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Krieg in NahostWie der Geisel-Deal zustande kam

Katar, USA und Ägypten saßen wochenlang am Verhandlungstisch, um einen Deal beim Nahost-Krieg zu erreichen. Schwierig war, mit Gaza zu kommunizieren.

Die Kommunikation zwischen Hamas und dem israelischem Militär war kompliziert Foto: Shir Torem/reuters

Kairo taz | Der Deal über die Freilassung von Hamas-Geiseln und einen Waffenstillstand im Gazastreifen wurde schon seit Wochen in Doha, der Hauptstadt Katars, verhandelt. Involviert waren neben Katar als zentrale Anlaufstelle die Hamas und deren Chef Ismail Hanijeh, der in Katar lebt, sowie Ägypten und die USA, die die Interessen Israels vertraten. Verhandelt wurde schon seit den ersten Tagen des Konfliktes, als US-Außenminister Antony Blinken nach Doha reiste.

Laut ägyptischen Sicherheitskreisen, die von der ägyptischen Nachrichtenplattform Mada Masr zitiert werden, spielten auch indirekte Treffen zwischen Hamas-Vertretern und hohen israelischen Sicherheitsbeamten in Kairo eine Rolle. Dort wurden demnach letzte Details des Deal eingetütet.

Die grundsätzliche Idee einer phasenweisen Freilassung von Geiseln im Gegenzug zu einer mehrtägigen Waffenruhe und der Möglichkeit, massiv humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu bringen, lag dabei schon lange auf dem Tisch. Die Freilassung von vier israelischen Geiseln im Oktober diente als Testballon für beide Seiten, Israel und die Hamas, um Vertrauen in den Verhandlungsprozess aufzubauen. Das gegenseitige Misstrauen war nach Angaben von Majed al-Ansari, Sprecher des katarischen Außenministeriums, groß.

Als eines der größten Hindernisse erwies sich die Kommunikation mit der Hamas, die mit Beginn des Kriegs im Gazastreifen untergetaucht war. Die Schwierigkeit war es, in einem aktiven Kriegsgebiet, in dem Israel nicht nur bombardiert, sondern auch mit Bodentruppen anwesend ist, Botschaften in und aus dem Gazastreifen zu schicken. Hier war auch der ägyptische Geheimdienst mit seinen Kontakten in den Gazastreifen von Bedeutung. Aber manchmal meldeten sich untergetauchten Hamas-Ansprechpartner tagelang nicht zurück, während man in Katar auf Antwort wartete.

Kommunikation kostete Zeit

Die andere große Hürde, erklärte al-Ansari gegenüber Bloomberg, sei die Forderung Israels und der USA an die Hamas gewesen, Beweise zu liefern, dass die Geiseln noch am Leben sind. Im Laufe der Verhandlungen bot die Hamas in einer Anfangsphase die Freilassung von 50 Geiseln an. Israel forderte Details darüber, um welche Geiseln es sich handelt.

Am 9. November lieferte die Hamas die Details von zehn Geiseln. Das war für die USA und Israel jedoch nicht ausreichend. In einem Telefongespräch des US-Präsidenten Joe Biden am 12. November mit dem Emir von Katar, Scheich Tamim Bin Hamad Al Thani, erklärte Biden, dass ein Deal möglich sei, dass es aber mehr Details über den Geiseln bedürfe.

Daraufhin lieferte die Hamas Informationen über jene 50 Frauen und Kinder, die jetzt in dem Deal in mehreren Phasen im Austausch gegen 150 palästinensische Frauen und Kinder in israelischen Gefängnissen freigelassen werden sollen. Auch das kostete aufgrund der prekären Kommunikationsmöglichkeiten viel Zeit.

Überwachungsdrohnen sollen pausieren

Eine weitere Hürde waren die praktischen Details der Freilassung der Hamas-Geiseln. Der Hamas scheint es bei den Verhandlungen wichtig gewesen zu sein, Bedingungen zu schaffen, in denen ihre Verstecke während der Freilassung der Geiseln nicht preisgegeben werden. Laut dem Deal soll deswegen nun zeitweise die israelische Luftüberwachung des Gazastreifens mit Drohnen eingestellt werden.

Unklar ist geblieben, wie sich dieser Deal auf die zweite Front an der Nordgrenze Israels auswirken wird, wo die israelische Armee und die Hisbollah sich seit Wochen gegenseitig beschießen. Hisbollah-Generalsekrtäär Hassan Nasrallah hielt nach der Verkündung des Deals Gespräche mit dem Hamas-Vize-Chef Khalil al-Haija. Aber bisher hat sich die Hisbollah noch nicht zu dem Gaza-Deal geäußert.

Ob das alles nun wie ausgemacht klappt, erwarten die Vermittler in Katar mit Anspannung. „Unser Fokus liegt nun darauf, sicherzustellen, dass sich beide Seiten an den Deal halten, erklärte al-Ansari gegenüber dem katarischen Fernsehsender Al Jazeera.

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