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Migrationsbekämpfung in AfrikaEin kümmerliches Angebot

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Die Bundesregierung versucht, afrikanische Staaten als Partner zu gewinnen, um die Migration zu reduzieren. Warum sollen die da eigentlich mitmachen?

Auf gute Geschäfte? Kanzler Scholz (l.) und Nana Akufo-Addo, Ghanas Präsident Foto: Michael Kappeler/dpa

D ie Deutschen wollen billiges Gas und mehr Abschiebungen – das bleibt in Afrika hängen nach den Besuchen von Bundeskanzler Scholz in Ghana und Nigeria und Innenministerin Faeser in Marokko.

Auf die erhofften Rücknahmeabkommen verweisen Am­pel­po­li­ti­ke­r:in­nen gebetsmühlenartig. Es ist eine bedrückend kümmerliche Antwort auf die Migrationsfrage – und ein ebenso kümmerliches Angebot an die Afrikaner:innen, die man in einer äußerst schwierigen Lage weiterhin als Partner gewinnen will.

Russland und China sind in Afrika präsenter denn je, machen teils sehr lukrative Angebote – ohne das Migrationsthema. Unvergessen ist in Afrika die harte Haltung der Europäer zu den Covid-Impfstoffen. Die Toten im Mittelmeer, dass führende Politiker nun „physische Gewalt“ gegen Flüchtende fordern – all das wird registriert, befeuert die antiwestliche Stimmung. Der Gaza­krieg kam hinzu. Das Ansehen des Westens ist durch sein zu zögerliches Eintreten für den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung im Rest der Welt schwer beschädigt.

Umso aussichtsloser scheint es, nun auf die großen Abschiebedeals zu hoffen. Nigeria war schon 2008 das erste afrikanische Land, mit dem die EU-Grenzschutzagentur Frontex ein Arbeitsabkommen schloss. Nach Marokko flog schon Ex-Innenminister Thomas de Maizière, um die biometriegestützte Identifikation Ausreisepflichtiger anzuschieben.

Doch bis heute ziehen die afrikanischen Staaten bei Abschiebungen nicht so mit, wie die EU will. Das liegt auch am schlechten Stand der Europäer. Und die geforderten Arbeitsvisa als Ausgleich will die EU auch nicht zusagen – absurd angesichts der Arbeitskräftelücke hierzulande. Wer Afrika auf Dauer als Partner gewinnen will, muss mehr bieten. Etwa eine Ausweitung der Westbalkanregelung für Ar­beits­mi­gran­t:in­nen auf solche aus afrikanischen Staaten.

In Deutschland muss mehr getan werden

Nächste Woche steht der nächste Flüchtlingsgipfel der Bundesländer an. Die Kommunen brauchen mehr Geld. Mit dem, was Finanzminister Lindner ihnen geben will, werden sie nicht zufrieden sein. Und AfD, Union und auch die FDP werden absehbar nicht damit aufhören, das Migrationsgeschehen als größtes aller Probleme hinzustellen.

SPD und Grüne müssten dies zurückweisen – und wieder mehr über Dinge reden, die bessere Bedingungen für die Integration schaffen und die zusätzlich auch allen anderen zugutekommen: Wohnen, Schulen, Rente, Pflege, Gesundheit. Stattdessen machen sie die obsessive Fixierung auf die Migrationsfrage mit – und hoffen, die Afri­ka­ne­r:in­nen würden das Problem für sie entschärfen. Das wird nicht geschehen.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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11 Kommentare

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  • Deutschland hat im letzten Jahr knapp 42 Mrd und wird dieses Jahr wahrscheinlich knapp 49 Mrd Euro fuer Fluechtlinge/Armutsmigration ausgeben.



    Und parallel steigen die Zustimmungswerte der AFD.

    Weder das Ankuendigen von Rueckfuehrungsinitiativen noch mehr Schulden werden an dieser Entwicklung etwas aendern.

    Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die EU die Grenzen dicht macht.



    Je laenger man wartet, desto haerter und unmenschlicher wird es werden.

  • "Das Ansehen des Westens ist durch sein zu zögerliches Eintreten für den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung im Rest der Welt schwer beschädigt."

    Das kann kaum der Grund sein, wenn die Konkurrenten Russland (überfällt gerade Nachbarn) und China (interessiert sich irgendwer für Uiguren?) sind.

    Insgesamt ist die Herangehensweise ziemlich zynisch, intern wird die dt. Politik für jedes Schicksal eines Flüchtenden verantwortlich gemacht, den Heimatstaaten wird hier hingegen selbstverständlich das "Sry, aber was habe ich davon?" zugestanden.

    • @Questor:

      Daran ist nichts zynisch.

      Wenn in afrikanischen Ländern auf Druck der EU durch neue Gesetze die Boote noch untauglicher werden für die hohe See, wenn die rel. sicheren Routen, in Zusammenarbeit und durch finanzielle Unterstützung der EU, abgeriegelt werden und die Menschen immer gefährlichere Fluchtwege nutzen müssen...

      dann trägt die EU die Hauptverantwortung, für die Toten auf dem Meer und nicht etwa die afrikanischen Länder, welche von den Finanzhilfen abhängen.

      Unter Merkels Regierung wurde auch von Deutschland aktiv daran gearbeitet die Seenotrettung zu sabotieren.

      Weniger Seenotrettung = mehr Tote.

      Da ist ein klarer direkter Zusammenhang.

      • @sociajizzm:

        Daran ist sehr viel zynisch: Die Länder aus denen die Menschen fliehen werden von jeder Verantwortung für diese Menschen entlastet (Da muss man sich nur drum kümmern wenn es sich für diese Länder lohnt), aber wir bekommen die Verantwortung global aufgedrückt.

        Nur mal in der Theorie (und um vielleicht den Irrsinn dieser Verantwortungsverteilung deutlich zu machen): Wenn wir die Lebensumstände für Geflüchtete hierzulande so gestalten, dass diese aus Deutschland fliehen, würden Sie dann auch



        a) Deutschland von jedweder Verantwortung für diese Menschen freisprechen und



        b) das designierte Aufnahmeland ab der deutschen Grenze für alles verantortlich machen was den Flüchtenden zustößt?

        Genau das passiert ja derzeit - nur mit anderen Akteuren

  • Ein bisschen koloniales "Tut uns leid", ganz viele eigene Wünsche, immer noch überheblich, immer noch ausbeutend und benutzend, pseudopartnerschaftlich, alles möglichst billig, Deutschland ist jämmerlich.

  • Guter Kommentar, lakonisch, vielleicht z.T. etwas naiv, aber nevertheless: good!

  • "Obsessive Fixierung" klingt seltsam, wenn man die Studiem gelesen hat, wonach in den Wahlen in Bayern und Hessen Migration das zweit- bzw. drittwichtigste Thema für die Wahlentscheidung gewesen ist.

    Dabei sollten wir uns freuen, dass die Wahlen vom dem 7.10. stattgefunden haben.

  • Es gibt ein neues Zuwanderungsgesetz.



    Scholz, Faeser und Heil sind bestrebt, bilaterale Verträge mit demokratischen Staaten zu schließen um legale Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.



    Außerdem geht es um wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Stärkung der Wirtschaft in den potentiellen Partnerländern. Es verwundert, dass diese Themen ausgespart werden.



    Die neue globale Ausrichtung der Wirtschaft hin zu mehr Zusammenarbeit mit Demokratieen, statt mit eher problematischen Partnern wie China finde ich auch sehr positiv.

  • Man muss den deutschen Ansatz zur Migration mit der Härte benennen, die es korrekt umschreibt: Deutschland will schnorren. Andere Länder sollen in die Ausbildung der eigenen Jugend investieren, Schulen bauen, Lehrer bezahlen, Unis betreiben, Forschung betreiben, Studien finanzieren, StudentenInnen finanzieren.



    Und wenn die Rendite für alle diese staatlichen und privaten Investitionen eingefahren werden könnte - kommt Deutschland und sagt: kommt hierher.



    Ich habe keine Vorschläge gehört, dass Deutschland für diese Investition auch nur nährerungsweise angemessene Kompensationen zahlen will oder auch nur könnte. Denn der Brain - Drain ist ja mehr als finanzieller Verlust: Die "Gastarbeiter" haben gezeigt: spätestens wenn die expats hier Kinder haben, ist es hochwahrscheinlich, dass sie nie wieder ins Heimatland zurück kommen.



    Warum sollte das irgend ein Land machen? Und eigentlich wissen das auch alle Werbungsreisenden: Denn in die Länder, in denen das kulturell, sprachlich, finanziell und juristisch (Visa) viel viel einfacher wäre - die Länder der EU mit hoher Jugendarbeitslosigkeit (Spanien, Italien, Griechenland, Balkan) - da fahren die hohen und nicht so hohen Herren und Damen nicht hin. Statt dessen : Indonesien, Mexiko, Brasilien und jetzt Marokko und "Afrika südlich der Sahara"...



    Ein Schelm, wer dabei denkt, das könnte daran liegen, dass sich EU-Mitglieder für diesen kaum verbrämten Brain-Drain-Raub mit allerhand Obstruktion bei deutschen Wünschen in Brüssel revanchieren könnten....



    Und natürlich hat die Ampel Sorge: wer nicht von ganz so weit weg kommt, ist vielleicht auch schneller wieder in der Heimat, wenn's hier nicht sooooo schön ist...

    • @Monomi:

      Haben Sie Belege dafür dass Deutschland mehr Fachkräfte ins Land holt als ans Ausland verliert? Meines Wissens nach ist Deutschland beim Brain-Drain nicht Täter, sondern "Opfer".

      Wobei ich das bewußt in Anführungszeichen setze, da es hier nicht um Raub oder Entführung von Fachkräften geht, sondern um die freie Willensentscheidung von Menschen. Deutsche Regierungen die ausreisewillige Menschen verkauft hatten wir schon, sowas brauchen wir nicht wieder

    • @Monomi:

      Länder wie Ghana haben mit 220 Mio. eine für ein recht kleines Land, hohe Bevölkerungszahl.



      Ganz im Gegensatz zu uns, gibt es einen niedrigen Altersdurchschnitt.



      Wirtschaftlich betrachtet, kann Ghana seiner Bevölkerung weder im ausreichenden Maß Arbeitsplätze, und schon gar nicht die Aufstiegsmöglichkeiten bieten.



      Arbeiten in einem anderen Land bietet für die Einzelnen also durchaus eine Chance.



      Volkswirtschaftlich sind für viele Entwicklungsländer Rücküberweisungen, von ArbeitnehmerInnen aus dem Ausland, relevant für den Staatshaushalt.



      Darüber hinaus geht es ja auch um wirtschaftliche Zusammenarbeit.



      Seit gut 25 Jahren hat sich die Bewertung der deutschen Lebensläufe völlig verändert:



      war bis dahin ein Auslandsaufenthalt ein Makel,



      ist er nun gewünscht oder sogar erforderlich für eine Bewerbung.



      Warum sollten Firmen in Ghana diesbezüglich hinter dem Mond leben?