ZDF-Serie „Aufgestaut“ zu Klimablockaden: Unterkomplexe Folgen
Die Serie „Aufgestaut“ versucht, viele Details einer Klimablockade einzufangen. Das trägt nicht zur konstruktiven Debatte bei.
Die ZDF-Dramedy „Aufgestaut“ hat sich viel vorgenommen: Endlich soll die Frage nach der Angemessenheit von klimapolitischen Straßenblockaden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in multiperspektivischer Erzählweise thematisiert werden. In sechs etwa viertelstündlichen Kurzfolgen werden Konsequenzen einer Straßenblockade umrissen.
Das Drehbuch- und Regieduo Zarah Schrade und Matthias Thönnissen hat für dieses Projekt hochkarätige Besetzung gewinnen können: Adrian Grünewald („Im Westen nichts Neues“) und Valerie Stoll streifen sich die Rollen der jungen Protestierenden, die sich eigentlich schon bei angebrannter Veggie-Bolognese im Vorfeld gut fanden und nebeneinandergeklebt immer besser. Besonders Grünewald gelingt es, aus Finn keinen austauschbaren Demonstranten werden zu lassen, sondern die Entscheidung für oder gegen zivilen Ungehorsam ernstzunehmend schwierig darzustellen: „Ich glaube, ich kann andere Sachen besser. Ich bin eher kein Kampfmönch.“
Leider sind ansonsten eher zu viele platte Stellvertreter:innen für diese oder jene Gruppe anzutreffen. In einem einzigen Stau ist ein Muttermund weit geöffnet, eine Cellistin kurz vor der wichtigsten Prüfung ihres Lebens und ein Mann bei erneuter Verspätung arbeitslos. Das Credo scheint zu lauten: Einmal alles, bitte!
Jede von Kritiker:innen der Protestform in Talkshows vorgetragene, potentiell gefährliche Verwicklung tritt in „Aufgestaut“ ein. So wird eine ohnehin überhitzte Debatte nicht abgekühlt, sondern zum Überkochen gebracht, und zwar vor allem durch das Ende der Geschichte: Das Kind wird gesund und bei Cellomusik im Stau geboren, der Lieferwagenfahrer findet endlich seine echte Bestimmung, der Porsche-Fahrer grölt zwar herum, tut aber niemandem etwas zuleide. Am Ende Kuchen für alle und im Zuschauerraum Ratlosigkeit.Ein Thema ernst zu nehmen bedeutet, es in seiner Uneindeutigkeit und Herausforderung zu begreifen.
„Aufgestaut“ läuft seit dem
28. September 2023 in der ZDF-Mediathek
Die Dramedy-Form wäre ideal, um das Gute und Schwierige, die Zwischentöne und das Noch-nicht-Gesehene der Protestform zu diskutieren. Stattdessen begegnet uns holzschnittartig das, was wir alle schon wissen: Menschen haben wichtige Termine und verspäten sich, Menschen müssen ins Krankenhaus, Menschen werden wütend.
Wenn man sich dazu entscheidet, die möglichen Folgen zivilen Widerstands anhand emotional aufgeladener Einzelschicksale zu thematisieren, dann bitte ehrlich und mit Mut zur Konsequenz. Dieser Mut fehlte: Niemand leidet am Ende wirklich unter der Protestform. Erst mit dem realistischen Ausbuchstabieren etwaiger Konsequenzen kann ein echtes Gespräch – vor allem mit Kritiker:innen – über das Für und Wider, die immense Wichtigkeit des Anliegens und die gleichzeitige Frage nach der Zielrichtung des Protests beginnen.
Wenn sich aber am Ende jede künstliche Dramatik in Wohlgefallen und Cellospiel auflöst, wird das Vermögen der Zuschauenden, Ambivalenz auszuhalten und selbst bewerten zu können, maßlos unterschätzt. Was wir in „Aufgestaut“ sehen, ist eine Unterkomplexität, die der Debatte um angemessene Protestformen kaum dient.
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