Das gilt auch für seine Weggefährtin, die ehemalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die nach Bekanntwerden von Kurths rechtem Freundeskreis „erschüttert“ gewesen sei – allerdings habe es seit 2015 Differenzen wegen Merkels Flüchtlingspolitik gegeben, so Grütters zum Spiegel.

Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie, der sich schon lange mit den radikalen Randzonen im deutschen Konservatismus beschäftigt, sagte der taz zu den bekannt gewordenen Verbindungen: „Solche Treffen sind ein Warnsignal für die Gesellschaft, aber vor allem auch die CDU.“ Das Treffen bei Kurth und auch die Potsdamer Runde des rechtsextremen Zahnarztes Mörig im Beisein von CDU-Mitgliedern zeigten zwar keine generelle Nähe zwischen AfD und CDU, aber sehr wohl, dass die Brandmauer an vielen Stellen löchrig sei, so Leggewie.

Hier gebe es auch eine inhaltliche Grauzone, die sich zuletzt auch in Bayern oder Thüringen gezeigt habe. In Bayern haben CSUler Verfassungsrichter der AfD mitgewählt. In Thüringen verhalf die CDU der AfD bei Übereinstimmungen zu Haushalt und Windkraft zu einer parlamentarischen Mehrheit. „Die CDU ist der wichtigste Baustein in Verhinderung des weiteren Aufstiegs der AfD“, sagt Leggewie; wenn die Union sich nicht klar abgrenze, komme etwas ins Kippen – „überall in Europa kann man sehen, was konservativen Parteien dann blüht – sie werden von Ultrarechts kannibalisiert und aufgesaugt.“

Faschismus kommt nur mit Konservativen an die Macht

Ruprecht Polenz, ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter und zeitweise Generalsekretär, ist im politischen Ruhestand so etwas wie ein Dauerkämpfer in den sozialen Medien gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck und für die Abgrenzung seiner Partei gegen rechts. Täglich postet der 77-Jährige für wehrhafte Demokratie, die offene Gesellschaft und gegen die extreme Rechte. Auch er demonstrierte zuletzt nach den Correctiv-Enthüllungen zum Potsdamer Treffen, bei denen Neonazis, Unternehmer, AfD-Politiker und CDU-Mitglieder über millionenfache Vertreibungspläne auch von Deutschen mit Migrationshintergrund diskutierten.

Polenz sagte der taz mit Blick auf die jüngsten Enthüllungen um den ehemaligen Berliner Finanzsenator Peter Kurth: „Ich bin total schockiert. Ich kenne Kurth lange persönlich, hin und wieder bin ich auf Facebook mit ihm aneinander geraten – aber dass er sich mit der Creme de la Creme des Rechtsextremismus trifft, hätte ich nie erwartet.“ Er sehe die Gründe dafür in allererster Linie in der persönlichen Entwicklung von Kurth. Die ganze CDU sei darüber genauso entsetzt wie Polenz.

Ein viel größeres Risiko für die Union habe er immer in der Werteunion um Hans-Georg Maaßen gesehen, der letzte Woche mit seiner Parteigründung nun die politische Isolation der extrem rechten AfD beenden will. „Historisch gesehen zeigt sich, dass die Faschisten immer nur mit Hilfe der Konservativen an die Macht gekommen sind“, sagt Polenz.

Dabei seien alle Parteien in der Verantwortung – auch die CDU müsse auf klare Abgrenzung achten. In diesem Punkt mache er auch noch eine Schwäche im Grundsatzprogramm der Union aus. Das benenne als drei Wurzeln der Union das Liberale, das Christlich-Soziale und das Konservative. Die Union müsse sich allerdings noch stärker positionieren, wo genau die Abgrenzung zwischen konservativ und dem verlaufe, was man nicht mehr akzeptieren wolle, sagt Polenz. Da fehlten eigentlich noch ein, zwei Sätze im Grundsatzprogramm.

Bis die ergänzt sind, kann man ja zumindest mal die Face­book-Freundesliste der Parteifreunde checken.

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