piwik no script img

Hohe Preise für NahrungsmittelSchlechte Stimmung beim Konsum

Die Inflation drückt noch auf die Kauflaune der Menschen in Deutschland, ein Großteil verzichtet ihretwegen. Doch das könnte sich bald ändern.

Mehr Menschen konsumieren mehr, hier auf einer Einkaufsstraße in Düsseldorf Foto: Michael Gstettenbauer/imago

Berlin taz | Bei Wirtschaftsausblicken ist derzeit viel davon die Rede, dass die hohen Energiepreise die Industrie belasten. Dass die hohe Inflation jedoch auf den Einkommen der Beschäftigten lastet, gerät in den Hintergrund. Dabei drückt dies weiterhin auf die Kauflaune und damit auch auf die Wirtschaftsleistung.

„Vor allem die hohen Preise für Nahrungsmittel schwächen die Kaufkraft der privaten Haushalte in Deutschland und sorgen dafür, dass der private Konsum in diesem Jahr keine Stütze der Konjunktur sein wird“, warnt Konsumexperte Rolf Bürkl vom Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM).

Das NIM veröffentlicht monatlich zusammen mit dem Marktforschungsinstitut GfK das GfK-Konsumklima, das die Kauflaune der Menschen im Land messen soll und auf Umfragen beruht. Und laut dem jüngsten, am Dienstag veröffentlichen Konsumklima hat sich die Stimmung unter den Ver­brau­che­r*in­nen weiter verschlechtert. „Mit dem dritten Rückgang in Folge müssen die Hoffnungen auf eine Erholung der Konsumstimmung noch in diesem Jahr endgültig begraben werden“, prognostiziert deshalb Bürkl.

Wie wichtig die Kaufkraft der Bevölkerung für die Konjunktur ist, zeigt sich auch in der gegenwärtigen Energiepreiskrise. Dass die Wirtschaft zum Jahreswechsel 2022/23 in eine Rezession geriet, lag nämlich maßgeblich an der Konsumzurückhaltung der privaten Haushalte. So sind deren Ausgaben in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 1,2 Prozent zurückgegangen, weil die Menschen aufgrund der hohen Inflation insbesondere bei Nahrungsmitteln, Bekleidung und Einrichtungsgegenständen sparten.

Großteil verzichtet wegen Inflation

Wie sehr die aktuellen Krisen das Leben der Menschen beeinflussen, zeigt auch das am Dienstag veröffentlichte Vermögensbarometer des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. 26 Prozent der Menschen in Deutschland bewerten ihre finanzielle Situation demnach als „schlecht“ oder „sehr schlecht“. Vor einem Jahr waren es noch 22 Prozent. Die Folge: 71 Prozent der im Rahmen des Vermögensbarometers Befragten gaben dieses Jahr an, durch den Preisanstieg in ihrem Alltag verstärkt auf Dinge verzichten zu müssen. Das sind 6 Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr.

Allerdings scheint sich das Blatt zu wenden. „Die Inflation nimmt deutlich ab, gleichzeitig profitieren die Beschäftigten von hohen Lohnabschlüssen“, sagt Peter Hohlfeld vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.

So ging die Inflation zuletzt von 6,1 Prozent im August auf 4,5 Prozent im September zurück. Gleichzeitig erzielte etwa die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen im April Lohnsteigerungen von durchschnittlich 11,5 Prozent. Mit rund 2,5 Millionen Beschäftigten war dies die größte Tarifrunde in diesem Jahr. „Unterm Strich wird das die Kaufkraft verbessern. Die privaten Haushalte werden dadurch im kommenden Jahr wieder mehr konsumieren“, erklärt Konjunkturexperte Hohlfeld.

Hohlfeld und seine Kol­le­g*in­nen gehen davon aus, dass die privaten Konsumausgaben nach einem Rückgang in diesem Jahr von 0,5 Prozent im nächsten Jahr um 1,6 Prozent steigen werden. Das wird laut dem IMK auch dazu beitragen, dass die deutsche Wirtschaftsleistung im nächsten Jahr wieder wächst.

Wirtschaft wächst 2024 wieder

Auch wenn die schlechte Lage in der Bauindustrie und lahmende Exportwirtschaft dämpfend auf die Konjunktur wirken, wird das Bruttoinlandsprodukt laut der aktuellen Prognose des IMK im Jahr 2024 um 0,7 Prozent zulegen, nachdem es dieses Jahr noch um 0,5 zurückgeht. Das IMK bewegt sich damit im Rahmen anderer gängiger Konjunkturprognosen.

Was sich übrigens auch positiv auf den gesamtgesellschaftlichen Konsum auswirkt, ist die Zuwanderung. „Mehr Menschen konsumieren auch mehr“, so Hohlfeld. „Die Zuwanderung hat damit auch einen positiven Effekt auf das Bruttoinlandsprodukt.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Die Inflation wird erst nochmal weiter kräftig steigen, und zwar wegen folgender Tatsachen:

    1. zum 1. Dezember kommt die neue LKW-Maut, die Steigerungen von bis 50-84% enthält. Diese Kosten werden durchgereicht, und landen am Ende gnadenlos beim Verbraucher.



    2. Zum 1. Januar 2024 kommt die nächste Stufe der CO2-Steuer, auch das wird das Leben für alle teurer machen.



    3. Zum 1. Januar 2024 wird in Gaststätten wieder 19% Mwst. auf alle Speisen erhoben. Auch das treibt die Inflation in die Höhe.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Mwst ? Ich erinnere mich nicht, dass auch nur ein eiziger Wirt die Senkung weitergegeben hätte.



      Aber die Erhöhung wird durchgereicht...

      Wir sind die Kunden und entscheiden wessen Bier wir saufen !

  • Die meisten Erzeugerpreise für Lebensmittel sind jetzt wieder unter dem Niveau wie vor dem Ukrainekrieg, es ist der Handel der die Preise bewusst nicht an die Verbraucher weitergibt sondern lieber seinen Gewinn immer weiter steigert.



    Das die Zuwanderung einen positiven Einfluss auf den Konsum hat würde nur stimmen wenn alle Personen die zuwandern nur ihr eigenes Geld bei uns ausgeben würden. So aber gibt der Staat den Menschen Geld, diese konsumieren, also eine Subventionierung des Staates über dritte.

  • Ei schau an.



    Da fehlen uns Zuwanderer nicht nur als Arbeitskräfte sondern auch als Konsumenten.



    Man fragt sich doch zwangsläufig, wie die rechten Labertaschen es schaffen, uns einzureden wir würden die Zuwanderung nicht schaffen, die Fremden seien unser Untergang und blah blah blah.

    Aber ich habe da so eine Idee ... egal ob in Bayern, Sachsen oder Thüringen: Man will offenbar die Dummen und Manipulierbaren um sich scharren.

    Die Schlauen würden ja viel zu schnell merken, dass sie auch von denen verarscht werden.

  • > Hohlfeld und seine Kol­le­g*in­nen gehen davon aus, dass die privaten Konsumausgaben nach einem Rückgang in diesem Jahr von 0,5 Prozent im nächsten Jahr um 1,6 Prozent steigen werden.

    Ja davon geht jeder aus, denn die Speditionen, die die Güter in den Supermarkt bringen, werden die über 7 Mrd. Euro an Mehrkosten weitergeben und am Ende wird das vom Endkunden bezahlt.

    Wieso wird dieser absolut signifikante Faktor nicht einmal in einem Nebensatz im Artikel erwähnt?

  • Ich denke die Analyse ist nicht ganz korrekt. Nur weil alles teurer wird leidet doch nicht der Konsum. Im Gegenteil, dann muss man mehr für Konsum ausgeben und somit steigen die Konsumausgaben sogar.



    Der Zusammenhang ist also anders: die Leute müssen ihr Geld für andere Dinge ausgeben als Konsum und daher bleibt für den Konsum weniger übrig....egal wie die Preise sich dort entwickeln. Die anderen Dinge sind Energie und Mobilität, ggf. auch gestiegene Kreditzinsen. Und weil die so teuer sind reichts ggf für andere Dinge, also den Konsum nicht.

  • "So ging die Inflation zuletzt von 6,1 Prozent im August auf 4,5 Prozent im September zurück. Gleichzeitig erzielte etwa die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen im April Lohnsteigerungen von durchschnittlich 11,5 Prozent."

    Diese Darstellung suggeriert, dass die Betroffenen nun inflationsbereinigt deutlich mehr Gehalt bekommen. Tatsächlich ist es aber so, dass der Tarifvertrag für 24 Monate gilt (2023 und 2024). Der Anstieg des Verbraucherpreisindex, der durch die Steigerung ausgeglichen werden soll, betrug in den vorangegangenen zwei Jahren (Dez. 2020 - Dez. 2022) allerdings 13,4%.

    Davon abgesehen ist die Änderung des Verbraucherpreisindex auch nur ein sehr vereinfachtes Maß für Inflation. "Luxusgüter" wie Wohneigentum kann man sich z.B. mit einem mit der offiziellen Inflationsrate steigenden Gehalt immer weniger leisten.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Sie zitieren tatsächlich noch Konjunktur"prognosen" (besser: "Erkenntnisse" nach dem Blick in die Glaskugel), die eine "Steigerung" um 0,7% vorhersagen?



    Nach den Erfahrungen der letzten Jahre, insbesondere den heurigen?



    Nach dem Totalversagen der Regierung und der EZB bei den Preisexplosionen der letzten Jahre, die die Bürger um zig Milliarden ihrer Vermögen brachten?



    Wobei die Bundesregierung kuhäugig zusah und der EZB der größte anzunehmende Mist als "Gegenmaßnahme" einfiel: Zinserhöhungen, die die Preise noch mehr anheizten!



    Und jetzt wird über sinkende Inflationsraten jubiliert - und geflissentlich verschwiegen, dass die neuen, angeblich so tollen Raten von einer Preisbasis ausgehen, die großteils um über 100% höher liegt, als die erste Explosion vor zwei Jahren. Und danach kam nochmal eine!



    Für mich steht fest:



    Ich gehe in kein Restaurant mehr, das die obszöne Preistreiberei mitmachte.



    Zu keine Bäcker, zu keinem Metzger und ich kaufe kein Produkt im Supermarkt mehr und auch kein anderes einer der Preistreiber-Firmen.



    Heute nicht, morgen nicht, nie mehr.