piwik no script img

Deutsche Wohnen enteignenSenat verschleppt Enteignung

Der Entwurf für das Vergesellschaftungsrahmengesetz ist nicht vor Ende 2024 fertig. Linkspartei: Schäbiger Umgang mit demokratischen Ergebnissen.

Als Geister verkleidete Mitglieder der Ini „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ vor dem Roten Rathaus Foto: dpa

Berlin taz | Von einer Umsetzung des Enteignungs-Volksentscheids war beim schwarz-roten Senat noch die Rede. Stattdessen will man ein Vergesellschaftungsrahmengesetz erarbeiten, um, so das formulierte Ziel, „qualitative Indikatoren und Kriterien für Vergesellschaftungen festzulegen und Grundsätze für Entschädigungen zu definieren“. Ursprünglich sollte das von Kri­ti­ke­r:in­nen für überflüssig erachtete Gesetz im kommenden Sommer fertig sein, so hatte es Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) im August angekündigt.

Von diesem Anspruch hat sich die Koalition inzwischen verabschiedet. Das zeigt die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Linken-Abgeordneten Niklas Schenker und Elif Eralp, die der taz exklusiv vorliegt. Der Zeitplan sehe vor, „im kommenden Jahr die Klärung grundlegender Aspekte abzuschließen und alle nötigen Vorbereitungen für die Erarbeitung eines Gesetzentwurfs zu treffen“, heißt es. Mit einem ersten Referentenentwurf für das Gesetz sei „Ende 2024 oder zu Beginn des Folgejahres zu rechnen“, so die Senatsverwaltung.

Schenker und Eralp kritisieren das. „Mit seinem Rahmengesetz verschleppt der Senat die Umsetzung des Volksentscheids und kann seinen eigenen, wenig ambitionierten Zeitplan nicht einhalten.“ Das Rahmengesetz bleibe eine „Zeitverschwendung“ und stehe für einen „schäbigen Umgang mit demokratischen Ergebnissen, die dem Senat nicht passen“, so die Abgeordneten.

Auf dem bislang einzigen Arbeitstreffen für das Gesetz, an dem fünf Senatsabteilungen beteiligt sind, war beschlossen worden, ein weiteres externes Rechtsgutachten zu angeblich ungeklärten verfassungsrechtlichen Fragen einzuholen. Dabei war im Frühjahr eine vom Vorgängersenat eingesetzte Expertenkommission zu dem Ergebnis gekommen, dass einer Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne nach Artikel 15 Grundgesetz nichts im Wege steht. Ein Auftrag für das neuerliche Gutachten ist bislang nicht vergeben worden und werde „entsprechend der Vergaberichtlinien des Landes Berlins vorgenommen“.

Prüfauftrag noch in Abstimmung

Wie genau der Prüfauftrag lauten wird, sei derzeit noch „Gegenstand ressortübergreifender Abstimmung“. Festzustehen scheint dagegen, dass man die Mitglieder der Expertenkommission nicht konsultieren möchte. Dafür gebe es „keine konkreten Pläne“. Für Schenker und Eralp ist das eine „Missachtung“, zurückzuführen darauf, „dass dem Senat die Positionen der Kommission nicht gefallen“.

Bei der Anhörung zum Abschlussbericht im Stadtentwicklungssausschuss im August hatte Kommissionsmitglied Florian Rödl gesagt: „Mir leuchtet das Vorhaben einfach nicht ein.“ Es bringe nichts, allgemeine Grundsätze in ein Gesetz zu schreiben, das zudem nicht bindend für ein folgendes Umsetzungsgesetz sei.

Das allerdings ist derzeit nicht in Planung. Laut Senat könnte ein Umsetzungsgesetz „frühestens erarbeitet werden, wenn Grundzüge einer Rahmengesetzgebung feststehen.“

Derweil plant die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen die Erarbeitung eines eigenen Gesetzes, das in einem erneuten Volksentscheid zur Abstimmung gestellt werden soll.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • Fast alle Kapitalgesellschaften, die in Immobilien machen, belasten ihre Häuser mit langfristigen Hypotheken. So kann man hebeln: solange die Bankzinsen niedrig sind, höhere Renditen auf das Eigenkapital einfahren.



    Schaut Euch an, wie hoch die zur Enteignung anstehenden Objekte belastet sind. Dann legt noch mindestens 20% drauf, eher 30 bis 40%. Das ist dann die Unterkante jeglicher Entschädigung.

    • @Christoph Strebel:

      Das entspricht nicht der Einschätzung der Expert*innen-Kommission: eine Vergesellschaftung im Sinne der Gemeinwohlorientierung würde ja gerade nicht nach der renditeorientierten Arithmetik funktionieren, die sie benennt haben und deren Grundlage spekulative Bewertungen sind, wie man aktuell an den panischen Verkäufen und den (drohenden) Insolvenzen in der Branche seit der Zinswende bestens erkennen kann.

      Die Berechnung der Entschädigung würde sich am Zweck der Vergesellschaftungs, nämlich der gemeinwohlorientierten Bewirtschaftung zu Kostenmieten orientieren. Die Entschädigungssumme läge somit also eher unter dem Verkehrswert. Ich verstehe folglich nicht, worauf Ihre Einschätzung basiert.

  • Die (berliner) SPD ist spätestens seit Gerhard Schröder so sozial wie die Union nach dem Krieg christlich. Die freien Demokraten waren nie frei, sondern gekauft und die Grünen durch regierungsbeiteiligung korrigiert!



    Im Kapitalismus ist durchgehend das Geld an der Macht. Die Masse wird mit dem Versprechen, jeder könne es mit Fleiss und Wohlverhalten schaffen, bei Laune gehalten. Ergänzend dazu macht man Minderheiten zu Sündenböcken und hetzt das Volk gegeneinander auf. Da Kapitalismus international so funktioniert, gibt es immer Kriege, wo das Volk blutet und Kapitalisten kräftig verdienen!

  • Die Bürger haben nunmal mehrheitlich Schwarz-Rot gewählt. Das ist dann die Quittung

    • @Unvernunft:

      Und bald wählen Sie mehrheitlich schwarz-blau. Die Menscheit wählt den Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Es ist ja nicht nur in D so!

  • Da ja nach der Enteignung alles besser wird und zudem der öffentliche Haushalt schon jetzt unter Stress steht gehört in das Gesetz der Passus: Die Enteignung muss finanzneutral für den Berliner Haushalt und die Landeseigenen verlaufen. Will heißen Kaufpreis, Gerichtskosten oder auch Abfindungen für Vonovia etc. Mitarbeiter , sind über die Mieten zu erwirtschaften. Ein geringer Preis für das dann ausbrechende Mieter:innenparadies.

  • Der Fake-Bürgerrat, der die Art der Bebauung auf dem Tempelhofer Feld diskutieren soll, ist garantiert früher mit seiner Entscheidung fertig und der Senat hat bis dahin auch garantiet sinnlos die ersten Bazillionen Euro für die Magnetschwebebahn verballert.



    Wer glaubt bei diesem weltfremden und anti-faktischen Pöbel in den Parlamenten eigentlich noch, dass wir von Demokraten regiert werden?

    • @Kabelbrand Höllenfeuer:

      Ja, wer sich heutzutage für politische Ämter zu Wahl stellt, ist nur zu faul zum arbeiten. Also Pöbel. Wir wollen unseren ollen Kaiser Wilhelm wieder ham!

  • Ich finde, die Enteignungen können gar nicht schnell genug stattfinden!



    Allerdings möchte ich danach dann nicht das Gejammer der Berliner*Innen hören, dass sich die Situation sogar noch verschärft hat.

  • Mal sehen was von dieser schwarzroten ... Regierung... nach der nächsten Wahl übrig ist.



    Leider ist zu befürchten dass unsere Demokratie bei Diesen auch kräftig Federn lassen wird.



    Aber wer demokratische Mechanismen dermaßen vor die Wand fährt wird sicher Verständnis dafür haben.

  • Mangels Rechtsbindung? Mit einer solchen Haltung wollen Sie einen formaljuristisches Argument in's Feld führen, um das Ergebnis der Volksabstimmung zu negieren.



    Es bedürfte eher einer Gesetzeskonkretisierung, wie die öffentlichen Organe mit solchen Abstimmungsergebnissen umzugehen haben, denn wie es derzeit läuft, verschiebt sich das Vorhaben in so weite Ferne, dass die Bevölkerung das Interesse verliert, während der Wohnungsbestand in Berlin immer weiter brutal privaten Interessen unterworfen wird, ist der Herstellung eines sozialen Friedens nicht zuträglich.



    Sogar die landeseigenen Wohnungsbau-Gesellschaften sind aus dem Bündnis zur Begrenzung der Mietpreise ausgetreten.



    Es gibt keine politischen Signale, dass die Preis-Schraube bei Mietpreisen nicht weiter angezogen werden darf. Berlin als Stadt hat in den letzten Jahren (6-8 Jahre) eine Mietpreissteigerung um 120% erfahren, während Einkommen bei weiten dahinter zurückgeblieben sind. Der politische Wille auf Landesebene den Wohnungsmarkt zu beruhigen, fehlt. Das ist offensichtlich.

  • Ich finde die Kritik an einem solchen Rahmengesetz etwas merkwürdig. Schließlich war es die Die Linke, die ein solches Gesetz überhaupt erst ins Spiel gebracht hatte - damals noch zu einer Zeit, als sie selbst noch dem Senat angehörte und Ressortverantwortung inne hatte.

    Ein "schäbiger Umgang mit demokratischen Ergebnissen" kann mangels Rechtsbindung des Ergebnisses ebenfalls nicht vorliegen.

    • @DiMa:

      Ihre Darstellung ist nicht ganz korrekt.



      Es sei an dieser Stelle auf ein Interview mit der damaligen Parteivorsitzenden der Berliner LINKEN, Katina Schubert in der taz vom 02.03.2023 hingewiesen.

      Dort sagte sie: "Wir hätten uns auf ein Rahmengesetz eingelassen, das abstrakt beschreibt, was die Voraussetzungen für eine Vergesellschaftung sind – entsprechend der Empfehlung der Expert*innen-Kommission. Und wir hätten dann sofort mit dem Umsetzungsgesetz Wohnen begonnen, ein bisschen analog zum Artikel 14 im Grundgesetz."

      Das ist dann doch etwas ganz anderes, als das, was Sie nahelegen...

      • @Pflasterstrand:

        Das ist nichts anderes. Ein Rahmengesetz ist eine Enteignung nach Art. 14 GG (Enteignung) und nicht nach Art. 15 GG (Sozialisierung). Siehe auch taz.de/!5916119/.

        • @DiMa:

          Ich glaube, Sie haben mich falsch verstanden. Sie behaupteten, DIE LINKE habe das Rahmengesetz "überhaupt erst ins Spiel gebracht", ihre Kritk daran sei deshalb "etwas merkwürdig". Wie das Zitat von Frau Schubert zeigt, scheint diese Darstellung nicht korrekt zu sein, denn der Partei ging es erstens darum, der Expert*innen-Kommission zu folgen und zweitens möglichst rasch ein Umsetzungsgesetz zu erarbeiten. Völlig nachvollziehbar also, dass sie CDU/SPD jetzt so scharf kritisieren. Diese Details sind ihnen aber entgangen, deshalb habe ich Ihnen widersprochen.

          • @Pflasterstrand:

            Ein Umsetzungsgesetz wäre ein direktes Gesetz gewesen (Art. 15 GG), genau darum ging es damals nicht, sondern dieses "Umsetzungsgesetz" hätte nur den "Rahmen" geboten (Art 14 GG; gerne auch analog).

            • @DiMa:

              Art. 14 GG ist doch überhaupt nicht Grundlage des Volksentscheids gewesen und auch nicht die entscheidende Beurteilungsgrundlage der Expert*innenkommission. Es geht und ging um Vergesellschaftung im Sinne des Art. 15 GG. Die Lektüre des Abschlußberichte der Kommission ist heir durchaus erhellend.

              • @Pflasterstrand:

                Das mag sein, dass Art. 14 GG nicht die Grundlage war, die die Linke ist jedoch mit ihrem Gesetzgebungsvorschlag auf Art. 14 GG (analog) umgeschwänkt.

                Mir ist der Unterschied zwischen Art. 14 und Art 15, GG bewusst. Dafür brauche ich keine Kommission.

    • @DiMa:

      Zudem, muss man noch anfügen, hat es die Linke nicht die Bohne interessiert, dass sich mal eine Mehrheit für den Weiterbetrieb von Tegel ausgesprochen hatte. Da hiess es einfach "nicht umsetzbar".

      • @Hamilton von Portatius:

        war auch nicht umsetzbar, weil die offenhaltung tegels aufgrund einer existierenden gemeinsamen landesplanung der zustimmung des landes brandenburg und des bundes bedurft hätte. das ganze war damals eher ein populistischer stunt der fdp und der afd, die das sehr wohl wussten...