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Söder, Protest und keine ParanoiaAm Ende ein Machermann

AfD verbieten wäre gut – aber können wir nicht damit beginnen, dem Studienschrat Höcke die Lehrbefugnis in Geschichte zu entziehen?

Boris Pistorius hier schon mal im Kanzleramt, bei den Deutsch-Brasilianischen Regierungskonsultationen im Dezember 23 Foto: Chris Emil Janssen/imago

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich: Küppersbusch: Bahnverbindung zwischen Dortmund und Köln.

Und was wird besser in dieser?

Bleibt so, aber ich werde total überrascht gucken.

Während AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker im Berliner Abgeordnetenhaus sprach, verließen die Abgeordneten von SPD, CDU, Grünen und Linkspartei gemeinsam den Saal. Bei welchem anderen Thema würden Sie sich so viel Einigkeit der demokratischen Parteien wünschen?

Brinker und ihr Gatte hatten solide Funktionärskarrieren beim „Bund der Steuerzahler“, bevor sie die Berliner AfD mitgründeten. Vielleicht deckt Mario Barth mal auf, was für rechtsoffene Nörgelpriester wir sonst noch so mit Steuern durchfüttern. Holznagel, sei wachsam. Die Berliner Parlamentarier sind, so erzählen sie, spontan und im Gong-Show-Style der Rede Brinkers entflohen. Das will der geschichtsleere Geschichtslehrer Höcke neuerdings kontern, indem er nicht mehr von „Alt“-, sondern von „Kartellparteien“ spricht. Das allerdings war um 1890 ein Bündnis rechtsreaktionärer Parteien, die unbedingt Bismarck an der Macht halten wollten. Wenn das mit der Grundrechtsaberkennung bei Höcke schwierig wird, wäre es ein hübscher Anlass, wenigstens mal zu prüfen, ob man dem Studienschrat die Lehrbefugnis in Geschichte entziehen könnte. Wie das Höckepack gern plakatiert: „Hände weg von unseren Kindern!“

In Deutschland gehen Tausende auf die Straße gegen rechts. Geht da was?

In Köln lappen gerade Karneval und Demo farbenfroh ineinander; Dortmund bringt nach Polizeiangaben 30.000 Leute auf die Beine, obwohl zeitgleich der BVB spielt. Da ist viel gutbürgerlicher Querschnitt dabei, und auf die Dauer wird es sich auszahlen, vom „gegen“ – rechts, AfD, Vertreibung – auf ein gemeinsames „für“ zu orientieren: für Gemeinwohl, Zusammenhalt, „leben und leben lassen“. Denn das wird ein Marathonlauf. Schon die nächsten Umfragewerte für die AfD können Mutlosigkeit und Verzagen füttern, und dann wird es drauf ankommen, für ein gemeinsames positives Ziel weiter ein- und aufzustehen.

Die SZ fragt zum einjährigen Ministerjubiläum: Wäre Boris Pistorius der bessere Kanzler? Wie sehen Sie das?

Ohne Paranoia: Entweder werden die SPD-Leute niedergeschrieben. Pistorius’ Vorgängerin trug einiges dazu bei, o. k. Oder SPD-Leute sind so toll, dass man mit ihnen andere SPD-Leute dissen kann. Etwa mit Pistorius den öden Scholz demolieren. Klar ist das die Logik kritischer Medien, doch man kann sich auch mal fragen, wessen nützlicher Idiot man mit dieser Sichtweise wird. Die Ampel hat einen beliebten Minister – allerhand, guck mal an. Fertig. Später schauen wir mal drauf, warum unter dem Jubel der Menschenrechtsbellizisten reichlich Frauen zerlegt wurden und am Ende ein Machermann das neue Idol sein sollte.

Bayerns Ministerpräsident Söder will bei den Öffentlich-Rechtlichen sparen. Worauf könnten Sie verzichten?

Beim BR war Jungredakteur Söder, so erzählte mir ein früherer Kollege von ihm, dafür bekannt, sich erkältet vom Dienst abzumelden, um tags drauf als neuer Funktionär der JU Bayern in den Nachrichten aufzuscheinen. So ist uns mit einem BR-Hierarchen Söder also schon einiges erspart geblieben. Seine Vorschläge, mit Bremen und Saar kleine Sender in SPD-geführten Ländern abzuwickeln, bringen wenig, weil die eh schon wesentlich von den großen Brüdern SWR und NDR mitversorgt werden. Als TV-Profi weiß er auch, dass seine Einschaltquote bei „Maischberger“ oder „Lanz“ völlig davon abhängt, ob vorher eine Unterhaltungssendung oder ein Krimi kräftig vorgelegt haben. Tags nach Söder schlug der „Zukunftsrat“ vor, die ARD auf die zentralistische Führungsstruktur des ZDF umzubauen. Das knallt natürlich – außer in Fachkreisen – draußen im Bierzelt ungefähr null; da ist Söder eindeutig der überlegene Show-Hase.

Die Initiative „Strike Germany“ ruft wegen der Israelpolitik dazu auf, deutsche Kulturinstitutionen zu boykottieren. Gut so?

Das ist nun eine ziemlich lange und wirre Abfolge von Reaktionen und Gegenreaktionen, die am fernsten Horizont den Terror der Hamas gegen Israel verschwinden lassen. Und wenig sagen über das Recht der Palästinenser auf einen eigenen, freien Staat. Stattdessen ein Austausch von Befindlichkeiten und sehr, sehr wichtige Künstlermeinungen. Israel und Palästina bluten, und irgendwo in einem Atelier hat jemand die richtigere Meinung. Gratuliere.

Und was machen die Borussen?

Räumen auswärts Köln 4: 0 ab, sodass daheim entspannt demonstriert werden kann. Welcher Irre auch immer die Demo zu diesem Zeitpunkt angesetzt hat.

Fragen: Clara Löffler

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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9 Kommentare

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  • "...auf ein gemeinsames „für“ zu orientieren: für Gemeinwohl, Zusammenhalt, „leben und leben lassen“

    Warum muss der Konsens denn gleich wieder so links klingen? Wer den Wählern der Ganz-Rechten etwas attraktiveres vorsetzen will, das zwangsläufig gleich in rot daherkommt, der wird das nur schaffen, indem er ihm weiter einen bräunlichen Schimmer lässt - so wie Wagenknecht (und nein, ich meine nicht ihre Lieblings-Kleiderfarbe und ihren Teint). Das "Für" müsste schon auch für Leute konsensfähig sein, die NICHT links ticken ("Toleranz, Chancengleichheit, FREIHEIT, Rechtschaffenheit z. B.)

    • @Normalo:

      Wo klingt das links? Man muss den Neoliberalismus schon tief verinnerlicht haben um den Begriff Gemeinwohl als links zu bezeichnen. „Leben und leben lassen“ meint Toleranz.

    • @Normalo:

      Leben und leben lassen klingt zu links und Toleranz meint was ganz anderes und holt die Rechten ab? Chancengleichheit ist für mich auch auch linker als beispielsweise Zusammenhalt, der wurde ja auch schon in der nicht mehr gern gesungenen ersten Strophe unserer einstigen Hymne beschworen

      • @Paul Anther:

        "Leben und leben lassen" hätte ich auch stehen lassen können. Da haben Sie Recht.

        Der Zusammenhalt, den die erste Strophe des Deutschlandliedes besingt, ist dagegen ein völkischer, von dem ich hoffe, dass die meisten Deutschen ihn nicht (mehr) mit dem Wort assoziieren. Stattdessen dürften die meisten es sozialer verstehen, was dann aber wieder ins linke, kollektivistische geht.



        Bei der Chancengleichheit gibt es links und rechts sehr unterschiedliche Ideen, wie die aussehen sollte. Das muss man einfach hinnehmen. Konsensfähig - und nach ganz rechts deutlich abgrenzend - dürfte aber sein, dass man auf die jeweilige Vorstellung davon HINarbeitet und nicht etwa bestimmte Menschen für unwert erklärt, gleiche Chancen wie andere zu erhalten. Das macht den Begriff aus meiner Sicht weniger dezidiert egalitär als "Gemeinwohl".

    • @Normalo:

      Ähem...hoffe doch, dass `Gemeinwohl, Zusammenhalt und "leben und leben lassen" keine 'linken werte' sind, sondern allgemein menschliche und die Mehrheit nicht vergraulen...?

      • @imani drews:

        Grundsätzlich richtig - auf die Nuancen kommt es an. "Gemeinwohl" und "Zusammenhalt" kommen da als Begriffe eher aus der kollektivistischen Denkschule, die das gemeinschaftliche Fortkommen in den Vordergrund stellt und weniger Wert auf individuelle Entfaltung legt, als das in einer liberalen oder konservativen Denke der Fall ist. Sie sind daher ein klassisch sozialistisches Idealpärchen, das ein nicht-linker Zuhörer vielleicht nicht falsch findet, das ihn aber nicht "abholt".

        "Leben und leben lassen" hätte ich auch so stehen lassen können, gebe ich zu. Da habe ich die Toleranz nur der Vollständigkeit halber gegenüber gestellt.

  • "Wenn das mit der Grundrechtsaberkennung bei Höcke schwierig wird, wäre es ein hübscher Anlass, wenigstens mal zu prüfen, ob man dem Studienschrat die Lehrbefugnis in Geschichte entziehen könnte."

    Nein, kann man nicht, denn dafür gibt es zur Zeit keinerlei rechtliche Grundlage, und Höcke wird einen Teufel tun, eine solche zu schaffen.

    Nächste Frage.

    • @Ajuga:

      Na ja, die geschichtlichen Äußerungen in Höckes Werken und Aussagen* sind aufgrund seiner wirren Bewertungen und Einordnungen eher dazu angetan mit null von fünfzehn Punkten bewertet zu werden.

      *) H. hat gerade die Demonstranten vom Wochenende vorgeworfen, sie wären die, die auch 1933 die Fackelzüge und Bücherverbrennungen veranstaltet hätten.

      • @Axel Schäfer:

        ad *): Man nennt das eine "paradoxe Intervention". Im Gegensatz zu anderen verqueren Ideen über den Lauf der Geschichte, die Höcke zuweilen äußert (wie auch das von Küppersbusch aufgeführte Beispiel) ist es gerade KEIN Nachweis fachlicher Ungeeignetheit für den Beruf des Geschichtslehrers, sondern eher eines vorhandenen Studiums der Methoden der Demagogie.