Katar als Vermittler in Nahost: Medienmacht und Terrornähe

Ohne das Emirat Katar gäbe es wohl kein Abkommen zwischen Israel und der Hamas. Wie wurde der kleine Golfstaat zu einem großen Player in der Region?

Schwarz gekleidete Frauen mit Kopftüchern und weiß gekleidete Männer mit Kopfbedeckungen

Vermittler in Nahost: Katarische Diplomaten im Nationalen Kommandozentrum Doha Foto: Imad Creidi/reuters

BERLIN taz | Er ist klein, aber in aller Munde: der Golfstaat Katar. Hochrangige Politiker haben sich dort seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober die Klinke in die Hand gegeben. Am Mittwoch wird auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf der Halbinsel am Persischen Golf erwartet, um Gespräche mit dem Emir von Katar zu führen. Dabei wird es vor allem um eins gehen: den Gazakrieg und die Freilassung israelischer Geiseln. In Katars Hauptstadt Doha dürfte die Stimmung derzeit gut sein. Kein anderes Land konnte sich in den letzten Wochen international derart in Szene setzen – und das nur ein Jahr nachdem es als Gastgeber der Fußball-WM in aller Welt Bekanntheit erlangte. Dabei ist Katar mit weniger als drei Millionen Einwohnern kleiner als etwa Berlin.

Der maßgeblich von Katar vermittelte Deal zwischen Israel und der Hamas, der den Austausch von Geiseln gegen Gefangene ermöglicht, ist für Doha bei Weitem nicht der erste, aber der größte Vermittlungserfolg. Das Land setzt darauf, international unentbehrlich zu werden und somit sein eigenes Überleben zu sichern. Die Vermittlerrolle, die der seit 2013 amtierende Emir Tamim bin Hamd Al Thani im Außenministerium auch personell deutlich ausgebaut hat, ist dabei einer der Grundpfeiler der Außenpolitik – neben dem Export von Erdgas und der Medienmacht in Form von al-Dschasira.

Diese drei Machtfaktoren haben dem Land eine von Iran und Saudi-Arabien unabhängige Regionalpolitik ermöglicht, die es immer wieder mit seinen Nachbarn in Konflikt gebracht hat. Allerdings konnte Katar selbst aus der von den Saudis und anderen Staaten 2017 verhängten Blockade erfolgreich hervorgehen. Keine der damaligen Kernforderungen – Schließung von al-Dschasira und Stopp der Unterstützung von Islamisten – wurde erfüllt.

Der jetzige Deal ist ein Resultat der langjährigen Kontakte Dohas sowohl zur Terrororganisation Hamas als auch zu Israel. Erst am Dienstag besuchte Mossad-Chef David Barnea erneut das Land. Seit Beginn des Gazakriegs war es Barneas vierter Besuch in dem Land, das mit Ismail Hanijeh und Khaled Mishal zwei prominente Gesichter der Hamas beherbergt.

Auch die USA setzen auf Katar

Für Israels Regierung hat Katar im vergangenen Jahrzehnt nicht trotz, sondern wegen seiner engen Kontakte zur Hamas eine wichtige Funktion eingenommen: Es war Katar, das Gaza immer wieder hohe Geldsummen zukommen ließ, das Küstengebiet wirtschaftlich am Laufen hielt und in sehr enger Kooperation mit Israels Verteidigungsministerium humanitäre Hilfe ermöglichte.

Und auch die USA setzen auf Katar: Die Nähe zu islamistischen Gruppierungen hielt Washington nicht davon ab, in Katar die wichtigste US-Luftwaffenbasis in der Region zu unterhalten. Ob Irak, Syrien oder Afghanistan: Es war die Al Udeid Air Base, von der aus US-Kampfjets abhoben, um Ziele in der Region anzugreifen.

Wenn der laufende Austausch von israelischen Frauen und Minderjährigen gegen palästinensische Gefangene abgeschlossen ist, will Katar weitermachen: Am Dienstag erklärte Außenamtssprecher Majed al-Ansari: „Die aktuelle Priorität ist die Freilassung der zivilen Geiseln, der Frauen und Kinder, dann kommen die militärischen Geiseln an die Reihe.“

Jeder Vermittlungserfolg wird dabei auch eine Rechtfertigung sein für Katars teils äußerst problematische Beziehungen zu islamistischen und terroristischen Kräften. Dass Hanijeh und Mishal in Doha ungestört leben können, könnte das Land auch in Konflikt bringen mit Israel, das eine Eliminierung der Hamas angekündigt hat. Eine gezielte Tötung der Hamas-Anführer auf katarischem Boden ist indes kaum vorstellbar.

Wie gezielt Katar daran arbeitet, Verständnis für seine ambivalente Außenpolitik zu gewinnen, lässt sich in Europa beobachten. Als in Doha noch auf den Deal zwischen Israel und der Hamas hingearbeitet wurde, warb Außenamtssprecher al-Ansari parallel in Deutschland für die Rolle Katars. Diplomaten, Politiker, Journalisten und Analysten wurden zu mehreren Events eingeladen, alles üppig finanziert und organisiert von einer Organisation namens „Der Divan – das Arabische Kulturhaus“, einer 2017 eröffneten Kultur- und Lobbyorganisation Katars, die in einer Villa in Berlin-Zehlendorf sitzt.

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