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Schäden durch HochwasserNeue Debatte um Schuldenbremse

In den Hochwassergebieten steigen die Pegel weiter. SPD-Politiker*innen fordern, die Schuldenbremse wegen der Kosten für die Katastrophe auszusetzen.

Hochwasser in Lilienthal in Niedersachsen: Die Pegel könnten noch weiter steigen Foto: Sina Schuldt/dpa

Berlin dpa | In vielen Teilen Deutschlands herrscht weiter Hochwasser – und in den kommenden Tagen könnten die Pegelstände wieder steigen. Schon der Dienstag brachte weiteren Regen für Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, am Mittwoch könnte es nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes noch mehr regnen. Auch am Dienstagabend zeigten noch viele Pegel die höchste der drei Hochwassermeldestufen an.

Angesichts der akuten Hochwasserlage haben SPD-Haushaltspolitiker ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse ins Gespräch gebracht. „Das Hochwasser richtet gerade in Niedersachsen immense Schäden an“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz dem Spiegel. „Für diese Kosten könnten wir die Schuldenbremse aussetzen.“ Dies sei auch nach dem jüngsten Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts möglich. „Schließlich handelt es sich um eine unvorhersehbare Naturkatastrophe. Dafür lässt das Urteil Spielräume“, sagte Schwarz.

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dennis Rohde, sagte dem Magazin Stern: „Noch ist das gesamte Ausmaß der Flutschäden nicht absehbar, aber für genau solche Fälle haben wir die Möglichkeit, die Schuldenbremse auszusetzen, im Grundgesetz stehen.“ Daran habe auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts geändert. „Ob wir diese finanzielle Dimension erreichen, werden wir jetzt genau prüfen.“

Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Sie kann laut Grundgesetz aber im Fall von Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notlagen ausgesetzt werden, wenn die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt wird. Derzeit prüft die Bundesregierung, ob die Fluthilfen nach der Hochwasserkatastrophe 2021 im Ahrtal ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse in diesem Jahr rechtfertigen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Sonntag das aktuelle Hochwassergebiet im Norden Niedersachsens besucht. Er versicherte, der Bund stehe den betroffenen Ländern und Kommunen bei der Bewältigung „mit seinen Möglichkeiten“ zur Seite. Konkrete Zusagen für Finanzhilfen machte Scholz nicht.

Als Konsequenz aus dem Hochwasser fordern Experten ein Umdenken beim Schutz vor Überschwemmungen. „Im Zuge des Klimawandels, wo sich die Hochwasser-Prozesse ändern werden, werden wir sicher andere Arten von Hochwässer in Zukunft sehen“, sagte Ralf Merz, Hydrologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle (Saale), am Mittwochmorgen im Deutschlandfunk. „Solche langen Hochwasser-Ereignisse wird es auch in Zukunft sicher öfter geben.“

Seit Tagen sind in mehreren Bundesländern Tausende Helfer im Einsatz. Betroffen sind vor allem Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Viele Schäden könnten vermieden werden, sagte der Hydrologe. Merz zufolge sollte darüber nachgedacht werden, ob der aktuelle Hochwasserschutz so noch funktioniere. „Denn vielleicht ist jetzt das, was wir aus der Vergangenheit gelernt haben, nicht immer eine gute Maßnahme für die Zukunft.“

Der Experte verwies zum Beispiel darauf, dass es nun viel weniger Flussauen gebe – also natürliche Überschwemmungsgebiete. Zugleich gab der Experte zu bedenken: „Einen hundertprozentigen Hochwasserschutz werden wir natürlich nie haben. Das ist finanziell und technisch nicht machbar und von der Landschaft nicht umrüstbar.“

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5 Kommentare

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  • Bevor darüber nachgedacht wird sollte man die Schadenssumme wissen, die an den Betroffenen, nach Versicherungszahlungen, hängen bleibt.



    Dass die Ampel auch mal im eigenen Haus sparen könnte, wird nicht in Erwägung gezogen, hat man sich doch nach der Bundestsgswahl mal schnell über 10000 neue Stellen gegönnt.

  • Soll jetzt ein Hochwasser wieder zum Retter der SPD werden ??



    Das Oder Hochwasser hat Schröder die Wahl gewonnen, das Ahrtal Hochwasser hat Scholz die Wahl gewonnen, und nun soll dieses Hochwasser, mit Schulden Aufnahme durch die Hintertür, die Miserable Arbeit der Regierung retten.

  • Ja, angesichts dieser Überschwemmungen wäre es gerechtfertigt, die Schuldenbremse auszusetzen. Die große Frage bliebe dann aber, wie man es angesichts der desolaten Politik der Ampel erreichen will, daß die Gelder wirklich dorthin fließen, wo sie dringend benötigt werden und nicht - wie schon bei Corona - in sinnfreie Aktionen und in die Taschen diverser Glücksritter.

  • Die höhe der Schäden steht noch nicht einmal fest und schon wird nach einem Aussetzen der Schuldenbremse auf Bundesebene gerufen - amüsant. Wie wäre es mit dem Erdbeben in Japan? Ups, ja, ist ein anderer Kontinent und nicht in Deutschland. Das Ahrtalunglück 2021? Hmhm, von der finanziellen Größenordnung her nicht gerechtfertigt und liegt in der Vergangenheit. Aber versuchen kann man es ja. Ich würde dann aber eher zur Hamburg-Sturmflut tendieren. Wann war die nochmal? 1962. Egal. Auf jeden Fall war die teuer und die Schuldenstand wäre heute niedriger wenn es die Sturmflut nicht gegeben hätte. Klingt doch plausibel.

  • "Schließlich handelt es sich um eine unvorhersehbare Naturkatastrophe."

    oh vorhersehbar sind die schon in Zeiten des Klimawandels....